Heranführung von Asylberechtigten zu gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung in den Jahren 2019 bis 2022

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 908
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 19.12.2022

Heranführung von Asylberechtigten zu gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung in den Jahren 2019 bis 2022

Asylbewerber, die eine Anerkennung als Asylberechtigte oder als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) erhalten, und jene, denen subsidiärer Schutz zugestanden wird, wechseln aus dem Rechtskreis der Bezieher von Asylbewerberleistungen in den Rechtskreis der Bezieher von Grundsicherung nach dem SGB II. Abhängig vom Schutzstatus wird gemäß § 26 Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltserlaubnis von bis zu 3 Jahren erteilt, die sich verlängert, wenn die Gründe für den Schutzstatus fortbestehen.

Während dieser Zeit ist es möglich, uneingeschränkt als Beschäftigter zu arbeiten. Gemäß § 16d SGB II besteht die Möglichkeit, erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit, die für die Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, Arbeitsgelegenheiten zuzuweisen. Diese müssen im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sein.

Zulässig ist grundsätzlich eine Zuweisungsdauer von max. 24 Monaten innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere 12 Monate. Die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erhalten für diese Tätigkeiten zuzüglich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung.

Seit unserer letzten Anfrage1 in diesem Zusammenhang hat sich die Anzahl der Personen, die sich aus humanitären Gründen in NRW aufhalten und zu gemeinnützigen Arbeitsangelegenheiten herangezogen werden könnten, weiter erhöht. Dazu zählen auch die Flüchtlinge mit Ukraine-Bezug, die im Rahmen der Aktivierung der EU-Massenzustromrichtlinie und des vorgenommenen Rechtskreiswechsels Leistungen nach dem SGB II beziehen.

Zum damaligen Zeitpunkt (April 2019) gab es aus den acht nichteuropäischen Asylherkunftsländern 1.563 Teilnehmer in Arbeitsgelegenheiten. Darüber hinaus wurden von Januar bis April 2019 insgesamt 1.766 Eintritte von „Personen im Kontext von Fluchtmigration“ erfasst.2

Zum Arbeitsumfang (geleistete Arbeitsstunden) sowie zum Gesamtumfang der Mehraufwandsentschädigung konnte die Landesregierung zum damaligen Zeitpunkt keine Angaben machen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele anerkannte Flüchtlinge der genannten drei Kategorien gem. § 26 AufenthG wurden seit 2019 gemäß § 16d SGB II zu einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung herangezogen? (Bitte nach Jahr und Anzahl differenziert aufschlüsseln, analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 17/7264; Frage 3)
  2. Nach Aussage der Landesregierung werden für den Rechtskreis SGB II Arbeitsgelegenheiten insgesamt für Deutsche, Ausländer und nichteuropäische Asylherkunftsländer ausgewiesen. Welche Zahlen ergeben sich für die 3 genannten Personengruppen in den Jahren 2019 bis 2022? (Bitte nach Jahr, Personengruppe und Anzahl differenziert aufschlüsseln, analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 17/7264; Frage 3)
  3. In welchem Umfang greift diese arbeitsmarktpolitische Maßnahme potenziell auch für Flüchtlinge mit Ukraine-Bezug, wenn sie in Deutschland Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen? (Bitte in diesem Zusammenhang die Anzahl der bisherigen Teilnehmer an diesem Programm mit Ukraine-Bezug benennen.)
  4. In welchem Umfang beziehen in NRW registrierte ukrainische Staatsbürger zum Stichtag 1. Dezember 2022 Arbeitslosengeld II (ALG II)? (Bitte die Anzahl der Personen sowie die monatlichen Gesamthöhe der Leistungen angeben.)
  5. Welche Tendenz (Zahlen der Antragsteller, Größenordnung der ausgezahlten Leistungen) bei der Inanspruchnahme der am 1. Juni 2022 als gesetzlicher Anspruch eingeführten ALG-II-Leistungen, sowie damit verbundener weiterer Ansprüche (z. B. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, Ausbildungsförderung) durch ukrainische Staatsangehörige sind seit dem 1. Juni 2022 und bis heute in NRW zu beobachten? (Fragen 4 und 5 bitte analog zur Stellungnahme der Landesregierung Baden-Württemberg – Tabellen 1-14 – 3)

