Haftunterbrechung in der Corona-Zeit

Kleine Anfrage
vom 13.05.2020

Kleine Anfrage 3726des Abgeordneten Thomas Röckemann vom 13.05.2020

 

Haftunterbrechung in der Corona-Zeit

Die Verbreitung des Corona-Virus’ soll durch eine Politik der Isolation und der Quarantäne verlangsamt werden. Diese Vorgaben gelten sowohl für den öffentlichen, als auch für den privaten Bereich.

In den nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten wird daher versucht Quarantänezonen zu schaffen. Hierzu konnte die Haft für minder schwere Fälle mit einer Haftzeit bis zu eineinhalb Jahren unterbrochen werden, wenn diese Inhaftierten die Strafe bis Juli zu verbüßen haben.

Diese Regelungen nimmt Sexualstraftäter, schwere Gewalttäter sowie Abschiebehäftlinge explizit aus.

Ferner könnten bei Häftlingen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe auf Grund nicht gezahlter Geldstrafen verbüßen, der Haftantritt aufgeschoben oder die Haft ebenfalls ausgesetzt werden.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie oft wurde bisher auf Grund der Corona-Sonderregelung im Justizvollzug die Aussetzung der Haft gewährt? (Bitte aufschlüsseln nach Justizvollzugsanstalt und nach der Dauer der Unterbrechung)

2. Aufgrund welcher Delikte waren diese unter Nummer 1. bezeichneten Personen inhaftiert? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Herkunft)

3. Wie viele Haftantritte wurden bisher auf Grund der Corona-Sonderregelung im Justizvollzug ausgesetzt? (Bitte auflisten nach Justizvollzugsanstalt und nach der Dauer der Haftaussetzung)

4. Welche Delikte lagen den jeweiligen Aussetzungen der Haftantritte zu Grunde? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Herkunft)

5. Welchen Verteilungsschlüssel nutzt die Landesregierung, um die notwendigen Quarantänezonen innerhalb der Justizvollzugsanstalten sicherzustellen? (Bitte auflisten nach Justizvollzugsanstalt und vorgesehenen Quarantänezellen)

Thomas Röckemann

 

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Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 08.06.2020

 

Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3726 mit Schreiben vom 8. Juni 2020 namens der Landesregierung beantwortet.

1. Wie oft wurde bisher auf Grund der Corona-Sonderregelung im Justizvollzug die Aussetzung der Haft gewährt? (Bitte aufschlüsseln nach Justizvollzugsanstalt und nach der Dauer der Unterbrechung)

2. Aufgrund welcher Delikte waren diese unter Nummer 1. bezeichneten Personen inhaftiert? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Herkunft)

Die Fragen 1. und 2. werden zusammen beantwortet:

Haftunterbrechungen wegen der durch die Corona-Pandemie eingetretenen Umstände sind unter weiteren strengen Voraussetzungen nur bei Strafresten von ursprünglich bis zu 18 Monaten festgesetzten Freiheitsstrafen, die nicht wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verhängt wurden, erfolgt und dauern bis auf Weiteres an.

Die Anzahl der Strafunterbrechungen zum Stichtag 15.05.2020 ergibt sich aus der nachfolgenden Übersicht:

