Gleichrangige Förderung des Wohneigentums in Nordrhein-Westfalen

Antrag

Antrag
der Fraktion der AfD

Gleichrangige Förderung des Wohneigentums in Nordrhein-Westfalen

I. Ausgangslage

Die Koalitionsvereinbarung von CDU und Grünen 2022–2027 („Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen“) enthält im Kapitel Bauen und Wohnen, Stadtentwicklung (IV.4) Festlegungen für die Zielabwägung in der Wohnungsbaupolitik zwischen den drei Bereichen Bestandsmoderni­sierung, Mietwohnungsneubau und Wohneigentumsbildung. Außerdem wurde eine Änderung der Landesverfassung als Prüfauftrag vereinbart, um das „Recht auf Wohnen“ als Staatsziel in unserer Verfassung zu verankern (vgl. Rn 5543–5545).

Für die Bestandsmodernisierung sollen zukünftig „deutlich mehr Mittel“ zur Verfügung gestellt werden (vgl. Rn 5547–5549). Damit soll ein Beitrag zur Erreichung der Ziele der Klimaneutra­lität und der Barrierefreiheit geleistet werden.

Die Modernisierungsförderung ist in Nordrhein-Westfalen Teil der sozialen Wohnraumförde­rung. Sie ist geregelt in der Richtlinie zur Förderung der Modernisierung von Wohnraum in Nordrhein-Westfalen (Modernisierungsrichtlinie – RL Mod), Runderlass vom Februar 2022 (54.02.04.01). Im Haushaltsjahr 2021 waren 99.527.000 Euro für die Modernisierung zugeteilt. Das entspricht 8,9 Prozent der gesamten Mittel im Wohnraumförderungsprogramm 2021 (Wohneigentum 11,6 Prozent; Mietwohnungsbau, zentral bewirtschaftete Programmteile und Modellversuche 79,5 Prozent).1 Im Haushaltsjahr 2020 wurde weniger als die Hälfte der zuge­wiesenen Mittel für die Modernisierungsförderung abgerufen (43,9 von 100 Mio. Euro) und damit wurden in ganz Nordrhein-Westfalen 718 Wohnungen gefördert (entspricht 0,08 Prozent des Wohnungsbestandes von 9.108.000 Wohnungen im Jahr 2020). Die Modernisierungsför­derung hat offenbar Akzeptanzprobleme, und angesichts der sehr geringen Fallzahlen kann sie keine wesentlichen Beiträge zu den Zielen der Landeswohnungspolitik leisten.

Davon abgesehen ist diese Förderung – obwohl Teil der sozialen Wohnraumförderung – sozi­alpolitisch nicht sehr treffsicher: Mit der Modernisierungsförderung werden auch Haushalte mit einem Einkommen oberhalb der Einkommensgrenze (nach dem WFNG) gefördert, wenn sie eine geförderte Wohnung bereits vor Erteilung der Förderzusage bewohnten. Diese Haushalte kommen dann also auch in den Genuss der niedrigen Sozialmieten für ihre modernisierten Wohnungen.

Die in der Koalitionsvereinbarung für NRW angekündigte deutliche Mittelaufstockung für Mo­dernisierungsmaßnahmen kann entweder innerhalb der sozialen Wohnraumförderung oder außerhalb dieser als eine Parallelstruktur zur Bundesförderung ausgestaltet werden. Unab­hängig davon steht sie wegen der begrenzten Haushaltsmittel in einer Verwendungskonkur­renz zu den Förderbereichen Mietwohnungsneubau und Wohneigentumsbildung als Teilberei­che der sozialen Wohnraumförderung für NRW. Während bei der Modernisierung aber eine eigenständige und üppig dotierte Bundesförderung besteht, ist für den sozialen Wohnungsbau das Land NRW zuständig, wobei es mit zweckgebundenen Finanzhilfen des Bundes unter­stützt wird. Die Finanzhilfen des Bundes in Höhe von 420 Millionen Euro im Förderjahr 2022 werden nach der Verwaltungsvereinbarung über den Sozialen Wohnungsbau durch originäre Landesmittel in Höhe von 97 Millionen Euro aufgestockt. Der größte Teil der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus in NRW (783 Millionen Euro im Förderjahr 2022) wird jedoch aus eigenen Mitteln der NRW.BANK bestritten (ehemaliges Landeswohnungsbauvermögen).2 Das Land verfügt hier also über eine eigenständige Finanzierungsquelle in beachtlicher Höhe. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Modernisierungsförderung des Landes zu der des Bundes.

Die soziale Wohnraumförderung spielt in der derzeitigen Förderlandschaft eine äußerst wich­tige Rolle, weil außerhalb des sozialen Wohnungsbaus keine wesentlichen Förderungen mehr gewährt werden. Nach dem Auslaufen des Baukindergeldes (Antragsende 31.03.2021) wird die Wohneigentumsbildung nur noch in geringem Umfang mit der Wohnungsbauprämie und dem Wohn-Riester gefördert, wobei die Riesterförderung lediglich einen Ausgleich für die al­ternative Förderung der Geldvermögensbildung darstellt. In NRW kommt zumindest für das laufende Haushaltsjahr der Rabatt bei der Grunderwerbsteuer für selbstgenutztes Wohneigen­tum in Höhe von 2 Prozent des Erwerbsentgeltes bzw. des Meistgebotes bezogen auf eine maximale Bemessungsgrundlage in Höhe von 500.000 Euro hinzu. Der effektive Steuersatz beträgt aber immer noch mindestens 4,5 Prozent und steigt oberhalb von 500.000 Euro mit der Höhe des gezahlten Kaufpreises. Insoweit ist also die Neutralität der Wohnformen nicht gewahrt, weil schon die Wohneigentumsbildung per saldo belastet wird.

Der frei finanzierte Mietwohnungsneubau wird derzeit trotz der verbreiteten Marktanspannun­gen und einer weiteren Zuwanderungswelle historischen Ausmaßes, die für das Jahr 2022 erwartet wird,3 kaum mehr subventioniert. Zum einen ist die Sonderabschreibung Mietwoh-nungsneubau nach § 7b EStG ausgelaufen (nur für vor dem 01.01.2022 gestellte Bauanträge oder Bauanzeigen), zum anderen wurde die Förderung für energieeffiziente Neubauten von bis zu 37.500 Euro je Wohneinheit zu Jahresbeginn auf maximal 6.000 Euro gekürzt.4 Der soziale Wohnungsbau ist damit das einzige verbliebene Förderinstrument, von dem noch eine spürbare Anreizwirkung für den Wohnungsneubau ausgeht. Obwohl die soziale Wohnraum­förderung in NRW über eine breite und ergiebige Finanzierungsgrundlage verfügt, kann sie ohne eine ergänzende Bundesförderung der Knappheitsprobleme am Wohnungsmarkt kaum Herr werden. Wohnungsmangel und Wohnungsnot sind aber nichts anderes als Staatsversa­gen in einem Kernbereich der Daseinsvorsorge mit schlimmen monetären und psychischen Folgen für die betroffenen Menschen. Das spricht dafür, die knappen Mittel für den Wohnungs­bau nicht für eine das Bundesprogramm ergänzende Landesmodernisierungsförderung zu verzetteln.

Auf dem Gebiet der öffentlichen Wohnraumförderung sieht die Koalitionsvereinbarung für NRW eine Ausrichtung auf mehr mietpreisgebundenen Wohnraum und auf eine innovative und an Nachhaltigkeit orientierte Eigentumsförderung vor (vgl. Rn 5561 ff.). Für die soziale Mietwohnraumförderung wird ein quantitatives Förderziel in Höhe von mindestens 45.000 neuen mietpreisgebundenen Wohneinheiten bis 2027 vorgegeben. Dieses Wohnungsbauziel in Höhe von 9.000 Bewilligungen im Jahr würde eine geringe Zunahme der jährlichen Bewilligungen gegenüber den Förderjahren 2020 und 2021 bedeuten.5 Besonderer Wert wird auf die Schaf­fung preisgedämpften Wohnraums in Ballungszentren gelegt. Für die Wohneigentumsförde­rung wurde keine quantitative Bewilligungszahl vorgegeben. Die Förderung soll in der laufen­den Legislaturperiode den unterschiedlichen Bedarfen der ländlichen Räume und der großen Städte Rechnung tragen. In diesem Rahmen soll der Förderbaustein „Jung kauft Alt“ gestärkt und die Möglichkeit zur Einführung eines Mietkaufmodells geprüft werden.

Bislang spielte die Wohneigentumsförderung nur eine Nebenrolle innerhalb der sozialen Wohnraumförderung Nordrhein-Westfalens. Im Jahr 2020 wurden nur 592 geförderte Eigen­tumsmaßnahmen gezählt. Das waren nicht einmal 7 Prozent aller bewilligten Sozialwohnun­gen. 2021 betrug der Budgetanteil der Eigentumsmaßnahmen am Wohnraumförderungspro­gramm 11,6 Prozent.

Es ist also festzuhalten, dass nach der Koalitionsvereinbarung der bisher nicht bedeutende Förderbereich Modernisierung dem Fördervolumen nach erheblich ausgebaut werden soll. Im Bereich Mietwohnungsneubau erfordert das vereinbarte quantitative Wohnungsbauziel eben­falls Mittelzuwächse. Und nicht zuletzt soll die bisher ebenfalls nur gering dotierte Wohneigen­tumsförderung gestärkt werden.

Bei der Gewichtung der drei Förderbereiche im Haushalt gilt es insbesondere folgende As­pekte zu beachten:

  • Die Haushaltsmittel sind insgesamt begrenzt und daher heißt es, dass eine zu tun und im Zweifel das andere zu lassen. So würden durch die Fokussierung auf die Modernisie­rungsförderung weniger Mittel für den Wohnungsneubau zur Verfügung stehen. Und die Förderung von Sozialmietwohnungen konkurriert mit den Eigentumsmaßnahmen um die knappen Haushaltsmittel.
  • Die begrenzten Kapazitäten der Bauwirtschaft in NRW, die zum Teil noch in den Flutge­bieten gebunden sind, und die Material- und Personalengpässe am Bau sprechen für eine Priorisierung bestimmter Förderbereiche.
  • Die mit der aktuellen Massenzuwanderung verbundenen wohnungspolitischen Probleme sind vorrangig zu behandeln. Insbesondere sind viele städtische Wohnungsmärkte in NRW bereits höchst angespannt. Daher ist eine Konzentration der knappen Landesför-dermittel auf den Wohnungsneubau geboten.
  • Die Wohneigentumsquote in NRW ist die niedrigste unter allen westdeutschen Flächen-ländern.6 Das spricht dafür, mindestens die Hälfte der erforderlichen zusätzlichen Neubaufertigstellungen als Eigentumsmaßnahmen zu fördern. Zusätzliche Eigenheime oder Eigentumswohnungen können angespannte städtische Wohnungsmärkte genauso ent­lasten wie zusätzliche Mietwohnungen.
  • Die Wohneigentumsquote kann durch den Verkauf von Sozialmietwohnungen kommu­naler Wohnungsunternehmen an die Mieter weiter gesteigert werden, wobei die Erlöse zweckgebunden für den Neubau von Sozialmietwohnungen verwendet werden können, um zugleich die angespannten Wohnungsmärkte schneller wieder zu entspannen.

II. Der Landtag stellt fest:

Die Koalitionsvereinbarung ist bei der sozialen Mietwohnraumförderung sehr konkret und sie gibt in diesem Bereich auch ein quantitatives Bewilligungsziel vor. Bei der Wohneigentumsför­derung bleibt sie dagegen trotz der bisher nur geringen Bedeutung dieses Förderbereichs in NRW allgemein und unverbindlich. Der grundsätzlichen Gleichrangigkeit der Wohnformen und der im Vergleich mit anderen Bundesländern und erst recht mit dem europäischen Ausland allzu geringen Verbreitung des Wohneigentums in NRW wird damit nicht Rechnung getragen.

Die Modernisierungsförderung des Landes wäre völlig damit überfordert, in der Breite Kom-plettsanierungen von Wohngebäuden zu fördern. Damit wäre nur eine sehr begrenzte Zahl von Förderfällen zu erreichen. Für den Förderzweck stehen ausreichende Bundesmittel zur Verfügung und die Aufteilung auf die verschiedenen Maßnahmenbereiche ist Sache des Bun­des.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • im Wohnraumförderungsprogramm die Mittelzuweisungen für die Modernisierungsförde­rung nicht zu erhöhen und mit den vorhandenen Mitteln vorrangig Maßnahmen zur Her­stellung von barrierefreiem Wohnraum zu fördern;
  • innerhalb der jährlichen Bewilligungen eine in Relation zueinander relativ gleich hohe Zahl von Sozialmietwohnungen und Eigentumsmaßnahmen zu fördern, wobei mindes­tens die Hälfte dieser Eigentumsmaßnahmen in Kommunen mit angespannten Woh­nungsmärkten – auch über den örtlichen Anwendungsbereich bundesrechtlicher Mieter-schutzvorschriften nach der MietSchVO NRW v. 9. Juni 2020 hinaus – bewilligt werden soll;
  • zu prüfen, ob durch den Verkauf von Sozialmietwohnungen im Eigentum kommunaler Wohnungsunternehmen an die derzeitigen Mieter ein Beitrag zur Erhöhung der Wohn-eigentumsquote und der sozialen Stabilität in den Wohnquartieren in NRW geleistet wer­den kann;
  • die Faktoren empirisch zu erheben, die in NRW die Entwicklung der Baukosten von So­zialmietwohnungen beeinflussen.

Carlo Clemens
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 MHKBG NRW: Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen – Förderbudgets und Ansätze im Jahr 2021.

2 Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen: För­derjahr 2022: Öffentliche Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen 2018-2022, S. 22.

3 Deutsche Bank Research: Deutschland-Monitor v. 02.08.2022: 2022: Rekordzuzug seit 1990 2030: Fast 86 Mio. Einwohner.

4 BAnz AT 27.07.2022 B1: Änderungen der Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Gebäude, Nr. 2 und 3.

5 2021: 7319 WE, 2020: 8.600 WE.

6 Nur 43,7 Prozent aller Wohnungen in NRW waren laut der Mikrozensus-Zusatzerhebung 2018 von Eigentümern bewohnt. Das bedeutete mit Abstand den letzten Rang unter den westdeutschen Flä­chenländern. In ganz Deutschland lag diese wohnungsbezogene Wohneigentumsquote bei 46,5 Pro­zent.