Enxhi Seli-Zacharias

 

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1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/7264

2 Ebd.

3 Vgl. Stellungnahme der Landesregierung Baden-Württemberg auf einen Antrag der AfD-Fraktion; htt p s : / / www.l a n d t a g-b w.de/files/live/sites/L T B W /files/dokumente/WP 17/Drucksachen/3 0 0 0 /17 _31 81 _D .p d f


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 908 mit Schreiben vom 17. Januar 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie viele anerkannte Flüchtlinge der genannten drei Kategorien gem. § 26 Auf-enthG wurden seit 2019 gemäß § 16d SGB II zu einer Arbeitsgelegenheit mit Mehr­aufwandsentschädigung herangezogen? (Bitte nach Jahr und Anzahl differen­ziert aufschlüsseln, analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 17/7264; Frage 3)

Die amtliche Statistik enthält keine detaillierten Angaben zur Heranziehung von anerkannten Flüchtlingen der genannten drei Kategorien zu Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsent­schädigung.

Erfasst werden sogenannte „Personen im Kontext von Fluchtmigration“.

Personen im Kontext von Fluchtmigration werden in der Statistik der Bundesagentur seit Juni 2016 auf Basis der Dimension „Aufenthaltsstatus“ abgegrenzt. Diese Abgrenzung entspricht nicht notwendigerweise anderen Definitionen von „Flüchtlingen“ (z. B. juristischen Abgrenzun­gen).

Für den statistischen Begriff ist über das Asylverfahren hinaus der Bezug zum Arbeitsmarkt ausschlaggebend. Personen im Kontext von Fluchtmigration umfassen Drittstaatsangehörige mit einer Aufenthaltsgestattung, einer Aufenthaltserlaubnis Flucht (§§ 19d, 22-26 Aufenthalts­gesetz) und einer Duldung. Im Hinblick auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt hat dieser Personenkreis ähnliche Problemlagen. Personen, die im Rahmen eines Familiennachzugs (§§ 29 ff AufenthG) zu geflüchteten Menschen nach Deutschland migrieren, zählen im statis­tischen Sinne nicht zu Personen im Kontext von Fluchtmigration, sondern zu „Personen mit sonstigem Aufenthaltsstatus“. Ebenso zählen Personen, die zwar aus Fluchtgründen nach Deutschland eingereist sind, inzwischen aber eine Niederlassungserlaubnis erworben haben, im statistischen Sinne nicht mehr zu Personen im Kontext von Fluchtmigration. Hier ist zu beachten, dass für das Jahr 2022 aktuelle Daten bis August 2022 vorliegen. Nachfolgend werden die Eintritte und die Bestände der Jahre 2019 bis 2022 im dargestellten Umfang auf­geführt. Die Unterschiede zwischen den Daten zu den Eintritten und dem Bestand ergeben sich aus einer unterschiedlichen Zählweise. Als Eintritt wird jeder Beginn einer Maßnahme gezählt. Dies kann auch mehrfach pro Monat erfolgen. Der Bestand hingegen misst die An­zahl der Personen zu einem bestimmten Stichtag im jeweiligen Berichtsmonat. Erfolgt der Eintritt nach diesem Stichtag, wird diese Person in diesem Monat statistisch nicht unter dem Bestand erfasst.

Personen, die eine Maßnahme vor dem jeweiligen Stichtag beenden, zählen ebenfalls nicht zum Bestand in dem jeweiligen Berichtsmonat. So ist die Anzahl der Eintritte regelmäßig hö­her als der Bestand.

