HIV-Infektionen seit Jahren steigend – was tut die Landesregierung in NRW?

Kleine Anfrage
vom 07.08.2024

Kleine Anfrage 4277

des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz AfD

HIV-Infektionen seit Jahren steigend was tut die Landesregierung in NRW?

Das Humane Immundefizienz-Virus, ist ein Virus, das das Immunsystem des menschlichen Körpers angreift. Es zerstört spezifische Zellen, die sogenannten CD4-Zellen oder T-Helferzellen, die eine zentrale Rolle bei der Immunabwehr spielen. Ein geschwächtes Immunsystem macht den Körper anfälliger für andere Infektionen und Krankheiten, die der Körper normalerweise bekämpfen könnte. Das Endstadium der HIV-Infektion wird als AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome) bezeichnet. Nicht jeder Mensch mit HIV entwickelt AIDS, aber ohne Behandlung kann eine HIV-Infektion im Laufe der Zeit zu AIDS führen. AIDS ist gekennzeichnet durch das Auftreten von bestimmten schweren Erkrankungen und opportunistischen Infektionen, die bei einem gesunden Immunsystem selten auftreten.1

Der kürzlich abgehaltene Welt-AIDS-Kongress hat aufgezeigt, dass die HIV-Epidemie weltweit mit etwa 40 Millionen Infektionen nach wie vor eine erhebliche Gesundheitsherausforderung darstellt. Dabei wurde betont, dass trotz Fortschritten in der Behandlung und Prävention die Anzahl der Neuinfektionen und AIDS-bedingten Todesfälle nicht in dem erhofften Maße gesenkt werden konnte. 2

Besonders besorgniserregend ist zudem, dass Unwissenheit über HIV/AIDS nicht nur in der allgemeinen Bevölkerung, sondern auch unter Gesundheitsfachkräften weit verbreitet ist. Dies wurde in einer Studie im Auftrag der Europäischen Kommission deutlich, die ergab, dass viele Gesundheitsfachkräfte in Europa ein mangelndes Wissen über die Übertragungswege und Präventionsmaßnahmen von HIV haben.3

In Nordrhein-Westfalen ist die HIV-Problematik ebenfalls relevant, da steigende Infektions­zahlen darauf hinweisen, dass bestehende Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen möglicherweise nicht ausreichend sind. Nach den aktuellen Daten des Robert Koch-Instituts leben in NRW schätzungsweise ca. 22.100 Menschen mit HIV/AIDS. Allein im Jahr 2023 kamen etwa 440 Neuinfektionen hinzu. Die Diagramme zeigen zudem, dass seit Mitte der 90er Jahre die Zahl der mit HIV lebenden Menschen in NRW kontinuierlich ansteigt; seit etwa 2021 steigt nun auch wieder die Zahl der Neuinfektionen.4

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Welche finanziellen Mittel stellt die Landesregierung in NRW für die Forschung und Entwicklung neuer Präventions- und Behandlungsmethoden gegen HIV/AIDS zur Verfügung?
  2. Inwiefern wird die Landesregierung die Aufklärungs- und Präventionsprogramme in Schulen und öffentlichen Einrichtungen in NRW weiter ausbauen und verbessern, um die Verbreitung von HIV/AIDS effektiver zu verhindern?
  3. Welche Unterstützung bietet die Landesregierung den Gesundheitsämtern und gemeinnützigen Organisationen in NRW, die sich mit der Beratung und Betreuung von HIV/AIDS-Betroffenen beschäftigen?
  4. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die Aufklärung zum Thema HIV und AIDS auch unter Gesundheitsfachkräften zu verbessern und Wissenslücken zu schließen?

