Hilferuf der Schulleitungen ernst nehmen: Gewalt an Schulen in den Griff bekommen!

Antrag

Antrag
der Fraktion der AfD

Hilferuf der Schulleitungen ernst nehmen: Gewalt an Schulen in den Griff bekommen!

I. Ausgangslage

Laut einer repräsentativen Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) anlässlich der Eröffnung des Deutschen Schulleitungskongresses (DSLK) in Düsseldorf erleben Lehrer an Schulen immer mehr Gewalt.1 Knapp zwei Drittel der ca. 1.300 befragten Schulleitungen berichten von direkter psychischer Gewalt in den letzten fünf Jahren, darunter Beleidigungen, Bedrohungen und Belästigungen. Ein Drittel der Befragten hat Erfahrungen mit tatsächlichen körperlichen Angriffen und Cyber-Mobbing gemacht.

Die Zahlen für Nordrhein-Westfalen sind noch dramatischer.2 In 73 Prozent der NRW-Schulen wurden Lehrkräfte im Befragungszeitraum direkt beschimpft, bedroht, beleidigt oder gemobbt, in fast der Hälfte (46 Prozent) gab es körperliche Angriffe. 41 Prozent der befragten Schullei­tungen gaben an, von Cyber-Mobbing gegen ihre Lehrer zu wissen. „Immer weniger Personal trifft auf immer mehr Aufgaben – das ist eine unheilvolle Mischung“, warnt der Vorsitzende des VBE NRW. Seit der Corona-Pandemie sei eine weitere Zunahme psychischer und physischer Gewalt an Schulen und im Internet zu verzeichnen.

Schulleitungen beklagen insbesondere das wachsende Aufgabenspektrum (96 Prozent), die Überlastung des Kollegiums (ebenfalls 96 Prozent) sowie das mangelnde Zeitbudget (95 Pro­zent). 90 Prozent der Schulleitungen geben an, dass sie sich eine bessere personelle Ausstat­tung mit multiprofessionellen Teams und nicht-pädagogischen Fachkräften wünschen. Zwar liegt laut Studie die Arbeitszufriedenheit mit 82 Prozent noch hoch, allerdings ist die Weiter-empfehlungsbereitschaft der Schulleiter rapide auf 52 Prozent gesunken (2018: über 80 Pro­zent). Insgesamt bewerteten die Schulleiter die Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen lediglich mit der Note 4,2.

Die Hälfte der bundesweit befragten Schulleiter hält Gewalt gegen Lehrkräfte an Schulen für ein Tabu-Thema. Nur ein Drittel (32 Prozent) ist der Auffassung, dass damit offen umgegangen wird. „Rechnet man die Prozentangaben auf die Grundgesamtheit der allgemeinbildenden Schulen hoch, bedeutet das, dass es in den letzten fünf Jahren an fast 20.000 Schulen zu psychischer und an jeweils gut 10.000 Schulen zu Cyber-Mobbing oder körperlicher Gewalt kam“, so der Bundesvorsitzende des VBE. „Dieser Zustand ist unhaltbar. Der Schutz der Lehr­kräfte muss dringend auf die politische Agenda.“

Mehr als ein Drittel der befragten Schulleiter gab an, dass Fälle von Gewalt nur zum Teil oder gar nicht aufgefangen werden konnten. Beklagt wird sich über Eltern und Schüler, die keine Kooperationsbereitschaft zeigen. Doch auch in Bezug auf Schulgewalt wird über die Rahmen­bedingungen geklagt. Über die Hälfte der Schulleiter (57 Prozent) bemängeln den bürokrati­schen Aufwand der Meldung von Gewaltdrohungen sowie die Überlastung durch die Fülle an­derer Aufgaben (55 Prozent). 34 bzw. 30 Prozent der Schulleitungen geben an, dass das Schulministerium bzw. die Schulverwaltung sich des Themas nicht ausreichend annehmen würden. 19 Prozent behaupten, dass die Meldung von Vorfällen von den Schulbehörden nicht gewünscht sei.

