Kleine Anfrage 668
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Carlo Clemens vom 28.10.2022
Gewalt an Gelsenkirchener Schule – Hilferuf der Hauptschule an der Grillostraße
Wie aus einem Bericht der WAZ hervorgeht, hat die Gelsenkirchener Hauptschule an der Grillostraße einen Hilferuf an die Stadt Gelsenkirchen als Schulträger sowie an die Schulaufsicht in Münster geschickt, da die Schule in der Vergangenheit oftmals nur unter Zuhilfenahme von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst teils gefährliche Situationen schlichten konnte. Die Rede ist von gewalttätigen Übergriffen, üblen Beleidigungen, Schlägereien unter Schülern, Gewaltdelikten durch schulfremde Jugendliche, gezückten Messern und aggressiven Auftritten von Eltern. Hierdurch war bzw. ist der reguläre Schulbetrieb massiv gestört.1
Die Schule bittet in ihrem dramatischen Hilferuf um „Unterstützung zur Wahrung der Sicherheit und zur Wahrung eines geregelten Schulbetriebs“. Der Hilferuf betrifft somit Schüler, Lehrer, Eltern und das Schulpersonal. Wie aus dem Bericht der WAZ hervorgeht, sind auch andere Hauptschulen in Gelsenkirchen von ähnlichen Vorfällen betroffen, wenn auch in abgeschwächter Form.
Gemäß Sozialindex ist die betroffene Schule als eine von insgesamt acht Schulen in NRW in die schlechteste Stufe (9) eingruppiert.2 Der Sozialindex wird aus den vier Kriterien „Kinder und Jugendarmut“, „Anteil der Schülerinnen und Schüler mit vorwiegend nichtdeutscher Familiensprache“, „Anteil der Schülerinnen und Schüler mit eigenem Zuzug aus dem Ausland und Anteil der Schülerinnen“ und „Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache“ ermittelt.
Bei der Hauptschule an der Grillostraße handelt es sich um die Schule mit dem geringsten Sozialindex in Gelsenkirchen, wobei 14 weitere Schulen in die Kategorien 6 bis 8 fallen.3 Wie eine Kleine Anfrage der AfD ergeben hat, beträgt der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund an der Hauptschule an der Grillostraße zwischen 75 und 90 %.4
Bereits im Mai waren eine Dezernentin und Vertreter der Schulaufsicht zu Besuch. Zudem soll es einen Runden Tisch mit den Vertretern aller vier Hauptschulen in Gelsenkirchen, dem Schulträger, der Schulaufsicht, dem Ordnungsdienst und der Polizei gegeben haben.
Als Sofortmaßnahme wurden die Zugangswege zur Schule gesichert, um unbefugte Schüler abzuhalten und Eltern „auszubremsen“, also nach Möglichkeit vom Schulgelände fernzuhalten. Hierbei soll in Bezug auf Brandschutz- und Fluchtwegrichtlinien eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden sein.
Insgesamt erscheint die Situation sehr bedrohlich, da von einem zielgerichteten und erfolgversprechenden Schulunterricht unter den aufgeführten Bedingungen kaum auszugehen ist.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie oft wurde seit 2020 die Polizei von der Hauptschule an der Grillostraße in Gelsenkirchen zur Unterstützung bei prekären Situationen herbeigerufen? (Bitte alle Einsätze einzeln aufführen mit einer kurzen Einsatzbeschreibung)
- Welche Informationen liegen der Landesregierung zur Herkunft bzw. zum Migrationshintergrund der Schüler vor, von denen oben geschilderte Vorfälle ausgingen?
- Welche Handlungsempfehlungen zur Lösung des Problems haben sich aus dem Gespräch der Schule mit einer Dezernentin und Vertretern der Schulaufsicht sowie aus dem oben aufgeführten Runden Tisch ergeben?
- Mit welchen Mitteln unterstützt die Landesregierung die besonders betroffene Hauptschule an der Grillostraße in Gelsenkirchen sowie andere Schulen in NRW mit einer ähnlichen Problemlage?