Dr. Martin Vincentz

 

MMD18-10132

 

1 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/hiv-und-aids

2 https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/bilanz-welt-aids-kongress-100.html

3 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/153223/HIV-Unwissenheit-bei-Gesundheitsfachkraeften-in-Europa-weit-verbreitet

4 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/H/HIVAIDS/Eckdaten/EckdatenNordrheinWestfalen.pdf


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4277 mit Schreiben vom 6. September 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Bildung und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die Fragesteller verweisen auf steigende HIV-Infektionszahlen in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung stellt klar, dass gemäß Robert Koch-Institut derzeit kein besorgniserregender Trend von steigenden HIV-Neuinfektionen zu verzeichnen ist. Mit geschätzten 440 Neuinfek­tionen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2023 nähert sich das Geschehen lediglich langsam dem Vorpandemieniveau an.

  1. Welche finanziellen Mittel stellt die Landesregierung in NRW für die Forschung und Entwicklung neuer Präventions- und Behandlungsmethoden gegen HIV/AIDS zur Verfügung?

Die Landesregierung unterstützt grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung von Wis­senschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Hochschulen und außeruniversitären Forschungs­einrichtungen in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der grundständigen Finanzierung. Hierdurch werden u. a. vielfältige Forschungsarbeiten an den Universitäten und Universitätskliniken er­möglicht – auch mit Blick auf das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) bzw. das Erworbene Immunschwächesyndrom (AIDS).

Dazu zählen Forschungsarbeiten an der Universitätsklinik Bonn und am Universitätsklinikum Essen. Ziele der Forschung der Kliniken liegen darin, potenzielle Heilungsansätze, Impf-stoffstrategien, Resistenzbildungen und neue Wege der HIV-Infektionsprophylaxe sowie Mög­lichkeiten der Behandlung von AIDS bzw. AIDS-assoziierten Erkrankungen zu erforschen.

Nordrhein-Westfalen ist zudem Sitz des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Dies koordiniert vom Standort Köln/Bonn die 2015 gegründete „Translationale Plattform HIV“. Sie unterstützt – im Verbund mit der nationalen HIV-Kohorte des Robert Koch-Instituts (RKI) – die Durchführung klinischer und epidemiologischer Kohortenstudien und ermöglicht den Zu­gang zu mehr als 10.000 HIV-Patientinnen und -Patienten an den Partnerstandorten des DZIF.

  1. Inwiefern wird die Landesregierung die Aufklärungs- und Präventionsprogramme in Schulen und öffentlichen Einrichtungen in NRW weiter ausbauen und verbes­sern, um die Verbreitung von HIV/AIDS effektiver zu verhindern?

Gemäß dem Runderlass des Kultusministeriums vom 01.07.1987 „HIV/AIDS Aufklärung in den Schulen“ in der Fassung vom 12.06.2012 (BASS 18-12 Nr. 4) gehört die Vermittlung von Wis­sen über AIDS zu den verpflichtenden Aufgaben der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule. Diese umfasst neben der Vermittlung von biologischem und hygienischem Wissen auch pädagogische, ethisch-moralische und gesellschaftliche Aspekte. In der Schule erfolgt dies im Rahmen der Gesundheits- und Sexualerziehung, wie sie durch die Vorgaben der „Richtlinie für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen“ vom 30.09.1999 (BASS 15-04 Nr. 1) festgelegt sind. Damit ist sichergestellt, dass alle Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen in die schulische AIDS-Prävention eingebunden sind.

Das nordrhein-westfälische Ministerium für Schule und Bildung unterstützt im Bildungsportal den „Jugend-Medienpreis HIV“ für engagierte Schülerinnen, Schüler und Jugendliche, die sich einfallsreich mit HIV/AIDS beschäftigt haben. Die Beiträge sollen andere motivieren, über HIV-positive Menschen nachzudenken und zeigen, was HIV heute bedeutet.

Landesweit werden durch das Netzwerk „Youthwork NRW“ Workshops zur sexualpädagogi­schen HIV/AIDS-Prävention im Sinne einer ganzheitlichen Gesundheitsförderung angeboten. Youthworkerinnen und Youthworker von unterschiedlichen Trägern wie z. B. Pro familia oder Diakonie bieten Workshops vor allem in Schulen und in (Freizeit-) Einrichtungen wie z. B. Jugendzentren an.

