Gesundheitssituation im Nordrhein-Westfälischen Strafvollzug und deren Kostenum­fang

Kleine Anfrage
vom 17.12.2019

Kleine Anfrage 3284des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz vom 17.12.2019

 

Gesundheitssituation im Nordrhein-Westfälischen Strafvollzug und deren Kostenum­fang

Die Kostentragung für medizinische Behandlungen von Gefangenen sowie für benötigte Heil-und Hilfsmittel war seit Einführung des Strafvollzugsgesetzes Gegenstand der §§ 56 ff. StVollzG. Nachdem die Gesetzgebungskompetenz bezüglich des Strafvollzugs im Rahmen der Föderalismusreform vom Bund auf die Länder übergegangen ist, gibt es nunmehr ver­schiedene Regelungen zur Übernahme von Gesundheitskosten. Mit der Einführung von Lan-desstrafvollzugsgesetzen sind verschiedene Bundesländer dazu übergegangen, Gefangene generell an den Gesundheitskosten zu beteiligen. Dies ist bisher in Baden Württemberg, Bay­ern, Hessen, Hamburg und Niedersachsen der Fall. Auch in Nordrhein-Westfalen können Ge­fangene an den Kosten für medizinische Leistungen in angemessenem Umfang beteiligt wer­den. Die medizinische Versorgung von Strafgefangenen liegt demnach nicht im Zuständig­keitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Medizinische Leistungen werden direkt von den Justizvollzugsbehörden finanziert, wobei der Umfang der medizinischen Leistungen nach dem sogenannten Äquivalenzprinzip geregelt wird, das eine Gleichwertigkeit zur medizi­nischen Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung fordert.1

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung:

1. Wie stellte sich die Gesundheitssituation in den vergangenen fünf Jahren in den Justiz­vollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen dar? (Bitte aufschlüsseln nach Justizvollzugs­anstalt und Art der behandlungsbedürftigen Krankheit.)

2. Wie hoch waren die Gesundheitskosten in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstal­ten in den vergangenen fünf Jahren? (Bitte aufschlüsseln nach JVA)

3. In welchem Umfang werden Gefangene gemäß § 45 Absatz 3 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen an den Kosten beteiligt?

Dr. Martin Vincentz

 

Anfrage als PDF laden

 

1 Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 808-14; DOI: 10.3238/arztebl.2018.0808


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 30.12.2019

 

Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 3238 mit Schreiben vom 30. Dezember 2019 namens der Landesregierung beantwortet.

1. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich im Zeitraum 2013-2019 in Kinder-
heimen NRWs? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln)

Zur Beantwortung wird auf die nachfolgende Tabelle 1 verwiesen.

Tabelle 1: Minderjährige in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) (Nordrhein-Westfalen; 2013 bis 2018; Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und der innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen; Angaben absolut, Inanspruchnahme pro 10.000 der unter 18-Jährigen)

Minderjährige in Vollzeit-pflege (§ 33) Minderjährige in Heimerzie-hung und sonstigen betreu­ten Wohnformen (§ 34)
Absolut Pro 10.000 der unter 18- Absolut Pro 10.000 der unter 18-
Jährigen Jährigen
2013 22.194 75,3 22.339 75,8
2014 22.836 78,3 22.781 78,1
2015 23.530 79,4 24.004 81,0
2016 24.690 82,8 26.939 90,3
2017 24.751 82,8 25.636 85,8
2018 24.610 82,2 24.539 81,9

Quelle: Statistisches Bundesamt und IT NRW: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Die Zahlen für 2019 liegen noch nicht vor.

2. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich im Zeitraum 2013-2019 in Pflege-
familien NRWs? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln)

Zur Beantwortung wird auf die unter Frage 1 aufgeführte Tabelle 1: Minderjährige in Voll-zeitpflege (§ 33 SGB VIII) und Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) (Nordrhein-Westfalen; 2013 bis 2018; Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und der innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen; Angaben absolut, Inanspruchnahme pro 10.000 der unter 18-Jährigen) des Statistischen Bundesamtes und IT NRW verwiesen.

3. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich im Zeitraum 2013-2019 in betreu­ten Wohngemeinschaften NRWs? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln)

Zur Beantwortung wird auf die unter Frage 1 aufgeführte Tabelle 1 verwiesen. Betreute Wohngemeinschaften sind unter „sonstige betreute Wohnformen“ erfasst und werden in der Statistik nicht gesondert ausgewiesen.

4. Wie viele Kinder und Jugendliche aus NRW waren im Zeitraum 2015-2019 in päda­gogischen Einrichtungen der Jugendhilfe im Ausland untergebracht? (Bitte nach Land der Unterbringung, Geschlecht und Alter des Kindes/ Jugendlichen auf­schlüsseln)

Zur Beantwortung wird auf die nachfolgenden Tabellen 2 und 3 verwiesen.

Eine statistische Erhebung über das jeweilige Land der Unterbringung liegt nicht vor. Eine

Aufschlüsselung nach Ländern ist daher nicht möglich.