- In welchem Umfang ergibt sich aus der oben aufgeführten Ausnahmegenehmigung in Bezug auf Brandschutz- und Fluchtwegrichtlinien ein Sicherheitsproblem für die Schüler und Lehrer der Schule?
Enxhi Seli-Zacharias
Carlo Clemens
1 Vgl. h t t p s : / / w w w . wa z . d e / s t a e d t e / gelsenkirchen/gewalt-in-gelsenkirchen-der-hilferuf-einer-hauptschule-id236710879.html
2 Vgl. h t t p s : / / w w w .s c h ul m i n is t er i u m. n rw /sozialindex
3 Vgl. h t t p s : // w ww . s c hu l m in i s te r i um . n rw / sy s t em/ f i l es / m ed i a/ d o c u m e n t/ f i l e / sozialindexstufen_der_einzelschulen.pdf
4 Vgl. h t t p s : / / w ww . l a n d t a g. n rw . d e/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-357.pdf
Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 668 mit Schreiben vom 25. November 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Es ist ein zentrales Anliegen der Landesregierung, Gewalt entschieden entgegenzutreten, damit alle Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrkräfte und alle anderen am Schulleben beteiligten Personen Schulen als sichere Lernorte wahrnehmen. Dieses Ziel wird durch unterschiedliche Maßnahmen erreicht, zu denen beispielsweise schulspezifische Gewaltschutzkon-zepte zählen, die die schulischen Teams für Beratung, Gewaltprävention und Krisenintervention in Absprache mit außerschulischen Unterstützungssystemen, wie u.a. Polizei und Jugendamt, gemeinsam entwickeln.
- Wie oft wurde seit 2020 die Polizei von der Hauptschule an der Grillostraße in Gelsenkirchen zur Unterstützung bei prekären Situationen herbeigerufen? (Bitte alle Einsätze einzeln aufführen mit einer kurzen Einsatzbeschreibung)?
Zur besseren Einordnung wurden Einsatzanlässe wie „Schulwegsicherung“ oder „Verkehrsunfall mit Sachschaden“ nicht in die Gesamtzahl der an der Örtlichkeit stattgefundenen Einsätze einbezogen, da diese keinerlei Rückschlüsse auf die Einsatzbelastung im Sinne der Anfrage zulassen.
Im Jahr 2020 registrierte die Polizei Gelsenkirchen insgesamt 13 Ein- sätze im Zusammenhang mit der Hauptschule an der Grillostraße.
Im Jahr 2021 bearbeitete die Polizei Gelsenkirchen insgesamt 11 Ein- sätze an der Hauptschule an der Grillostraße.
Im Jahr 2022 wurde die Polizei Gelsenkirchen bis Oktober insgesamt 21 Mal zur Hauptschule an der Grillostraße gerufen.
- Welche Informationen liegen der Landesregierung zur Herkunft bzw. zum Migrati-onshintergrund der Schüler vor, von denen oben geschilderte Vorfälle ausgingen?
Der Landesregierung liegen hierzu keine Daten vor.
- Welche Handlungsempfehlungen zur Lösung des Problems haben sich aus dem Gespräch der Schule mit einer Dezernentin und Vertretern der Schulaufsicht sowie aus dem oben aufgeführten Runden Tisch ergeben?
Mit den für Gelsenkirchen zuständigen Ansprechpartnern der oberen und unteren Schulaufsicht, dem Abteilungsleiter 4 der Bezirksregierung Münster, Vertretern der Stadt Gelsenkirchen aus den Bereichen Schule, Jugendhilfe, Polizei, Ordnungsdienst und den betroffenen Schulleitungen wurde die Sachlage zur Arbeitssituation in den Hauptschulen analysiert und in mehreren Gremien erste Maßnahmen der beteiligten Behörden unter Federführung der Stadt Gelsenkirchen vereinbart. Hierzu zählen unter anderem die Überarbeitung der Erziehungs- und Beratungskonzepte und eine Schwerpunktlegung auf die Fächer Mathematik und Deutsch sowie die Aufstockung der Fortbildungstage. Zusätzlich wurde eine Expertengruppe aus Psychologen, Schulentwicklungsberatern, Fachberatern für den Umgang mit verhaltensherausfordernden Schülerinnen und Schülern, Deeskalationsexperten aus dem Bereich der Lehrerfortbildung und der Schulaufsicht gegründet. Anlassbezogen können Vertreter des Kriminalkommissariats Kriminalprävention und eine Koordinatorin des „Entwicklungsnetzwerks zur Unterstützung von Schule in kritischer Lage“ einbezogen werden.