Justizvollzugseinrichtung Anzahl
Justizvollzugsanstalt Aachen 13
Justizvollzugsanstalt Attendorn 70
Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede 16
Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne 235
Justizvollzugsanstalt Bochum 28
Justizvollzugsanstalt Bochum-Langendreer 0
Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel 75
Justizvollzugsanstalt Detmold 1
Justizvollzugsanstalt Dortmund 24
Justizvollzugsanstalt Düsseldorf 58
Justizvollzugsanstalt Duisburg-Hamborn 7
Justizvollzugsanstalt Essen 38
Justizvollzugsanstalt Euskirchen 29
Justizvollzugskrankenhaus NRW in Fröndenberg 7
Justizvollzugsanstalt Geldern 8
Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen 31
Sozialtherapeutische Anstalt Gelsenkirchen 0
Justizvollzugsanstalt Hagen 0
Justizvollzugsanstalt Hamm 10
Justizvollzugsanstalt Heinsberg 0
Justizvollzugsanstalt Herford 0
Justizvollzugsanstalt Hövelhof 0
Justizvollzugsanstalt Iserlohn 0
Justizvollzugsanstalt Kleve 9
Justizvollzugsanstalt Köln 48
Justizvollzugsanstalt Moers-Kapellen 111
Justizvollzugsanstalt Münster 2
Justizvollzugsanstalt Remscheid 77
Justizvollzugsanstalt Rheinbach 1
Justizvollzugsanstalt Schwerte 11
Justizvollzugsanstalt Siegburg 70
Justizvollzugsanstalt Werl 11
Justizvollzugsanstalt Willich I 7
Justizvollzugsanstalt Willich II 24
Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Vohwinkel 28
Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf 2
Gesamt 1.051

 

Die erfragten Daten sind im Übrigen statistisch nicht erfasst. Eine präzisere Beantwortung erfordert daher eine Auswertung aller in Frage kommenden Vollstreckungsakten von Hand. Dies ist innerhalb der zur Beantwortung einer kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und unter Wahrung der Belange der Strafrechtspflege nicht zu leisten.

3. Wie viele Haftantritte wurden bisher auf Grund der Corona-Sonderregelung im Justizvollzug ausgesetzt? (Bitte auflisten nach Justizvollzugsanstalt und nach der Dauer der Haftaussetzung)

4. Welche Delikte lagen den jeweiligen Aussetzungen der Haftantritte zu Grunde? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Herkunft)

Die Fragen 3. und 4. werden zusammen beantwortet:

Die Staatsanwaltschaften des Landes sind wegen der durch die Corona-Pandemie eingetretenen Umstände gebeten worden, bei Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr, die nicht wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verhängt wurden, von einer Ladung zum Strafantritt bis auf Weiteres abzusehen, sofern keine Vollstreckungsverjährung droht oder zwingende spezialpräventive Gründe entgegenstehen. Unter dem 13. bzw. 14. Mai 2020 haben die Generalstaatsanwältin und Generalstaatsanwälte des Landes über insgesamt 854 Fälle einschlägiger Strafaufschübe berichtet, wobei unterschiedliche Erhebungszeiträume zugrunde gelegt worden seien und die Angaben teilweise auf Schätzungen beruhten.

Weitere Daten sind statistisch nicht erfasst. Eine präzisere Beantwortung erforderte daher eine Auswertung aller in Frage kommenden Vollstreckungsakten von Hand. Dies ist innerhalb der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und unter Wahrung der Belange der Strafrechtspflege nicht zu leisten.

5. Welchen Verteilungsschlüssel nutzt die Landesregierung, um die notwendigen Quarantänezonen innerhalb der Justizvollzugsanstalten sicherzustellen? (Bitte auflisten nach Justizvollzugsanstalt und vorgesehenen Quarantänezellen)

Mit Blick auf die unterschiedlichen baulichen Voraussetzungen und Vollstreckungszuständigkeiten der Justizvollzugsanstalten wird kein Verteilungsschlüssel für die Sicherstellung der Quarantänebereiche genutzt. Mit Stand vom 4. Mai 2020 sehen die Justizvollzugsanstalten des Geschäftsbereichs für ihre jeweiligen Einrichtungen folgende Quarantänebereiche vor:

  Justizvollzugsanstalten Einrichtung von Quarantänebereichen
1. Aachen Ab     11.05.2020      Zugangsabteilung      mit          36

Einzelhaftplätzen (urspr. 55 Haftplätze), kann durch Abtrennung als Quarantänebereich genutzt werden.

2. Attendorn Offener Vollzug: 10 Plätze vorhanden, auf 65 Plätze erweiterbar.

Geschlossener Vollzug: 11 Plätze vorhanden, auf 20 Plätze erweiterbar.