Tabelle 2: Minderjährige in der Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) und in der intensiven sozialpäda­gogischen Einzelbetreuung (ISE) (§ 35 SGB VIII) außerhalb von Deutschland (Nordrhein- Westfa­len; 2015 bis 2018; Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und der innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen; Angaben absolut, Inanspruchnahme pro 10.000 der unter 18­Jährigen)

Minderjährige merziehung gen betreuten men

(§ 34) außerhalb Deutschland

Absolut

in           Hei-

und sonsti- Wohnfor-

von

Pro 10.000

der       unter
18-Jähri- gen

Minderjährige

(§ 35) außerhalb Deutschland

Absolut

in          ISE

von

Pro 10.000

der     unter
18-Jähri- gen

Minderjährige merziehung ISE (§ 35) von Deutschland

Absolut

in          Hei-

(§ 34) und außerhalb

Pro 10.000

der      unter
18-Jähri­gen

2015 139 0,5 124 0,4 263 0,9
2016 151 0,5 108 0,4 259 0,9
2017 132 0,4 112 0,4 244 0,8
2018 100 0,3 87 0,3 187 0,6

Quelle: Statistisches Bundesamt und IT NRW: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

 

Tabelle 3: Minderjährige in der Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) und in intensiven sozialpädago­gischen Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII) außerhalb von Deutschland nach Alter und Geschlecht (Nordrhein-Westfalen; 2015 bis 2018; Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und der innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen; Angaben absolut)

2018
Gesamt
m w 2017
Gesamt
m w 2016
Gesamt
m w 2015
Gesamt
m w
Unter 15 J. 48 28 20 55 37 18 66 46 20 67 45 22
15 bis u 18 J. 139 85 54 189 111 78 193 122 71 196 118 78
Insge­samt 187 113 74 244 148 96 259 168 91 263 163 100

Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Erzieherische Hilfe, Einglie­derungshilfe, Hilfe für junge Volljährige; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnun­gen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

5. Womit werden die Inobhutnahmen der Kinder und Jugendlichen in Kinderheime oder betreute Wohngemeinschaften begründet? (Bitte nennen Sie die fünf häu­figsten Gründe)

Für das Jahr 2018 weist IT NRW im Rahmen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik 14.502 durchgeführte Inobhutnahmen gem. §§ 42 und 42a SGB VIII aus. Die fünf häufigsten Anlässe für die Fälle des Berichtsjahres 2018 sind der nachfolgenden Tabelle 4 zu entnehmen. Hierbei ist folgender methodischer Hinweis zu beachten: Für jeden Fall der Inobhutnahme konnten in der Erhebung bis zu 2 Anlässe angegeben werden. Die Fälle mit dem Anlass un­begleitete Einreise eines Minderjährigen beinhalten sowohl die Fälle gem. § 42a SGB VIII (vorläufige Inobhutnahme) als auch die Fälle gem. § 42 SGB VIII (Inobhutnahme). Diese Maß­nahmen folgen in der Regel im Rahmen der jugendhilferechtlichen Zuständigkeit für unbeglei­tete ausländische Minderjährige aufeinander

Tabelle 4: 5 häufigsten Anlässe für Inobhutnahmen der Jugendämter (Nordrhein-Westfalen; 2018; Angaben absolut)

Absolut
Fallzahlen insgesamt 14.502
Anlass Überforderung eines Elternteils 4.450
Sonstige Probleme 4.334
Unbegleitete Einreise eines Minderjährigen 3.257
Anzeichen für körperliche/psychische Misshandlung 1.622
Anzeichen für Vernachlässigung 1.473

Quelle: IT NRW: Vorläufige Schutzmaßnahmen; 2018; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

 


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 14.01.2020

 

Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3284 mit Schreiben vom 14. Januar 2020 namens der Landesregierung beantwortet.

1. Wie stellte sich die Gesundheitssituation in den vergangenen fünf Jahren in den Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen dar? (Bitte aufschlüsseln nach Justizvollzugsanstalt und Art der behandlungsbedürftigen Krankheit.)

Die erbetenen Daten liegen nicht vor und können in der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erhoben werden.

2. Wie hoch waren die Gesundheitskosten in nordrhein-westfälischen Justizvoll­zugsanstalten in den vergangenen fünf Jahren? (Bitte aufschlüsseln nach JVA)

Die nachfolgende Kostenzusammenentstellung beinhaltet die Kosten für vertragsärztliche Tä­tigkeiten, konsiliarärztliche Tätigkeiten, Zahnarztbehandlungen sowie Sachkosten im medizi­nischen Bereich. Nicht enthalten sind die Kosten für hauptamtliche Kräfte in den medizinischen Bereichen im Justizvollzug Nordrhein-Westfalen.