Der Unterstützungsprozess der Hauptschulen in Gelsenkirchen wird im laufenden Schuljahr von allen aufgeführten Partnern konzeptionell umgesetzt und schulfachlich besonders intensiv begleitet.
- Mit welchen Mitteln unterstützt die Landesregierung die besonders betroffene Hauptschule an der Grillostraße in Gelsenkirchen sowie andere Schulen in NRW mit einer ähnlichen Problemlage?
Das Land Nordrhein-Westfalen fördert kommunale Schulsozialarbeit ab dem Jahr 2022 über das Landesprogramm „Förderung von Schulsozialarbeit in Nordrhein-Westfalen“ mit Landesmitteln in Höhe von 57,7 Mio. EUR. Insbesondere auch Schulen mit einem hohen Sozialindex können auf Basis dieser Landesförderung in Nordrhein-Westfalen von Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern, an die sich die Schülerinnen und Schüler als auch Erziehungsberechtigte niedrigschwellig wenden können, profitieren. Der Stadt Gelsenkirchen wurden für das Haushaltsjahr 2022 z.B. Landesmittel in Höhe von rd. 1,3 Mio. EUR bewilligt.
Über die Förderung kommunaler Schulsozialarbeit hinaus stellt das Ministerium für Schule und Bildung außerdem eigene Stellen für die Beschäftigung von Fachkräften für Schulsozialarbeit zur Verfügung, die unbefristet und dauerhaft finanziell gesichert sind. So ist auch in der Hauptschule Grillostraße diese Unterstützung durch sozialpädagogische Fachkräfte im Landes-dienst gewährleistet.
Neben der Schulsozialarbeit bestehen zur Unterstützung der Schulen rechtliche Regelungen. Der gemeinsame Runderlass des Ministeriums des Innern, des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, des Ministeriums für Schule und Bildung und des Ministeriums der Justiz vom 19. November 2019 „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ (BASS 18-03 Nr.1) gibt vor, dass die Netzwerkarbeit einer Vielzahl von Institutionen wie u.a. der Jugendhilfe, Schulen, Kindergärten, Polizei und anderen Verantwortungsträgern in Städten und Gemeinden intensiv gepflegt werden soll, um Kindern und Jugendlichen in Risiko- und Gefährdungslagen geeignete Hilfen anzubieten. Ebenso verweist das „Landeskinderschutzgesetz“ unter § 9 auf die „Netzwerke Kinderschutz“, die u.a. aus dem Jugendamt, Schulen sowie den Polizei-und Ordnungsbehörden zusammengesetzt sind, um in Fällen der Kindeswohlgefährdung einen schnellen Austausch zu ermöglichen. Durch die rechtlichen Regelungen zur gegenseitigen Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Verantwortungsträgern in Städten und Gemeinden können die notwendigen Informationen zur Unterstützung der Schulen zeitnah übermittelt werden.
Die Polizei informiert öffentlich insbesondere über Erscheinungsformen der Kriminalität, polizeiliche Bekämpfungsziele, Gefährdungseinschätzungen, Opferrisiken sowie tatbegünstigendes Verhalten. Sie weist auf Beratungsangebote von Opferschutz- und Hilfeeinrichtungen hin und informiert Bedarfsträger, wie z.B. Schulen, über Aspekte der Gewalt- sowie Amokprävention, berät über die Möglichkeiten von technischer Prävention bzw. über verhaltenspräventive Maßnahmen.
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat mit Kabinettsbeschluss vom 8. Juni 2021 die Erarbeitung und Umsetzung einer NRW-Initiative „Mehr Schutz und Sicherheit von Beschäftigten im öffentlichen Dienst“ gestartet. Die öffentliche Auftaktveranstaltung der NRW-Initiative unter Beteiligung von Herrn Innenminister Reul fand am 25. Juni 2021 statt.