Eintritte von Personen im Kontext von Fluchtmigration in Arbeitsgelegenheiten:

Aug 2019 Aug 2020 Aug 2021 Aug 2022
4.313 3.558 3.686 2.741

Quelle: Angeforderte Daten der Bundesagentur für Arbeit

Bestände von Personen im Kontext von Fluchtmigration in Arbeitsgelegenheiten:

Aug 2019 Aug 2020 Aug 2021 Aug 2022
1.518 1.342 1.644 1.496

Quelle: Angeforderte Daten der Bundesagentur für Arbeit

  1. Nach Aussage der Landesregierung werden für den Rechtskreis SGB II Arbeitsge­legenheiten insgesamt für Deutsche, Ausländer und nichteuropäische Asylher­kunftsländer ausgewiesen. Welche Zahlen ergeben sich für die 3 genannten Per­sonengruppen in den Jahren 2019 bis 2022? (Bitte nach Jahr, Personengruppe und Anzahl differenziert aufschlüsseln, analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 17/7264; Frage 3)

Hier ist zu beachten, dass für das Jahr 2022 aktuelle Daten bis August 2022 vorliegen. Nach­folgend werden die Eintritte und die Bestände von Deutschen, Ausländerinnen und Auslän­dern und Personen aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern der Jahre 2019 bis 2022 im dargestellten Umfang aufgeführt:

Eintritte von Deutschen, Ausländerinnen und Ausländern und Personen aus nichteuropäi­schen Asylherkunftsländern der Jahre 2019 bis 2022:

Aug 2019 Aug 2020 Aug 2021 Aug 2022
Deutsche 39.797 29.224 29.899 21.704
Ausländerinnen und Ausländer 11.616 9.004 9.546 7.127
Darunter Asylher-kunftsländer
(Top 8)
4.656 3.878 4.040 3.036

Quelle: Angeforderte Daten der Bundesagentur für Arbeit

Bestände von Deutschen, Ausländerinnen und Ausländern und Personen aus nichteuropäi­schen Asylherkunftsländern der Jahre 2019 bis 2022:

Aug 2019 Aug 2020 Aug 2021 Aug 2022
Deutsche 15.344 11.783 12.018 11.226
Ausländerinnen und Ausländer 4.123 3.296 3.895 3.632
Darunter Asylher-kunftsländer
(Top 8)
1.682 1.478 1.805 1.636

Quelle: Angeforderte Daten der Bundesagentur für Arbeit

  1. In welchem Umfang greift diese arbeitsmarktpolitische Maßnahme potenziell auch für Flüchtlinge mit Ukraine-Bezug, wenn sie in Deutschland Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen? (Bitte in diesem Zusammenhang die Anzahl der bisherigen Teilnehmer an diesem Programm mit Ukraine-Bezug benennen.)

Der Zugang zu der arbeitsmarktpolitischen Maßnahme Arbeitsgelegenheit ist für Kriegsge­flüchtete mit Ukraine-Bezug wie für alle anderen SGB II-Leistungsbeziehenden unter Beach­tung des Gleichbehandlungsgrundsatzes geöffnet. Für ukrainische Kriegsgeflüchtete sind die aufenthaltsrechtlichen Informationen zum Fluchthintergrund bislang noch nicht vollständig er­fasst. Deshalb werden die Gesamtzahl der „Personen im Kontext Fluchtmigration“ sowie alle statistischen Größen zum „Aufenthaltsstatus“ nur unter Ausschluss von ukrainischen Staats­angehörigen ausgewiesen. Daher ist es derzeit nur möglich, Eintritte und Bestände von Per­sonen mit der Staatsangehörigkeit Ukraine auszuweisen, nicht aber von Geflüchteten mit Uk­raine-Bezug. Diese Daten liegen bis August 2022 vor.

Nachfolgend werden die Eintritte und die Bestände von Personen mit der Staatsangehörigkeit Ukraine in den Jahren 2019 bis 2022 im dargestellten Umfang aufgeführt:

Eintritte von Personen mit der Staatsangehörigkeit Ukraine in den Jahren 2019 bis 2022:

Aug 2019 Aug 2020 Aug 2021 Aug 2022
188 144 148 124

Quelle: Angeforderte Daten der Bundesagentur für Arbeit

Bestände von Personen mit der Staatsangehörigkeit Ukraine in den Jahren 2019 bis 2022:

Aug 2019 Aug 2020 Aug 2021 Aug 2022
92 70 81 71

Quelle: Angeforderte Daten der Bundesagentur für Arbeit

  1. In welchem Umfang beziehen in NRW registrierte ukrainische Staatsbürger zum Stichtag 1. Dezember 2022 Arbeitslosengeld II (ALG II)? (Bitte die Anzahl der Per­sonen sowie die monatlichen Gesamthöhe der Leistungen angeben.)
  2. Welche Tendenz (Zahlen der Antragsteller, Größenordnung der ausgezahlten Leistungen) bei der Inanspruchnahme der am 1. Juni 2022 als gesetzlicher An­spruch eingeführten ALG-II-Leistungen, sowie damit verbundener weiterer An­sprüche (z. B. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, Ausbildungs­förderung) durch ukrainische Staatsangehörige sind seit dem 1. Juni 2022 und bis heute in NRW zu beobachten? (Fragen 4 und 5 bitte analog zur Stellungnahme der Landesregierung Baden-Württemberg Tabellen 1-14 )

Die Frage 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Berechnungsgrundlage für die Gesamthöhe der Leistungen ist die Bedarfsgemeinschaft. Dementsprechend werden statistisch Leistungen an Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einer Person, welche die ukrainische Staatsangehörigkeit hat, ausgewiesen. Diese Daten lie­gen ebenfalls nur bis August 2022 vor.

Die Gesamthöhe der Leistungen und die Tendenzen können im dargestellten Umfang der nachfolgenden Tabelle entnommen werden.

Gesamthöhe der Leistungen in Euro an Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einer Person mit ukrainischer Staatsangehörigkeit:

Berichtsmonat Juni 22 Juli 22 August 22
Zahlungsansprüche von BG in Euro 61.448.166,62 75.910.954,13 86.317.027,66
Gesamtregelleistung (Ar-beitslosengeld II und Sozial­geld) 1) 51.192.960,87 62.183.895,58 70.270.722,96
Regelbedarf Arbeitslosen-geld II 25.874.928,80 30.361.336,89 33.927.308,51
Regelbedarf Sozialgeld 9.581.134,90 10.835.645,18 10.996.752,30
Mehrbedarfe 2.184.880,67 2.477.735,53 2.708.474,93
Kosten der Unterkunft (KdU) 13.552.016,50 18.509.177,98 22.638.187,22
dar. laufende KdU 12.999.535,28 17.328.568,20 21.006.882,55
Sozialversicherungs-leistungen 8.201.538,44 9.667.745,00 11.023.044,30
weitere Zahlungsansprüche 2.053.667,31 4.059.313,55 5.023.260,40
sonstige Leistungen 2.021.219,93 4.006.263,83 4.953.248,14
unabweisbarer Bedarf * * *

Quelle: Angeforderte Daten der Bundesagentur für Arbeit

*) Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden Zahlen­werte von 1 oder 2 und Daten, aus denen rechnerisch auf einen solchen Zahlenwert ge­schlossen werden kann, anonymisiert. Darüber hinaus unterliegen Informationen der Grundsicherungsstatistik auch der statistischen Geheimhaltung, wenn sie sich nur auf 1 oder 2 Bedarfsgemeinschaften beziehen.

Die Anzahl der Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit, die Arbeitslosengeld II bezie­hen sowie die Tendenzen werden derzeit regelmäßig vom Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht und sind unter dem folgendem Link zu finden (siehe unter Berichte:

„Tabellenanhang“):       h t t p s : / /s t a t is ti k .ar b ei t sa ge n tur.de/DE/Navigation/Statisti ke n / Th e men-im-Fokus/ U kr a i ne-Krieg/Ukr a in e- K r ie g -Nav.html

 

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