Antragder AfD-Fraktion vom 02.07.2019
Höfesterben bekämpfen – Landesregierung muss eine attraktive Start-Up-Kultur in der Landwirtschaft schaffen und Hofübergaben erleichtern
I. Ausgangslage
Jedes Jahr sinkt die Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe, während die Betriebsgröße zunimmt. So ist die Fläche von 25,2 ha je Betrieb im Jahr 1991 über 37,6 ha im Jahr 2007 auf 42,8 ha im Jahr 2016 gestiegen. Im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Betriebe halbiert.
Wegen des wirtschaftlichen Drucks und der Politik des „Wachsen oder Weichen“ wird es für landwirtschaftliche Betriebe immer schwieriger, einen Nachfolger für die Übernahme des Betriebs zu finden. Insbesondere das diesjährige Motto „Wandel braucht Verlässlichkeit“ beim Deutschen Bauerntag des Deutschen Bauernverbandes (DBV) in Leipzig vom 26. bis 27. Juni 2019 zeigt deutlich die Schieflage in der Agrarpolitik.
Im Übrigen ergab auch die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage (Drucksache 17/670), dass sich durch den Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen im Zuge der Energiewende auch der Druck auf die Flächennutzung weiter verstärkt hat und so z.B. Landwirte mit einem höheren Pachtpreisniveau zu kämpfen haben. Die Landwirte kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz und das Höfesterben setzt sich fort.
Die schwindende Zahl landwirtschaftlicher Betriebe ist eine Gefahr für die Versorgungssicherheit, aber auch für die Zukunftsfestigkeit der nordrhein-westfälischen Landwirtschaft. Da durch das Höfesterben immer weniger landwirtschaftliche Betriebe immer größere Flächen bewirtschaften, kommt es zu einer Konzentration der landwirtschaftlichen Produktion bei immer weniger Großerzeugern. Der wirtschaftliche Zwang und die strengen Agrarumweltmaßnahmen zwingen die Betriebe, in immer größeren Mengen zu produzieren.
Ein tragfähiges agrarpolitisches Leitbild ist das der bäuerlichen Familienbetriebe mit hohen Standards und einem Wirtschaften, das auf Tierwohl und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Eine diversifizierte Landwirtschaft mit vielen Betrieben ist krisensicherer als eine monostrukturelle Landwirtschaft mit wenigen Großbetrieben.
Ungefähr 40% aller Landwirte sind 55 Jahre alt oder älter. In Nordrhein-Westfalen wurden bei der Landwirtschaftszählung 2010 die 23.107 Betriebsinhaber, die zum Zeitpunkt der Befragung mindestens 45 Jahre alt waren, nach der Betriebsnachfolge gefragt. Nur 5,8 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU werden von Bauern unter 35 Jahren geführt.1 Zwei Drittel dieser Betriebe haben demnach keinen Hofnachfolger oder die Weiterführung des Betriebes ist ungewiss.2 Besonders frappierend ist, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Betriebsnachfolger zu finden, mit der Größe des Betriebs steigt. Während bei 27,4 Prozent der Betriebe mit einer Flächenausstattung von 10 bis 20 Hektar die Hofnachfolge als gesichert eingeschätzt wurde, waren es bei Betrieben mit über 100 Hektar bereits mehr als 57,0 Prozent. Wenn die Agrarpolitiker aller Parteien ihr Bekenntnis zum landwirtschaftlichen Familienbetrieb ernst meinen, müssen sie die Anreizstrukturen, die verwaltungstechnische Regulierung und die Stützung der landwirtschaftlichen Produktion verbessern und zukunftssicher gestalten.
Dabei wäre das Nachfolger-Potential durchaus vorhanden. Beispielsweise hat gut die Hälfte der Jahrgänge von Agrar-Ökonomen keinen Hof in der Familie, obwohl sie offensichtlich in der Landwirtschaft arbeiten wollen.3 Mittlerweile haben sich die Betroffenen dem Problem der Hofnachfolger selbst gewidmet und etwa Internetportale, wie „Hof sucht Bauer“, gegründet.4 Hier können sich junge Landwirte in spe mit älteren Landwirten, die ihren Betrieb übergeben wollen, vernetzen.
Nachwuchssorgen haben Landwirte aber vor allem aus zwei Gründen. Einerseits macht sich wegen der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend Frustration breit. Landwirtschaftliche Themen würden im einen oder anderen Fall verzerrt dargestellt – die Branche sieht sich an den Pranger gestellt, während die politischen Rahmenbedingungen stetig verschärft würden.5 Gegenüber diesen Klagen aus den Bauernverbänden dürfen sich Agrarpolitiker nicht länger verschließen.
