Gesundheitsschutz ist mehr als Coronaprävention – den Menschen als soziales Wesen wertschätzen.

Antrag
vom 07.12.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 07.12.2021

 

Gesundheitsschutz ist mehr als Coronaprävention den Menschen als soziales Wesen wertschätzen.

I. Ausgangslage

Ältere Menschen und Senioren sind von der Corona-Krise in besonderer Weise betroffen. Diese vulnerable Gruppe ist nicht nur besonders anfällig für eine Erkrankung an Covid-19, sondern sie hat häufig auch unter den starken Einschränkungen, insbesondere den Kontakt­beschränkungen, zu leiden.

Die Landesregierung ist in besonderer Weise gefordert, dem Erkrankungsrisiko durch das Corona-Virus entgegenzutreten, ältere Menschen dabei aber auch vor Notsituationen und vor negativen psychologischen Folgen – wie Vereinsamung und Depression sowie physischen Krankheiten, die sich aus der erzwungenen Freiheitseinschränkung ergeben – zu schützen. Denn allgemeine Kontaktbeschränkungen, Besuchsverbote in Altenheimen etc. sind maßgeb­liche Faktoren sozialer Isolation und Vereinsamung; sie wirken sich negativ auf den Gesund­heitszustand und das Gesundheitsverhalten von Senioren aus.

Altersassoziierte Multimorbidität, Behinderung und Pflegebedürftigkeit begünstigen soziale Isolation, die sich ihrerseits negativ auf Funktionalität und Lebensqualität auswirkt. Zahlreiche Langzeitstudien weisen soziale Isolation darüber hinaus als unabhängigen primären Risiko­faktor für eine erhöhte Morbidität und Mortalität im Alter aus.1

Untersuchungen, welche überwiegend während den zurückliegenden SARS-CoV-1- und MERS-Pandemien durchgeführt wurden, wiesen bei Menschen in Quarantäne eine bedeut­same Zunahme von akuten Stresssymptomen, Schlafstörungen, Angstsymptomen, Depressi­vität und posttraumatischen Belastungsstörungen nach.2 Bereits relativ kurze Phasen sozialer Isolation können den Gesundheitszustand alter Menschen verschlechtern, insbesondere dann, wenn diese multimorbide sind und nicht über ausreichende soziale Kontakte verfügen.

Der psychischen und gesellschaftlichen Situation dieser Bevölkerungsgruppen sollte daher gerade unter Pandemiebedingungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Situ­ation tiefergehend zu untersuchen, ist mit Blick auf die negativen Auswirkungen unerlässlich.

Die Landesregierung ist aufgerufen, bei jeglichen freiheitseinschränkenden Maßnahmen den Nutzen für die Gesundheit gegen die Kosten sorgfältig abzuwägen.

Die Ergebnisse der „Journal Health Monitoring“-Gesundheitsberichtserstattung des Bundes, gemeinsam getragen von Robert Koch Institut (RKI) und DeStatis, “Zur Situation älterer Men­schen in der Anfangsphase der Covid-19 Pandemie: Ein Scoping review“ aus dem März 2021 zeigen, dass vielfältige direkte und indirekte Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Ge­sundheit und Wohlbefinden älterer Menschen bereits in der Anfangsphase der Pandemie zu erwarten sind.

„Es besteht dringender Bedarf an empirischer Forschung, insbesondere an Begleit- und Inter­ventionsforschung, die sowohl den Infektionsschutz als auch Folgen der Maßnahmen für ältere Menschen in den verschiedensten Lebenssituationen über den gesamten COVID-19-Pande-mieverlauf thematisiert. Dabei müssen individuelle (intrinsische) gesundheitliche, funktionelle und soziale Ressourcen und externe Kontextfaktoren wie Lebensumstände, medizinische und pflegerische Versorgung und soziale Unterstützungsangebote berücksichtigt werden. In der COVID-19-Pandemie ist deutlich geworden, dass eine fortlaufende und systematische Ge­sundheitsberichterstattung für die Bevölkerung ab 65 Jahren benötigt wird, die auch die Hete­rogenität dieser Altersgruppe berücksichtigt.“, heißt es in dem Bericht.

Vor dem Hintergrund der steigenden Infektionszahlen und einer fehlenden klaren Positionie­rung der Landesregierung im Hinblick auf mögliche Kontaktbeschränkungen bedarf es bereits zum jetzigen Zeitpunkt eines klaren Bekenntnisses zur psychischen und physischen Gesund­heit der älteren Bevölkerungsgruppen des Landes NRW.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. den Schutz der Grundrechte zu priorisieren und bei der Verhältnismäßigkeit der Maßnah­men zu berücksichtigen, indem alles Erforderliche unternommen wird, um sicherzustellen, dass die Bewegungsfreiheit für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen garantiert ist;
  2. sicherzustellen, dass die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen unter Einhaltung der Hygienevorschriften uneingeschränkt Besuch empfangen können;
  3. die Lage von Senioren während der Corona-Beschränkungen mit Bezug zu ihrer Lebens­situation (alleinlebend, mit Partner oder Kindern, im Pflegeheim, in sonstiger Einrichtung usw.) zu untersuchen und daraus abzuleiten, in welchen Bereichen es besondere Prob­leme gab;
  4. festzuhalten, inwiefern sich Kontaktbeschränkungen auf die Häufigkeit von Suiziden und Suizidversuchen bei älteren Menschen ausgewirkt haben;
  5. eine Beratungsstelle für Senioren einzurichten, um Hilfsbedarf zu erkennen und der dro­henden Vereinsamung – auch über die Pandemie Einschränkungen hinaus – vorzubeu­gen.

Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 Pantel, J. Gesundheitliche Risiken von Einsamkeit und sozialer Isolation im Alter. Geriatr Rep 16, 6– 8 (2021). https://doi.org/10.1007/s42090-020-1225-0

2 Röhr S, Müller F, Jung F, Apfelbacher C, Seidler A, Riedel-Heller SG. Psychosoziale Folgen von Quarantänemaßnahmen bei schwerwiegenden Coronavirus-Ausbrüchen: ein Rapid Review. Psychiatrische Praxis 47 (4): 179-189