Häufung von VHS- und IHN-Fälle in NRW – Wie ist die aktuelle Gefahrenlage für den NRW-Fischbestand?

Kleine Anfrage
vom 30.06.2021

Kleine Anfrage 5650des Abgeordneten Dr. Christian Blex vom 30.06.2021

 

Häufung von VHS- und IHN-Fälle in NRW Wie ist die aktuelle Gefahrenlage für den NRW-Fischbestand?

Die infektiöse hämatopoetische Nekrose (IHN) und die virale hämorrhagische Septikämie (VHS) sind virusbedingte Fischkrankheiten, die vor allem Forellenfische (Salmoniden) betreffen.

Entsprechend des Tierseuchen-Informationssystems (TSIS) hat die Zahl dieser viralen Tierkrankheiten in NRW deutlich zugenommen.1 Seit Mai diesen Jahres sind acht IHN-Fälle erstmalig in NRW bekannt geworden, zuletzt am 14. Juni 2021 im Kreis Soest, sowie ein VHS-Fall im Kreis Steinfurt. Der letzte VHS-Fall wurde zuvor im März 2018 dokumentiert.

Vor diesem Hintergrund frage ich:

  1. Wie beurteilt die Landesregierung den aktuellen Seuchenausbruch?
  2. Wie hat die Landesregierung auf die Ausbrüche der Salmoniden-Krankheiten reagiert?
  3. Als wie groß beurteilt die Landesregierung die Gefahr der Übertragung der Salmoniden-Krankheiten von Wildfischen auf Zuchtfische und welche Übertragungswege schätzt sie dabei als besonders gefährlich ein?
  4. Was hat die Landesregierung seit Beginn der Legislaturperiode zur Unterstützung der Fischzucht unternommen?

Dr. Christian Blex

 

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1 https://tsis.fli.de/Reports/Info.aspx


Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5650 mit Schreiben vom 2. August 2021 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie beurteilt die Landesregierung den aktuellen Seuchenausbruch?

In der ersten Jahreshälfte 2021 informierte die dänische Veterinärbehörde das Bundesminis­terium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über mehrere Ausbrüche der Infektiösen Hä-matopoetischen Nekrose (IHN) in Regenbogen- und Bachforellenbetrieben in deren Zustän­digkeitsbereich. Bei der IHN handelt es sich um eine virusbedingte Krankheit verschiedener Salmonidenarten (Lachsfischarten). Dänemark ist der sechstgrößte Aquakulturproduzent in der Europäischen Union, wobei die Forellenzucht den Aquakultursektor in Dänemark domi­niert. Der größte Anteil der produzierten Fische wird lebend gehandelt. Dänische Herkunfts­betriebe galten bisher als frei von IHN. Aufgrund dessen kaufen viele deutsche Betriebe däni­sche Fische zu, um diese lebend zu handeln oder unmittelbar als Speisefische zu verarbeiten.

Im Rahmen der Aufklärung des dänischen Seuchengeschehens sind eine Vielzahl von Han­delskontakten nach Deutschland, unter anderem auch nach Nordrhein-Westfalen, ermittelt worden. Nach bisherigem Kenntnisstand wurden im Zeitraum zwischen dem wahrscheinlichen

Datum der Einschleppung der IHN in die dänischen Betriebe und dem Datum der Bestätigung der Tierseuche, Salmoniden aus den Ausbruchsbetrieben an mehrere Fischhaltungsbetriebe und Angelparks in Nordrhein-Westfalen geliefert. Insgesamt sind bisher zwölf Fischhaltungs-betriebe und Angelparks in zehn verschiedenen Landkreisen in Nordrhein-Westfalen betrof­fen. Durch den Handel mit Lebendfischen innerhalb Nordrhein-Westfalens wurde die Tierseu­che voraussichtlich anschließend weiter verbreitet. Insofern ist nicht auszuschließen, dass in den kommenden Wochen weitere Kontaktbetriebe ermittelt werden. Die dargestellte Situation führt zu einem ungewöhnlich ausgedehnten Infektionsgeschehen innerhalb der hiesigen Fischbestände.

Die Virale Hämorrhagische Septikämie (VHS) ist ebenfalls eine virusbedingte Erkrankung der Lachsfischarten. Der in diesem Jahr festgestellte Ausbruch der VHS im Kreis Steinfurt stellt bis dato ein solitäres Ausbruchsgeschehen dar. Weitere Fälle der VHS in Nordrhein-Westfalen sind für das Jahr 2021 bisher nicht bekannt. Die epidemiologischen Ermittlungen zu dem sin­gulären Geschehen in Nordrhein-Westfalen sind aktuell noch nicht abgeschlossen. Eine ab­schließende Beurteilung der Eintragsquelle ist deshalb momentan noch nicht möglich. Ein möglicher Zusammenhang mit Ausbrüchen der VHS in anderen Bundesländern soll aktuell über einen genetischen Abgleich der Virussequenzen des Ausbruchsgeschehens untersucht werden. Für den Menschen stellen die anzeigepflichtigen Fischseuchen nach derzeitigem Kenntnisstand keine gesundheitliche Gefahr dar.

