Gewerbesteuerrückzahlungen von Kommunen in NRW an RWE

Kleine Anfrage
vom 02.06.2021

Kleine Anfrage 5553der Abgeordneten Sven W. Tritschler und Christian Loose vom 02.06.2021

 

Gewerbesteuerrückzahlungen von Kommunen in NRW an RWE

Der RWE-Konzern war nach einer Steuerprüfung für die Jahre 2004 bis 2008 verpflichtet worden, Gewerbesteuer im dreistelligen Millionenbereich nachzuzahlen. Gegen diesen Steuerbescheid hat der Konzern Einspruch eingelegt und letztlich vor Gericht Recht bekommen. Vielen Kommunen drohen wohl Steuerrückzahlungsforderungen von RWE in Millionenhöhe.1

Die Stadt Frechen muss nun möglicherweise 13 Millionen Euro an den Energieversorger zurückzahlen.2 Ebenfalls betroffen sind die Stadt Grevenbroich und zahlreiche andere Kommunen.3

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche Kommunen müssen Gewerbesteuer an RWE zurückzahlen?
  2. Wie hoch sind die Rückzahlungen insgesamt? (Bitte nach Kommunen aufschlüsseln.)
  3. Welche der betroffenen Kommunen haben bereits in der Vergangenheit für die möglichen Rückforderungen Rückstellungen gebildet? (Bitte nach Art und Umfang aufschlüsseln.)
  4. Welchen der betroffenen Kommunen droht im Zug dieser Steuerrückzahlungen ein Haushaltssicherungskonzept gem. § 76 GO?
  5. Plant die Landesregierung, den Kommunen die Verluste aus diesen Steuerrückzahlungen – gerade auch mit Blick auf die coronabedingte Finanzsituation – B. durch eine Sonderregelung im Rahmen des GFG zu erstatten?

Sven W. Tritschler
Christian Loose

 

Anfrage als PDF

 

1 https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/rwe-verlangt-gewerbsteuern-zurueck-100.html abgerufen am 19.05.2021

2 https://www.rundschau-online.de/region/rhein-erft/frechen/rwe-will-angeblich-13-millionen-euro-frechen-drohen-riesige-steuerrueckzahlungen-38396596 abgerufen am 19.05.2021

3 https://rp-online.de/nrw/staedte/grevenbroich/gewerbesteuer-stadt-grevenbroich-muss-rwe-millionen-zurueckzahlen_aid-58068723 abgerufen am 19.05.2021


Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 5553 mit Schreiben vom 5. Juli 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet.

  1. Welche Kommunen müssen Gewerbesteuer an RWE zurückzahlen?
  2. Wie hoch sind die Rückzahlungen insgesamt? (Bitte nach Kommunen aufschlüs­seln)

Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 zusammenhängend beant­wortet.

Eine Beantwortung der Frage ist aufgrund des in § 30 Abgabenordnung verankerten Steuer­geheimnisses nicht möglich. Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf die gesamten persönli­chen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen o­der juristischen Person. Eine Offenbarung der dem Steuergeheimnis unterliegenden Verhält­nisse ist gemäß § 30 Absatz 4 Nummer 5 Abgabenordnung zulässig, soweit für sie ein zwin­gendes öffentliches Interesse besteht. Eine Begriffsbestimmung für das zwingende öffentliche Interesse ist in der Abgabenordnung nicht enthalten. Es kann nach der Rechtsprechung an­genommen werden, dass dieses öffentliche Interesse dann vorliegt, wenn im Fall des Unter­bleibens der Auskunft die Gefahr besteht, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl des Bundes, eines Landes oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft eintreten. Eine Offenbarung kommt daher nur in Betracht, wenn es sich um den Schutz von gegenüber dem Steuergeheimnis als höherwertig anzusehenden Rechtsgütern handelt. § 30 Absatz 4 Nummer 5 Abgabenordnung enthält eine beispielhafte Aufzählung für Fälle, in denen ein zwin­gendes öffentliches Interesse zu bejahen ist. Aus der Gewichtigkeit der aufgezählten Bei­spielsfälle (Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben, Verfolgung schwerer Wirtschaftsstraftaten und Erforderlichkeit der Offenbarung zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern) folgt, dass über sie hinaus nur in Aus­nahmefällen von ähnlichem Gewicht ein zwingendes öffentliches Interesse angenommen wer­den darf.

  1. Welche der betroffenen Kommunen haben bereits in der Vergangenheit für die möglichen Rückforderungen Rückstellungen gebildet? (Bitte nach Art und Um­fang aufschlüsseln.)

Gemäß dem nordrhein-westfälischen Haushaltsrecht für Kommunen sind für Verpflichtungen, die dem Grunde oder der Höhe nach zum Abschlussstichtag noch nicht genau bekannt – mit­hin ungewiss – sind, Rückstellungen anzusetzen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass später eventuell zu leistender Aufwand für Erstattungen dem Haushaltsjahr zugerechnet wird, in dem dieser verursacht wurde.

Nach § 37 Absatz 5 Satz 2 der Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen ist eine Rückstellung zu bilden, wenn zum Abschlussstichtag eine rechtliche Verpflichtung bereits be­steht oder es wahrscheinlich ist, dass diese zukünftig entstehen wird. Hierbei ist die Wahr­scheinlichkeit für die Entstehung einer solchen Verpflichtung sowie auch die Inanspruchnahme anhand der zum Bilanzstichtag vorliegenden Sachverhalte durch die jeweilige Kommune für sich sorgfältig zu beurteilen.

Von einer wahrscheinlichen Entstehung einer nicht bereits bestehenden rechtlichen Verpflich­tung ist auszugehen, wenn mehr Gründe für als gegen die Entstehung und Inanspruchnahme vorliegen. Unter diesen Vorgaben müssen Kommunen prüfen, ob und in welcher Höhe sie Rückstellungen zu bilden haben. Diese Prüfung und Einschätzung ist von jeder Kommune vor Ort vorzunehmen und individuell für jede mögliche Verpflichtung unter Einbeziehung der vor­liegenden Sachverhalte abzuwägen.

Im Übrigen wird auf die Antwort auf die Fragen 1 und 2 verwiesen.

  1. Welchen der betroffenen Kommunen droht im Zug dieser Steuerrückzahlungen ein Haushaltssicherungskonzept gem. § 76 GO?
  2. Plant die Landesregierung, den Kommunen die Verluste aus diesen Steuerrück­zahlungen gerade auch mit Blick auf die coronabedingte Finanzsituation B. durch eine Sonderregelung im Rahmen des GFG zu erstatten?

Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 4 und 5 zusammenhängend beant­wortet.

Grundsätzlich wirken sich Gewerbesteuerrückerstattungen aufwandswirksam auf den kommu­nalen Haushalt aus und beeinflussen auch die Liquidität der Kommune. Soweit eine Kommune Rückstellungen für eine mögliche Gewerbesteuerrückzahlung gebildet hat, kann die Rückstel­lung mit entfallen des damaligen Grundes aufgelöst werden. Diese Auflösung ist, soweit die Höhe der Rückstellung und der Auszahlung übereinstimmen, erfolgsneutral und belastet den gegenwärtigen Haushalt insoweit nicht. Soweit eine Kommune keine Rückstellung gebildet hat oder nicht in ausreichender Höhe, wird eine Gewerbesteuerrückzahlung aufwandswirksam un­mittelbar den gegenwärtigen Haushalt belasten. Dies kann unter Umständen auch zu einer Inanspruchnahme von Eigenkapital führen und dadurch weitere haushaltsrechtliche Konse­quenzen wie die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes nach sich ziehen. Entspre­chende Konsequenzen sind der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gegenwärtig noch nicht bekannt.

Die Steuerrückzahlungen wirken sich in Form verminderter Gewerbesteuereinnahmen auf die Steuerkraft und damit zugunsten der betroffenen Gemeinden in zukünftigen Gemeindefinan-zierungsgesetzen aus. Die gemeindliche Steuerkraftzahl ist neben der Ausgangsmesszahl wesentliche Bestimmungsgröße möglicher Schlüsselzuweisungen. Die nunmehr geforderte Kompensation käme demnach einer systemfremden Doppelberücksichtigung verminderter Steuereinnahmen gleich.

 

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