Es besteht eine umfassende Internetpräsenz, in der umfangreiche Informationen (www.si-cherimdienst.nrw) zu der Präventionskampagne und Downloadmöglichleiten zu Präventions-hinweisen bereitgestellt werden. Die enthaltenen Hinweise sind insbesondere auch für Beschäftigte in Schulen konzipiert worden. Darüber hinaus ist ein bundesweit einmaliges, behördenübergreifendes Präventionsnetzwerk #sicherimDienst mit über 800 Multiplikatoren aus über 300 Behörden, Organisationen und Verbänden eingerichtet. Es stellt das Kernelement der Kampagne dar und trägt zur Verbesserung der Gewaltprävention für den gesamten öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen, in Verbindung mit einem berufsgruppenübergreifenden Präventionsleitfaden bei. In dem Präventionsleitfaden sind aktuellste Erkenntnisse und Empfehlungen zum Umgang mit Gewalt zusammengestellt.
Das Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) hat einen Handlungsbedarf zum Schutz der Beschäftigten an Arbeitsplätzen mit Publikumsverkehr erkannt und entsprechende Konzepte, Medien und Präventionshinweise erarbeitet.
Beschäftigte, die mit Übergriffen durch Kunden rechnen müssen, können sich mit dem Faltblatt „Gewalt am Arbeitsplatz. Wie Sie sich vor Übergriffen Ihrer Kunden schützen.“ (https://www.polizei-beratung.de/medienangebot/detail/274-beschaeftigte-vor-uebergriffen-schuetzen/) über geeignete Maßnahmen und vorbeugende Verhaltensweisen informieren.
Erstellte Präventionshinweise der zuvor genannten Landesinitiative und des ProPK wurden in Anlehnung an das „Aachener Modell“ erstellt. Dieses Modell wurde 2009 durch das Polizeipräsidium Aachen und die Unfallkasse NRW erstellt und enthält kriminalpräventive und einsatztaktische Maßnahmen zum Thema Gewalt am Arbeitsplatz.
Bezogen auf die Hauptschule an der Grillostraße lässt sich mitteilen, dass die Polizei Gelsenkirchen in engem, intensiven Kontakt mit der Schulleitung steht. Unter anderem aufgrund der Situation an dieser Schule wurde der „Runde Tisch Hauptschulen“ unter Leitung der Bildungsdezernentin der Stadt Gelsenkirchen eingerichtet. Neben weiteren Ämtern der Stadt und den Hauptschulen Gelsenkirchens sind dort auch die Bezirksregierung Münster und die Polizei Gelsenkirchen vertreten.
Der „Runde Tisch Hauptschulen“ hat am 16. August 2022 seine Arbeit aufgenommen und erste Maßnahmen identifiziert. Seitens der Polizei Gelsenkirchen ist die sichtbare Präsenz an den Hauptschulen, vorwiegend zu Schulzeiten und vor allem zu Pausenzeiten, deutlich verstärkt worden. Darüber hinaus werden gemeinsame Streifen mit der Stadt Gelsenkirchen (Ordnungspartnerschaftsstreifen) an der Hauptschule Grillostraße und in deren Umfeld durchgeführt. Alle Einsatzkräfte der Polizei Gelsenkirchen sind hinsichtlich der besonderen Lage an den Hauptschulen sensibilisiert und angewiesen, Einsatzanlässe in diesem Zusammenhang mit hoher Priorität wahrzunehmen und erkanntem Fehlverhalten mit konsequentem Einschreiten zu begegnen.
- In welchem Umfang ergibt sich aus der oben aufgeführten Ausnahmegenehmigung in Bezug auf Brandschutz- und Fluchtwegrichtlinien ein Sicherheitsproblem für die Schüler und Lehrer der Schule?
Nach Auskunft der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Gelsenkirchen ist keine „Ausnahmegenehmigung“ für das Verschließen von Türen in Rettungswegen erteilt worden.