Alltägliche Erfahrungswerte von Schülern, Eltern und Lehrern sowie der Blick in die aktuelle Tagespresse offenbaren, dass Gewalt, Vandalismus und Cyber-Mobbing im Jahr 2022 zum Schulalltag in Nordrhein-Westfalen gehören. In diesem Jahr machte z.B. die Robert-Koch-Re­alschule in Dortmund Schlagzeilen mit Berichten über Gewalt, Drogen und einer allgemeinen Schweigespirale bei Schülern und Lehrern. „Gewalt und Mobbing sind gängige Regel an der Schule. Eine Aufsicht ist zwar in der Pause da, aber niemand greift ein. Meine Kinder können das selber bestätigen, seit Jahren ist keine Besserung in Sicht“3, so eine betroffene Mutter gegenüber einer Zeitung. „Meine Kinder berichten mir von Waffen, Alkohol und sogar Drogen, die mit in die Schule genommen werden. Ich habe Dienstaufsichtsbeschwerde bei der zustän­digen Bezirksregierung Arnsberg gestellt, doch nichts wird unternommen.“ In der Ernst-Evers-busch-Hauptschule in Hagen wurden 24 Personen durch eine Reizgas-Attacke leicht verletzt.4 An der Herbert-Grillo-Gesamtschule in Duisburg-Marxloh wird regelmäßig die Polizei alarmiert. Der Schulleiter berichtet von Drogenkonsum, Glücksspiel, Fäkalsprache, Vandalismus, Brand­stiftung und extremer Vermüllung: „Lehrer, Eltern und Schüler sprechen zunehmend davon, dass sie Angst haben und sich in der Schule nicht mehr sicher fühlen.“5 Die Grundschule Brü­ckenstraße in Duisburg-Hochfeld geriet durch exzessiven Vandalismus in die Schlagzeilen.6 Am Schulzentrum in Münster-Kinderhaus kommt es regelmäßig zu Diebstählen und Vandalis-mus.7 Erwartungsgemäß treten auch kulturelle Konflikte auf. So heißt es in einem Pressebe­richt über eine Grundschule im Dortmunder Süden: „Der Junge habe Sarah als ‚Scheiß-Deut­sche‘ beleidigt, sie zusammen mit einem anderen Jungen gejagt und auf sie eingetreten, als sie am Boden lag. ‚Die Schule hat sie alleingelassen und nichts unternommen‘, klagt die Mut­ter. ‚Alle sehen weg.‘“8

Leider zeigen die oben genannten Zahlen auch, dass von einer höheren Dunkelziffer ausge­gangen werden muss. Eltern, Schulleitungen und möglicherweise übergeordnete Beschwer­destellen sind entweder mit der Situation überfordert oder aus verschiedenen Gründen nicht daran interessiert, dass Fälle publik werden.

II. Der Landtag stellt fest:

  • Gewalt, Vandalismus und Mobbing sind trauriger Schulalltag an immer mehr Schulen in Nordrhein-Westfalen.
  • Betroffene Schüler, Eltern, Schulleitungen und Lehrer fühlen sich zunehmend machtlos gegenüber diesen Entwicklungen und äußern deutlich ihre Unzufriedenheit mit den schulischen Rahmenbedingungen.
  • Phänomene von Gewalt und Mobbing sind an unterschiedlichen Schulformen verschie­den ausgeprägt.
  • Soziale und zuwanderungsbezogene Disparitäten im Schulsystem drücken sich nicht nur durch eine Kluft der schulischen Lernleistungen aus, sondern auch durch eine Ver­rohung des schulischen Lern- und Lebensumfeldes in vielen sozialen Brennpunkten.
  • Eine überwältigende Mehrheit der Lehrkräfte erlebt laut Deutschem Schulbarometer das Kollegium (92 Prozent) und sich selbst (84 Prozent) als stark oder sehr stark belastet. Jede vierte Lehrkraft ist laut DAK-Sonderstudie regelmäßig emotional erschöpft und zeigt Burnout-Symptome.
  • Das Ministerium für Schule und Bildung unterschätzt offensichtlich die Lage und kommt mit den herkömmlichen dienst- und schulrechtlichen Instrumenten der Fürsorgepflicht gegenüber Schülern und Lehrern nur unzureichend nach.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • ihrer Fürsorgepflicht gegenüber Schülern und Lehrern vollumfänglich nachzukommen, Bezirksregierungen und Schulämter personell und materiell ausreichend auszustatten und lückenlos allen Meldungen von Gewalt, Vandalismus und (Cyber-)Mobbing nachzu­gehen. Im Zuge dessen soll eine Meldepflicht im schulischen Bereich für sämtliche Ka­tegorien von Mobbing, Straftaten u.a. Vorkommnisse gegenüber Polizei, Schulaufsichts­behörden und Bezirksregierung eingeführt werden, um eine valide Datenbasis zu schaf­fen;
  • das Sicherheitsbedürfnis von Schulleitungen, Lehrern und Schülern anzuerkennen und ausreichend Mittel für betroffene kommunale Schulträger zur Verfügung zu stellen, um kurzfristige, effiziente Maßnahmen zur Steigerung der Sicherheit – B. durch Sicher­heitsdienste und Videoüberwachung – zu ergreifen;
  • im Rahmen der laufenden Reform der Lehrerfortbildung Gewaltprävention, Deeskalation und den Umgang mit Vandalismus und (Cyber-)Mobbing zum Bestandteil staatlicher Lehrerfortbildungen zu machen. Die beauftragte Projektgruppe sowie die zuständigen Kompetenzteams und Bezirksregierungen sollen angewiesen werden, bestehende Fort­bildungskurse zu dieser Thematik zu evaluieren, anzupassen und ggf. neu zu entwi­ckeln;
  • bis zur Sommerpause 2023 einen landesweiten Sicherheitsbericht der Schulen vorzule­gen. In diesem sollen Ursachen schulischer Gewalt, Vandalismus und (Cyber-)Mobbing analysiert, lokalisiert und praktische Handlungsempfehlungen formuliert werden. Der Si­cherheitsbericht wird jährlich vorgelegt;
  • die Arbeitsbedingungen für Schulleitungen und Lehrer zu verbessern, indem diese von nicht-pädagogischen Aufgaben und bürokratischen Pflichten entlastet werden;
  • neben Lehrkräften zusätzliche pädagogische und nicht-pädagogische Fachkräfte für die Schulen zu gewinnen, um Lehrer zu entlasten, damit diese sich hauptsächlich ihrer Kern­aufgabe widmen können.

Carlo Clemens
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 Vgl. htt ps:/ /www. Vbe .de / pres se/pressed ienste/press edienste-20 22/ge walt-g egen-lehr kraefte-auf-einem-besorgniserregen den-niveau.

2 Vgl. htt ps:// www. vbe- nrw. de/index. php?menu _id=744.

3 Htt ps:// www. derwesten. de/ staedte/dortmund/dortmu nd-news-som merferien-ki nd-schul e-m ut-ter-afd-hombruch-id235696421. html.

4 Vgl. htt ps:// www. t-online .de / region/ dortmund/id_100070264/reizga s-attacke-ate mwegsreizun-gen-bei-20-schuelern. html.

5 Htt ps:/ / rp-online. De /n rw/ staedte/duisb urg/duisburg- marxloh-herbert-grillo-gesamtschule-gewalt-und-vandalismus_aid-78943913#success Login.

6 Vgl. htt ps:// www .waz. de/ staedte/duis burg/vandalis mus-in-duis burg-hoc hfeld-kind er-unter-ver-dacht-id235959561.html.

7 Vgl. htt tps:// www. wn. de/m uenster/stadt teile/kinderha us/kam eras-g egen-d en-fahrradklau-2657571?pid=true&npg.

8 Htt ps:// www. ruhrnachrichten. de/dor tmund-su ed/streit-an-de r-grun dschule-kabbelei-unter-schue-lern-oder-mo bbing-w1742631-200 0496178/.