Kostenzusammenstellung der medizinischen Versorgung der Gefangenen in der Gesamtschau in den Jahren 2014 – 2018

JVAen Gesamtkosten

2014

Gesamtkosten

2015

  Gesamtkosten

2016

  Gesamtkosten

2017

Gesamtkosten

2018

Aachen 1.106.157,32 € 1.011.285,76 926.030,64 1.199.284,84 € 973.286,15 €
Attendorn 326.280,73 € 293.141,45 427.002,36 335.712,24 € 255.514,89 €
Blfd.-Senne + HH Ummeln 1.572.161,17 € 1.783.166,54 1.946.341,09 2.150.362,26 € 2.012.093,61 €
Bochum-Langendreer 115.654,25 € 89.850,10 130.107,18 89.847,79 € 67.195,97 €
Bochum 499.563,75 € 444.149,06 647.329,05 518.249,84 € 573.714,26 €
Bi.-Brackwede 540.516,84 € 516.831,20 692.533,31 635.747,69 € 569.937,33 €
Büren (in 2015 geschlossen) 151.402,15 € 42.566,60 0,00 0,00 € 0,00 €
Castrop-Rauxel 358.560,33 € 465.179,28 610.943,43 538.290,66 € 654.449,76 €
Detmold 251.946,69 € 308.225,06 251.936,03 218.922,57 € 242.403,75 €
Dortmund incl. JAA Lünen 415.636,29 € 390.790,30 356.533,33 395.147,64 € 406.079,12 €
Duisburg-Hamborn+Dinslaken 205.611,59 € 296.191,02 222.428,82 202.725,03 € 222.703,16 €
Düsseldorf +Gerresheim+JAA 925.461,51 € 827.420,34 1.092.267,09 956.302,62 € 1.130.814,35 €
Essen incl. JAA Essen 313.760,21 € 477.216,12 434.323,99 538.174,34 € 609.070,98 €
Euskirchen 502.999,58 € 354.758,84 393.923,77 561.208,61 € 378.341,05 €
Geldern 471.012,37 € 607.568,95 629.174,15 550.832,95 € 579.692,61 €
Gelsenk. incl. JAA Bottrop 880.229,50 € 898.972,17 1.227.517,27 1.051.549,26 € 1.282.057,67 €
Hagen incl. JAA Wetter 215.791,56 € 215.616,77 228.742,58 349.129,11 € 231.622,00 €
Hamm 136.688,54 € 137.455,38 130.561,86 119.997,15 € 126.226,84 €
Heinsberg 283.208,52 € 279.182,43 277.225,59 275.937,29 € 321.981,49 €
Herford 117.202,72 € 116.594,21 106.747,29 96.727,34 € 109.172,07 €
Hövelhof 218.315,27 € 253.240,56 219.691,35 204.502,83 € 227.156,88 €
Iserlohn 146.842,34 € 126.574,94 116.849,21 128.053,93 € 164.684,99 €
Kleve 189.420,06 € 193.524,43 200.174,89 261.343,62 € 237.935,82 €

 

Köln 1.063.940,91 1.345.552,59 1.333.544,32 1.136.294,56 1.254.714,32
Moers-Kapellen 246.850,07 259.228,28 200.070,98 228.942,36 326.944,50
Münster 392.362,34 462.269,43 362.980,71 136.753,97 238.538,30
Remscheid + ZwA + JAA 626.465,82 740.373,32 752.918,42 854.094,92 846.972,67
Rheinbach 495.151,55 771.929,26 636.111,05 572.179,06 668.743,94
Schwerte 414.180,03 359.337,87 379.914,07 433.384,72 492.525,94
Siegburg 384.901,09 400.900,60 529.929,51 674.613,42 634.216,32
SthA Gkn. 85.627,40       € 130.068,54 145.882,54 112.356,14 173.878,10
Werl 1.205.665,06 1.343.885,87 1.422.020,09 1.367.589,66 1.323.237,70
Willich I+Krefeld+M’Gladbach 421.178,36 403.844,49 427.109,14 461.014,48 522.835,15
Willich II 605.753,85 514.860,72 426.543,76 487.415,27 563.402,14
Wuppertal-Ronsdorf 329.304,59 393.565,37 381.056,54 421.865,60 423.751,93
Wuppertal-Vohwinkel 369.998,36 283.406,49 209.436,87 454.698,34 320.165,90
Summe 16.855.307,17 € 17.763.709,54 18.475.902,28 18.973.882,64 19.486.828,13

 

3. In welchem Umfang werden Gefangene gemäß § 45 Absatz 3 des Strafvollzugsge-setzes Nordrhein-Westfalen an den Kosten beteiligt?

Eine Kostenbeteiligung erfolgt in den Fällen der medizinischen Behandlungen zur sozialen Eingliederung gemäß § 48 StVollzG NRW, § 36 JStVollzG NRW und § 48 SVVollzG NRW. Bei jugendlichen und erwachsenen Strafgefangenen sowie Sicherungsverwahrten ist eine Beteili­gung an den Kosten für die ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung vorgesehen, wenn dies nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gerechtfertigt ist und der Zweck der Be­handlung dadurch nicht in Frage gestellt wird. Die Entscheidung über eine Kostenbeteiligung trifft die jeweilige Anstaltsleitung im Einzelfall. Nach hiesiger Einschätzung erfolgt eine Kosten­beteiligung nur in ganz wenigen Fällen, Daten liegen hierzu nicht vor. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit können die Daten nicht erhoben werden.

Eine weitere Beteiligung an den notwendigen medizinischen Kosten erfolgt nicht.

 

Antwort als PDF laden