3. Bielefeld-Brackwede 1 Quarantänehaftplatz, 3 weitere in Vorbereitung

Zugangsabteilung   mit  10                    Plätzen (provisorisch),
weitere in Vorbereitung.

4. Bielefeld-Senne 8 Plätze im Hafthaus Ummeln

Zugangsabteilung   mit 78      Plätzen  im                               Hafthaus
Ummeln.

5. Bochum Quarantäne- und Zugangsabteilung mit 44 Plätzen, weitere Abteilung soll freigezogen werden (Ziel: 80 Plätze)
6. Bochum-Langendreer 27 Plätze
7. Castrop-Rauxel 38 Plätze
8. Detmold 8 Plätze provisorisch abgetrennt.
9. Dortmund 9 Plätze +

16 Plätze Zugangsabteilung

10. Düsseldorf 45 Plätze +

Zugangsbereich mit 25 Plätzen

11. Duisburg-Hamborn Je 10 Plätze in Haupt- und Zweiganstalt
12. Essen Quarantäneabteilung mit 22 Plätzen, um 23 Plätze

erweiterbar.     Kann      innerhalb      eines Tages
eingerichtet werden.

13. Euskirchen 9 Plätze im nicht gesicherten Bereich.
14. Geldern 28 Plätze vorhanden, um zusätzlich 28 Plätze erweiterbar.
15. Gelsenkirchen Männer/Frauen geschlossen: 15 Haftplätze +

Männer: 6 Haftplätze Zugang

Frauen geschlossen: 6 Haftplätze Zugang

Aktuell     reichen    diese     Kapazitäten.    Je  nach

Entwicklung      der    Pandemie    werden   weitere

Abteilungen     freizuziehen   sein.   Hierfür                        werden
zusätzlich ca. 50 – 60 Haftplätze benötigt.

16. Hagen 20 Plätze
17. Hamm 16 Plätze
18. Heinsberg Im    Bedarfsfall     können    derzeit     nicht belegte

Wohngruppen als Quarantäneabteilungen genutzt werden.

19. Herford 24      Haftplätze     vorgesehen      (Abteilung  B3),

unverzügliche Inbetriebnahme soweit erforderlich.

20. Hövelhof 9 Plätze

+ 9 Plätze Zugangsbereich

21. Iserlohn 30 Plätze
22. Kleve 7 Plätze
23. Köln Zugangsbereiche     für   Männer   (90    Plätze) und

Frauen (28 Plätze) vorhanden, Quarantänebereich

kann     kurzfristig    durch    Abtrennung      auf den

Zugangsabteilungen      eingerichtet     werden,                                      die
vorhandenen Kapazitäten reichen dafür aus.

24. Moers-Kapellen 11 Plätze
25. Münster Abteilung müsste leer gezogen werden (zunächst 26 Gef.), wäre unverzüglich umsetzbar. Provisorische Zugangsabt. mit 10 Plätzen
26. Remscheid 16 Plätze sind vorbereitet. Sofern Quarantäneplätze erforderlich sind, kann die Abteilung unverzüglich freigezogen werden.
27. Rheinbach 23 Plätze (davon 7 Beobachtungshafträume)
28. Schwerte 12 Plätze
29. Siegburg 78 Plätze
30. Werl Quarantänebereich ist vorbereitet und kann im Bedarfsfall   unverzüglich    in   Betrieb                    genommen werden.
31. Willich I 33 Plätze.
32. Willich II Frauen geschlossen: 12 Plätze geplant, ist kurzfristig umsetzbar, Belegungsentwicklung gut. Frauen offen: 10 Plätze vorhanden.
33. Wuppertal-Ronsdorf 25 Plätze
34. Wuppertal-Vohwinkel 40 Plätze können kurzfristig als Quarantänestation in Betrieb genommen werden.
35. Sotha Gelsenkirchen Einzelunterbringung

 

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