  1. Wie hat die Landesregierung auf die Ausbrüche der Salmoniden-Krankheiten rea­giert?

Das BMEL hat die betroffenen Landesbehörden unverzüglich über die Belieferung deutscher Fischbestände mit Fischen aus infizierten Beständen informiert. Die betroffenen Kreisord­nungsbehörden in Nordrhein-Westfalen wurden daraufhin über das Landesamt für Natur-, Um­welt- und Verbraucherschutz (LANUV) unmittelbar informiert.

Bis April diesen Jahres haben die zuständigen Behörden gezielt bestimmte Fischseuchen auf der Basis der nationalen Fischseuchen-Verordnung bekämpft. Mit Anwendungsbeginn der Verordnung (EU) 2016/429, dem sogenannten “Animal health law“ (AHL) der Europäischen Union am 21. April 2021 wurden die rechtlichen Grundlagen für die Tierseuchenbekämpfung innerhalb der EU grundlegend geändert und ein einheitlicher EU-Rechtsrahmen für die Tier-seuchenbekämpfung geschaffen. Welche Auswirkungen das AHL auf das nationale Tierseu-chenrecht, u. a. auf die Fischseuchenverordnung hat, ist derzeit noch nicht abschließend ge­klärt. Das BMEL prüft momentan die Konsistenz nationaler Vorschriften mit dem AHL.

Die unmittelbar geltenden Vorschriften des AHL beinhalten für fischhaltende Betriebe eine all­gemeine Verpflichtung bzw. Zuständigkeit des Unternehmers. Dieser ist unter anderem ver­antwortlich dafür, Risiken hinsichtlich der Ausbreitung von Tierseuchen zu minimieren. Zudem muss er sicherstellen, dass bei Verbringungen von Wassertieren der Gesundheitszustand am Bestimmungsort in Bezug auf eine gelistete Wassertierseuche nicht gefährdet wird. Des Wei­teren muss gewährleistet sein, dass bei der Beförderung der o. g. Tiere, wie auch am Bestim­mungsort, keine gelistete Tierseuche mit Handelsrelevanz auf andere Tiere verschleppt wird.

Im Kontext der genannten Rechtslage wurden im aktuellen Seuchengeschehen die betroffe­nen Kreisordnungsbehörden durch den Fischgesundheitsdienst des LANUV informiert und hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise beraten. Die zuständigen Behörden haben die ei­genverantwortlichen Maßnahmen der Unternehmerinnen und Unternehmer überwacht, um eine weitere Verschleppung der Fischseuchen zu verhindern.

  1. Als wie groß beurteilt die Landesregierung die Gefahr der Übertragung der Sal-moniden-Krankheiten von Wildfischen auf Zuchtfische und welche Übertra­gungswege schätzt sie dabei als besonders gefährlich ein?

Eine Beurteilung der Inzidenz der IHN in Gewässern ist nach aktuellem wissenschaftlichen Stand nicht möglich, da die für eine flächendeckende Beurteilung notwendigen Daten nicht vorliegen; auch lassen sich diese nicht mit vertretbarem Aufwand in dem für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen ermitteln.

Nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand sind 14 empfängliche Arten für die IHN be­kannt, hierunter fallen auch drei heimische Fischarten. Für die VHS sind bisher deutlich mehr empfängliche Arten bekannt. Für die Übertragung von VHS oder IHN ist in der Regel ein enger Fisch zu Fisch Kontakt notwendig. Da Tiere in Fischzuchtanlagen in einem geschützten Be­reich gehalten werden, liegt ein solcher enger Kontakt zwischen Wildfisch und Aquakulturfisch in der Regel nicht vor. Daher ist dieser Übertragungsweg unwahrscheinlich. Eine Übertragung von Viruspartikeln über das Wasser ist möglich, wenn im zufließenden Wasser eines Fisch-zuchtbetriebes eine erhöhte Viruslast besteht. Durch die in der Wildfischpopulation verhältnis­mäßig geringe Individuenzahl pro Fläche und durch den Verdünnungseffekt des zufließenden Wassers sowie dem Erfordernis bestimmter Temperaturbedingungen im Wasser, erscheint ein relevanter Viruseintrag in den Aquakulturbetrieb über diesen Pfad theoretisch möglich, aber ebenfalls unwahrscheinlich.

  1. Was hat die Landesregierung seit Beginn der Legislaturperiode zur Unterstüt­zung der Fischzucht unternommen?

Die Landesregierung unterstützt die Fischzucht seit Beginn der Legislaturperiode mit Mitteln aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) und Landesmitteln, u. a. für die Modernisierung der Fischzuchtbetriebe und im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung von Fische-reierzeugnissen. Um die Antragstellung zu erleichtern wurde eine Beratungsstelle für die Fischzuchtbetriebe eingerichtet. Der Fischgesundheitsdienst des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) berät die Fischzuchtbetriebe zu allen Fragen der Fischgesundheit und bei Krankheitsausbrüchen. Im Jahr 2020 hat das LANUV begonnen ein Aquakulturnetzwerk für Nordrhein-Westfalen aufzubauen, um die Fischzuchtbetriebe über ak­tuelle Entwicklungen in der Fischzucht zu informieren und zu beraten.

 

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Beteiligte:
Christian Blex