Die Arbeit der Youthworkerinnen und Youthworker wird durch Kommunen gefördert, die wie­derum von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen fachbezogene Fallpauschalen für die Umsetzung von Maßnahmen zur Prävention und Beratung im Bereich HIV und anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen und somit auch für Träger der Youthworkerinnen und Youthwor-ker erhalten.

  1. Welche Unterstützung bietet die Landesregierung den Gesundheitsämtern und gemeinnützigen Organisationen in NRW, die sich mit der Beratung und Betreuung von HIV/AIDS-Betroffenen beschäftigen?

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unterstützt mit dem Landeshaushalt (Kapitel 11 080 Titelgruppe 64) Maßnahmen zur Eindämmung von HIV und anderen sexuell übertragba­ren Infektionen (STI) die Gesundheitsämter und gemeinnützigen Organisationen in Nordrhein-Westfalen. Die Kreise und kreisfreien Städte erhalten von der Landesregierung im Jahr 2024 insgesamt 2,43 Mio. Euro über die fachbezogenen Fallpauschalen. Diese können auch für die Beratung von Menschen mit HIV/AIDS verwendet werden. Über die genaue Mittelverwendung entscheiden die Kommunen.

Zudem fördert die Landesregierung sowohl den Landesverband der Aidshilfe NRW e. V. als auch – über die zielgruppenspezifischen Präventionsmaßnahmen – direkt regionale Aidshil-fen. Ziel ist dabei neben der spezifischen Präventionsarbeit die gezielte Beratung und Unter­stützung von Menschen mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Insgesamt beträgt diese Förderung im Jahr 2024 1,7 Mio. Euro.

Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung die örtlichen Gesundheitsämter in ihrer Bera­tung zu HIV und STI. Sie übernimmt die Kosten für die anonymen Tests zur Erkennung einer HIV-Infektion, einer Syphilis, einer Chlamydien-Infektion oder einer Gonorrhö nach § 19 Infek-tionsschutzgesetz (IfSG). Auch fördert die Landesregierung Aufklärungsmaterialien, die im Rahmen der „WIE AUCH IMMER“-Kampagne bereitgestellt werden. Im Übrigen wird auf Ant­wort zu Frage 2 verwiesen.

  1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die Aufklärung zum Thema HIV und AIDS auch unter Gesundheitsfachkräften zu verbessern und Wissenslü­cken zu schließen?

In den bundesweit neu geregelten Gesundheitsfachberufen sind Infektionsprophylaxen, die Mitwirkung bei Maßnahmen zur Infektionsprävention und soweit zutreffend auch der Umgang mit der besonderen Lebenssituation von Menschen, die Infektionsträger sind oder an einer infektionsbedingten Erkrankung leiden, bereits Bestandteil der zu erwerbenden Kompetenzen zur Berufsausübung.

Die Kompetenzaneignung wird in den Ausbildungsstätten durch ein schulinternes Curriculum, ein Studiengangskonzept oder einen Ausbildungsplan in die Lehre integriert, die von den Ge-sundheitsfachschulen/Hochschulen und dem Träger der praktischen Ausbildung zu erstellen sind. Die Landesregierung ermöglicht den Gesundheitsfachschulen über die Internetpräsenz des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales den Zugriff auf Materialien für die jewei­ligen Berufe als Hilfe zur Erstellung der schulinternen Curricula.

So können zum Beispiel für die Ausbildung in der generalistischen Pflege die Rahmenpläne der Fachkommission nach § 53 Pflegeberufegesetz zur Erstellung schulinterner Curricula nutzbar gemacht werden. In der curricularen Einheit (CE) 09 „Menschen bei der Lebensge­staltung lebensweltorientiert unterstützen“ wird die Aufmerksamkeit auch explizit auf den Um­gang mit HIV-Positivität gelenkt.

 

MMD18-10568