Hinzu kommt, dass mit steigenden Pachtpreisen durch Spekulationen von Investoren und die hohe Grunderwerbsteuer das Kapital zum Aufbau oder zur Weiterführung eines landwirtschaftlichen Betriebes immer größer werden muss. Um Grunderwerbsteuer zu vermeiden, werden daher oftmals nicht die Grundstücke selbst, sondern Anteile an grundbesitzenden Unternehmen verkauft. Für diese Share-Deals fällt, wenn nicht mehr als 95% der Anteile am Unternehmen erworben werden, die Grunderwerbsteuer weg. Dies ist für landwirtschaftsfremde Spekulanten angesichts der unklaren Lage auf den Märkten besonders interessant. Gleichzeitig ermöglicht der Erwerb landwirtschaftlicher Flächen über den Anteilserwerb an landwirtschaftlichen Unternehmen die Umgehung der Genehmigungspflicht im landwirtschaftlichen Bodenrecht.
Es ist offensichtlich, dass die politische Förderlandschaft neu ausgerichtet werden muss. Bislang schmücken sich Politiker mit Gründerprogrammen in der „New Economy“ (z.B. Informationstechnologie, Biotechnologie, Multimedia), haben aber die Existenzgründung in der Landwirtschaft sträflich vernachlässigt. Um auch in der Agrar-Branche eine vergleichbare Start-Up-Kultur zu schaffen, wäre eine Grunderwerbsteuerbefreiung für Existenzgründer in der Landwirtschaft eine gute Möglichkeit. Indem Share Deals in der Landwirtschaft nach dem Grund-stücksverkehrsgesetz genehmigungspflichtig gemacht werden, könnten Ausverkauf des Grund und Bodens an Spekulanten gestoppt und Pachtpreise gesenkt werden.
Ein guter Anfang zur Etablierung einer landwirtschaftlichen Start-Up-Kultur war die Stärkung der außerfamiliären Hofübergabe durch Wegfall der Hofabgabeklausel. Allerdings fehlt es hier noch an einer flächendeckenden Rechtsberatung sowie einem zentralen Vermittlungsportal für Hofübergaben außerhalb der Familie. Die Eigeninitiative der Initiatoren von „Hof sucht Bauer“ zeigt, dass man sich in der Branche der neuen Entwicklung anpassen will und auch mit modernen Mitteln arbeiten kann. Hier gilt es entsprechend zu fördern. Die Landesregierung hat im Rahmen des Programms „Exzellenz. Start-Up Center.NRW“ 150 Millionen Euro bereitgestellt, um innovative Ideen aus den Universitäten für Start-Ups zu fördern. Ein entsprechendes Programm mit angemessenem Förderrahmen sollte es auch für landwirtschaftliche Existenzgründungen und Innovationen geben. Die NRW.Bank als Förderbank für Nordrhein-Westfalen sollte dazu günstige Kredite bereitstellen, um Existenzgründungen und Hofübernahmen in der Landwirtschaft zu ermöglichen.
II .Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1. eine attraktive Start-Up-Kultur (wie für die „New Economy“) auch in der Agrarbranche zu etablieren;
2. die Vernetzung zwischen Landwirten und potenziellen Nachfolgern stärker zu fördern;
3. die Grunderwerbsteuer für landwirtschaftliche Existenzgründer zu streichen;
4. Kredite mit niedrigen Zinsen und langer Laufzeit speziell für junge Landwirte bei den landeseigenen Kreditbanken zur Verfügung zu stellen;
5. das Ziel einer Reform der Direkthilfen weiterzuverfolgen, damit die heutigen und künftigen Landwirte gesicherte Erwartungen haben, wenig mit Konditionalitäten belastet werden und den überbordenden Verwaltungsaufwand vermeiden können;
6. die grüne Konditionalität in der zweiten Säule der GAP entsprechend dem Vorschlag des sächsischen Landwirtschaftsministeriums für einen ELER-Reset zurückzunehmen;
7. in der ständigen Produktion neuer und komplexer Vorschriften durch die gesetzgebenden Bürokratien innezuhalten und mit einem Moratorium der Vorschriftenproduktion eine Ruhepause zu schaffen, um die Ertragsmöglichkeiten in der Landwirtschaft zu bilanzieren;
8. der öffentlichen Verunglimpfung von Landwirten als angebliche Hemmnissen des Umweltschutzes entscheidend entgegenzutreten.
Dr. Christian Blex
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion