Gewalt gegen unsere Einsatz- und Rettungskräfte konsequent benennen, systematisch erforschen und selbstbewusst bekämpfen

Antrag
vom 13.03.2018

Antrag der AfD-Landtagsfraktion vom 13.3.2018

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I. Ausgangslage

Am 30. Januar 2018 beantragten die Landtagsfraktionen von CDU und FDP einen schriftlichen Bericht der Landesregierung zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte“ für die 10. Sitzung des Innenausschusses am 22. Februar 2018. Die Antragsteller nahmen in ihrer Begründung neben einem exemplarischen Medienbericht über das gewalttätige Verhalten einer Personengruppe gegen Rettungssanitäter und Polizeibeamte insbesondere Bezug auf den am 26. Januar 2018 publizierten Abschlussbericht eines Forschungsprojektes der Ruhr-Universität Bochum mit dem Titel „Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste in Nordrhein-Westfalen“. Den Studienergebnissen entnehmen die antragsstellenden Fraktionen die Einsicht,

„dass Gewalt offensichtlich bereits zu einem festen Bestandteil der täglichen Arbeit von Rettungs- und Einsatzkräften in NRW geworden ist.“1

Projektauftraggeber der empirischen Erhebung, die vom Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft durchgeführt worden ist, sind unter anderem das Ministerium des Innern NRW und das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW2.

Die forschungsleitenden Fragen der Studie und ein Gewaltbegriff, der neben körperlichen Übergriffen auch verbale und non-verbale Gewaltformen miteinbezieht, haben eine breite Perspektive auf den Gegenstandsbereich eröffnet, sodass über die Befragung Erkenntnisse u.a. zur Gewaltbetroffenheit, zu situativen Merkmalen der Übergriffe oder den spezifischen Folgen der Gewaltformen für die Betroffenen gewonnen werden konnten.3

Diese sicherheitspolitisch hochrelevanten Ergebnisse im Innenausschuss zu thematisieren und die Landesregierung um einen schriftlichen Bericht u.a. zu etwaigen Schlussfolgerungen und möglichen Handlungskonzepten zu bitten, ist ein erster notwendiger Schritt gewesen.

Die Landesregierung hat mit ihrer schriftlichen Stellungnahme und darüber hinaus mit ihrer Antwort auf die kleine Anfrage 716 des Abgeordneten der AfD-Landtagsfraktion Dr. Martin Vincentz zu demselben Gegenstandsbereich sodann auch deutlich gemacht, dass sie die Studie zu eben diesen in der Beantragung unter Ziffer 3 und insbesondere 4 erfragten Zwecken in Auftrag gegeben hat, dass sie die sich verschiedenförmig manifestierende Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften als gewichtiges gesamtgesellschaftliches Problem begreift, und schließlich dass sie bereits im April 2018 in Kooperation mit anderen relevanten Akteuren verschiedene Handlungsansätze beraten und beschließen will. Ferner seien bereits Maßnahmen ergriffen worden, um Polizeivollzugsbeamte effektiver zu schützen.4

Die AfD-Fraktion hat es jedoch bereits an diesem Punkt des Beratungsverlaufes als kritik- und damit korrekturbedürftig erachtet, dass besonders auffällige Erkenntnisse bezüglich der Tätermerkmale nicht an hervorgehobener Stelle explizit benannt und erörtert worden sind. Dem Abschlussbericht des Forschungsprojektes ist nämlich zu entnehmen, dass in

„51,3 % der Fälle verbaler und 57,0 % der Fälle nonverbaler Gewalt, (…) der Täter nach Auffassung der betroffenen Einsatzkräfte einen Migrationshintergrund“5

hatte. Weiter heißt es:

„In den Fällen körperlicher Gewalt in 41,9 % der Fälle.“6

Unter Bezugnahme auf eine andere empirische Erhebung zu diesem Gegenstandsbereich ist in diesem Zusammenhang zudem eine Dimension kulturell bedingter Konflikte identifizierbar:

„Kulturell bedingte Konflikte wurden in Dresslers Erhebung von 55,2 % der Befragten als häufig bzw. manchmal in Erscheinung tretendes Motiv des Täters genannt.“7

Diese statistische Aussage wird in der Diskussion der Ergebnisse durch die singuläre Erfahrung eines Studienteilnehmers, die dem Leser des Abschlussberichtes präsentiert wird, unterlegt. Hier heißt es zum eskalierten Einsatzgeschehen mit migrantischem Täter und kulturell bedingter Konfliktsituation:

„‘Eintreffen – türkische Ehefrau mit Kopfplatzwunde – Kopftuch abnehmen zur Versorgung – Ehemann wurde aggressiv‘.“8

Einschränkend betonen die Verfasser allerdings:

„Bewertungen durch die befragten Einsatzkräfte, ob ein Migrationshintergrund des Täters vorgelegen hat, können lediglich aufgrund äußerlich in Erscheinung tretender Merkmale vorgenommen werden. Insofern ist das Merkmal eines Migrationshintergrundes lediglich dazu in der Lage, Bedarf im Bereich interkultureller Kompetenzen herauszustellen. Aussagen zur tatsächlichen Betroffenheit durch Täter mit Migrationshintergrund sind nicht möglich.“9

Die AfD-Landtagsfraktion war in der 10. Sitzung des Innenausschusses am 22. Februar 2018 bemüht, in konstruktiv-kritischer Art und Weise diese Erkenntnisse zu thematisieren und zu debattieren. Da die Reaktionen der anderen Fraktionen als auch der Landesregierung aus unserer Sicht durch desinteressiertes und/oder ausweichendes Verhalten geprägt waren, sehen wir die Notwendigkeit, die von unserer Seite vertretenen Argumentationslinien in Form dieses Antrages und im Lichte der Öffentlichkeit erneut vorzutragen.

II. Reflexion und Kritik

Das Forscherteam hat mit der vorgelegten Studie vortreffliche Arbeit geleistet, deren Ergebnisse auch für weitere, noch nicht beleuchtete Felder erkenntnisaufschließendes Potenzial bergen. Vor dem Hintergrund, dass je nach Gewaltform bis zu 57 % der Täter dem Anschein nach einen Migrationshintergrund haben, obwohl in unserem Bundesland doch nur ein Viertel der Bevölkerung einen solchen Hintergrund hat10, und diese Gesamtheit in sich hinsichtlich ethnischer, kultureller, sprachlicher und religiöser Merkmale sehr heterogen ist, stellen sich zahlreiche unbeantwortete Anschlussfragen: Warum ist der Migrantenanteil der Täter so signifikant hoch? Welcher Anteil an Konflikten zwischen migrantischen Tätern und Einsatzkräften ist aktuell und empirisch belastbar kulturell-religiös bedingt? Von welcher konkreten Gestalt sind derartige Kulturkonflikte? Ist dies primär ein Problem mit Personen aus fernen und kulturfremden Regionen?

Es bedarf demzufolge weitere Forschungsvorhaben, die sich mit diesem Phänomenteilbereich spezifisch auseinandersetzen. Schließlich ist die Gewalt gegen Einsatzkräfte zu einem erheblichen Teil oder gar mehrheitlich eine Gewalt durch Migranten. Insbesondere aufgrund voranschreitender und umfangreicher Einwanderung sind eine gründliche Aufarbeitung und darauf aufbauende Handlungskonzepte unabdingbar.

Dieser Antrag begreift sich selbst nicht als fundamentalkritische Einengung auf einen Teilbereich des Phänomens, sondern möchte lediglich ergänzend und korrigierend eingreifen, um einer Nicht-Thematisierung vorzubeugen. Ein multikausales Phänomen multiperspektivisch zu bearbeiten und entsprechend vielgestaltige Ansätze staatlichen und zivilgesellschaftlichen Handelns zu präferieren, steht dem mitnichten entgegen.

Selbstverständlich müssen weitere, maßgebliche Situationsmerkmale gleichrangig mitbetrachtet werden, da die Täter darüber hinaus sehr häufig jünger und männlich sind und z.B. eine Alkoholintoxikation ebenso eine wesentliche Rolle spielt.11

Es sind folglich Faktoren nachweisbar, die das Tätermerkmal des Migrationshintergrundes überlagern oder gar von ihm unabhängig bestehen. Jede monokausale Erklärung wäre also eine wirklichkeitsverzerrende Reduktion. Im Umkehrschluss darf der Migrationshintergrund aber auch nicht aus politisch-korrekten Gründen vernachlässigt werden. Die zu Tage tretende Dimension kulturell bedingter Konflikte als Ursache der Gewalt steht nämlich in einem unmittelbaren Zusammenhang damit.

Schließlich vertreten wir einen abweichenden hermeneutischen Zugriff auf die Ergebnisse der Befragung hinsichtlich eines bestimmten Aspektes. Die Verfasser des Abschlussberichtes betonen nämlich an mehreren Stellen, dass die Befragten lediglich subjektiv

„aufgrund äußerlich in Erscheinung tretender Merkmale“12

beurteilen können, z.B. anhand des Aussehens, der Sprache oder des Namens. Es läge zudem kein einheitliches Verständnis eines Migrationshintergrundes vor, das Tätermerkmal sei also nicht objektivierbar. Insofern könne man aus den Erkenntnissen lediglich einen Schulungsbedarf der interkulturellen Kompetenzen der Einsatzkräfte schlussfolgern, um beispielsweise Sprachbarrieren überwinden oder kulturell bedingte abweichende Erwartungshaltungen antizipieren zu können.13

In der Tat sind subjektive Wahrnehmungen verzerrungsanfällig. Auch kann auf dieser Datengrundlage nicht verifiziert werden, ob tatsächlich ein Migrationshintergrund gemäß eines bestimmten Begriffsverständnisses vorgelegen hat. Erstens ist das für den Sachzusammenhang aber unerheblich. Wenn aufgrund wahrnehmbarer Merkmale die Zugehörigkeit eines Täters zu einer allochthonen ethnokulturellen Gruppe evident ist und zugleich aus der konkreten Einsatzsituation hervorgeht, dass das gewaltförmige Verhalten kulturell bedingt zu sein scheint, dann ist es unerheblich, ob der Täter tatsächlich selbst eine unmittelbare Migrationserfahrung hat bzw. er einer sehr engen Begriffsdefinition folgend als >Migrant< angesehen wird. Der auftretende Konflikt ist dann in jedem Fall ein nach Deutschland migrierter Konflikt, da der Täter in seinen Erwartungen, Empfindungen und Taten im Ausland oder aber in migrantischen Communities im Inland sozialisierte Einstellungs- und Handlungsmuster reproduziert. Zweitens ist es aus argumentationslogischer Perspektive nicht ersichtlich, warum ausschließlich ein Schulungsbedarf an interkulturellen Kompetenzen geschlussfolgert werden kann. Diese Erkenntnisse könnten ebenso zuwanderungs- und integrations- und sicherheitspolitische Rückschlüsse zulassen.

Drittens erscheint es uns unter Heranziehung offenkundig abweichender Wertmaßstäbe nicht als eine Pflicht unserer Rettungskräfte, die nach erfahrungsgesättigten Maßstäben und in zivilisierter Weise jedem Menschen Hilfe und Schutz gewährleisten, der kulturell-religiösen

Ablehnung unserer Lebensordnung mit all ihren Gesetzen, Sitten und alltäglichen Kulturtechniken mit interkultureller Nachsicht begegnen zu müssen.

III. Der Landtag stellt fest:

  1. Aufgrund des auffällig hohen Migrantenanteils unter den Tätern und der deutlich werdenden Dimension kultureller Konfliktlagen ist es notwendig, diesem Phänomen fernab politisch-korrekter Diskurse mit wachem Blick entgegenzutreten, den Phänomenbereich tiefergehend empirisch zu erschließen und Migrantengewalt darauf aufbauend mit spezifizierten und politikfeldübergreifenden Maßnahmen selbstbewusst zu bekämpfen.
  2. Es kann nicht im Verantwortungsbereich unserer Einsatz- und Rettungskräfte liegen, Gewalt, Respektlosigkeit und Verachtung unserer Werte und Sitten mit interkultureller Nachsicht zu begegnen.

IV. Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf:

  1. Es ist ein weiteres Forschungsprojekt bei dem Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum in Auftrag zu geben, das den Phänomenteilbereich migrantischer Gewalt und kultureller Konflikte ausleuchtet.
  2. Dieses Problem soll nicht hinter allgemeinen Maßnahmenkatalogen verschwinden. Die Landesregierung muss spezifizierte Handlungskonzepte präsentieren.

1 Das direkte Zitat und die vorangehenden, indirekten Zitate sind einem Schreiben der innenpolitischen Sprecher der Fraktionen von CDU und FDP an den Vorsitzenden des Innenausschusses zur „Beantragung eines Berichtswunsches für die Tagesordnung des Innenausschusses am 22.02.2018“ vom 30. Januar 2018 entnommen worden.

2 vgl. Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft (Hrsg.) (2018): Forschungsprojekt „Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste in Nordrhein-Westfalen“. Abschlussbericht, online im Internet: http://www.kriminologie.ruhr-uni-bochum.de/images/pdf/Abschlussbericht_Gewalt_gegen_Einsatzkraefte.pdf.

3 vgl. ebd., S. 1-2, 5.

4 Bericht der Landesregierung Vorlage 17/546, S. 2, 4f.; Antwort IM zu KlAnfr 716 Drs 17/1784 Drucksache 17/1962, S. 3.

5 Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft (Hrsg.) (2018): Forschungsprojekt „Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste in Nordrhein-Westfalen“. Abschlussbericht, online im Internet: http://www.kriminologie.ruhr-uni-bochum.de/images/pdf/Abschlussbericht_Gewalt_gegen_Einsatzkraefte.pdf., S. 42.

6 ebd.

7 ebd.

8 ebd., S. 64.

9 ebd., S. 41.

10 vgl. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/43-m illionen-menschen-mit-m igrationshintergrund-nrw-fortschritte-bei-bildung-und.

11 vgl. Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft (Hrsg.) (2018): Forschungsprojekt „Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste in Nordrhein-Westfalen“. Abschlussbericht, online im Internet: http://www.kriminologie.ruhr-uni-bochum.de/images/pdf/Abschlussbericht_Gewalt_gegen_Einsatzkraefte.pdf., S. 1f.

12 siehe FN 9.

13 vgl. ebd., S. 41, 64, und ebenfalls S. 67.

Markus Wagner

Nic Peter Vogel

Andreas Keith (PGF)

Dr. Martin Vincentz

und Fraktion