„Im Namen Allahs – Scharia-Richter für Deutschland?“ – Wie viele afghanische „Scharia-Richter“ befinden sich bereits in NRW?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1565

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 16.03.2023

„Im Namen Allahs – Scharia-Richter für Deutschland?“ – Wie viele afghanische „Scharia-Richter“ befinden sich bereits in NRW?

Wie aus einem vertraulichen Schreiben des deutschen Botschafters in Pakistan an das Auswärtige Amt hervorgeht, wird das freiwillige Aufnahmeprogramm der Bundesregierung, mit dem monatlich bis zu 1000 Afghanen und deren Angehörige nach Deutschland geholt werden sollen, offenbar auch von Islamisten genutzt, um auf diesem Weg nach Deutschland zu gelangen. Auf den Aufnahmelisten, die der deutschen Botschaft in Islamabad vorgelegt werden, sollen sich u.a. sogenannte „Scharia-Gelehrte“ befinden.1

In dem Schreiben eines Diplomaten aus Islamabad an das Auswärtige Amt, das mit dem Titel „Im Namen Allahs – Scharia-Richter für Deutschland?“ überschrieben ist, heißt es:

„Vergabe von Aufnahmezusagen an Absolventen von Koranschulen mit Scharia-Ausbildung passen eindeutig nicht zu den Auswahlkriterien im Rahmen der unterstützten Ausreise. […] Etwa 50 Prozent dieser Gruppe sind nach Erfahrungen der Botschaft keine Richter und Staatsanwälte mit klassischer juristischer Ausbildung sondern Absolventen von Koranschulen, […] d.h. geschult in der Scharia, im religiösen Rechts- und Wertesystem des Islam. Auch weitergehender, radikaler, islamischer Hintergrund nicht auszuschließen. Gefährdung dieser Personen in Afghanistan kaum erklärbar. […] Es ist offensichtlich, dass diese Scharia-Gelehrten von vornherein der freiheitlich demokratischen Grundordnung […] oppositionell, ablehnend bis feindselig gegenüberstehen, denn die Scharia kennt keine Trennung von Staat und Religion. Für Scharia-Gelehrte steht die Scharia als quasi-göttliche Rechtsquelle grundsätzlich über durch Parlamente beschlossenes weltliches Recht.“ Nach dieser gegenüber der Außenministerin offenbar notwendigen Aufklärung in Bezug auf die Gefahren islamistischer Strukturen in Afghanistan, endet der Botschafter mit einer eindringlichen Warnung: „Die Erteilung von Aufnahmezusagen für Scharia-Gelehrte unterstützt die Unterwanderung unserer Rechtsordnung durch islamistische Kreise.“2

Das angeführte Aufnahmeprogramm geht auf eine Initiative der Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sowie der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zurück. Dabei soll es angeblich um Personen gehen, die „sich durch ihren Einsatz für Frauen-/Menschenrechte oder durch ihre Tätigkeit in den Bereichen Justiz, Politik, Medien, Bildung, Kultur, Sport oder Wissenschaft besonders exponiert haben“. Auch Afghanen, die „aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität“ verfolgt werden, soll Schutz gewährt werden.

Prekär ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Vorauswahl der nach Deutschland auszufliegenden Personen in enger Abstimmung mit NGOs getroffen wird, da Deutschland in Afghanistan über keine offizielle Auslandsvertretung mehr verfügt. Neben „Kabul Luftbrücke“3 handelt es sich dabei um die „Neue Richtervereinigung“, den „Deutschen Anwaltsverein“ und „Pro Asyl“. Diese dienen als sogenannte meldeberechtigte Stellen. Die letztgültige Prüfung erfolgt im Anschluss über die deutsche Botschaft in Islamabad.

Spätestens nach der Veröffentlichung der oben angeführten diplomatischen Korrespondenz im CICERO sind diese NGOs namentlich bekannt, können somit folglich auch nicht länger im Verborgenen agieren. Bei der Organisationen „Kabul Luftbrücke“ gibt es Verbindungen zum grünen Europaabgeordneten Erik Marquardt. Pro Asyl fördert nach eigener Aussage die Arbeit von Flüchtlingsräten in den Bundesländern und arbeitet eng mit ihnen zusammen, so auch mit dem Flüchtlingsrat NRW, der regelmäßig eine institutionelle Förderung aus dem Landeshaushalt erhält. Im Vorstand von Pro Asyl finden sich wenig verwunderlich u.a. Vertreter der Kirche, der Wohlfahrtsverbände oder auch der Gewerkschaften.

Wie im CICERO weiter berichtet wird, hat die „Neue Richtervereinigung“ bis zu 700 Gefährdungsanzeigen für angebliche Justizangehörige in Afghanistan gestellt. In diesem Zusammenhang lägen Hinweise vor, „dass die Gefährdungsanzeigen möglicherweise über Mittelsmänner und gegen Geldzahlung verfasst und gestellt wurden“.

Beim Botschafter bestünden oft Zweifel an der tatsächlichen Gefährdung der angeblichen Justizangehörigen. „Eine fundierte juristische Ausbildung, die im Gegensatz zu der in der Koranschule vermittelten Rechtsauffassung steht, ist hier nicht festzustellen“, schreibt er an das Auswärtige Amt. Besonders auffällig sei zudem, dass „die Personengruppe keinerlei Probleme bei der Beschaffung von Dokumenten/Pässen oder Visa für Pakistan hat“.

Bei den Personen, die jeweils mit bis zu zehn Familienangehörigen in die Bundesrepublik wollen, gibt es angeblich in den Akten Vermerke wie „Mullah mit Verbindung zu Taliban“, „Scharia-Richter“ oder „Mullah mit möglichem IS-Bezug“.

Der Botschafter empfiehlt: „Unverzüglich Rücknahme der Zusagen, sofern schon erteilt.“ Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Inwiefern kann die Landesregierung ausschließen, dass in der Vergangenheit über diverse Aufnahmeprogramme des Bundes „Scharia-Gelehrte“ oder andere Islamisten aus Afghanistan nach NRW gelangt sind?
  2. Inwiefern plant die Landesregierung in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Auswärtigen Amt eine Nachüberprüfung bereits eingereister Personen aus Afghanistan, inklusive der „Ortskräfte“ in Bezug auf islamistische Hintergründe?
  3. Inwiefern wird sich die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen, zum Schutz der eigenen Bevölkerung – mindestens bis zu Klärung der im CICERO geschilderten Vorwürfe gegenüber den am Aufnahmeverfahren beteiligten NGOs – Aufnahmeprogramme aus Afghanistan zumindest temporär auszusetzen?
  4. In welchem Umfang plant die Landesregierung – im Rahmen ihrer Zuständigkeit – Rückführungsmaßnahmen potentieller Islamisten/islamistischer Gefährder nach Afghanistan, wenn sich dafür bei einer Nachprüfung gravierende Anhaltspunkte ergeben sollten?

Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. h t t ps : / / ww w . c i ce r o .de/aussenpolitik/bundesaufnahmeprogramm-afghanistan-scharia-richter-baerbock-auswartiges-amt

2 Ebd. Diplomatische Korrespondenz vom 22.02.2023

3 Vgl. h t t ps : / / w w w. c i c er o . de/aussenpolitik/afghanistan-auswartiges-amt-visa-ngo-migration 2


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1565 mit Schreiben vom 26. April 2023 namens der Landesregierung im Ein­vernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Inwiefern kann die Landesregierung ausschließen, dass in der Vergangenheit über diverse Aufnahmeprogramme des Bundes „Scharia-Gelehrte“ oder andere Is-lamisten aus Afghanistan nach NRW gelangt sind?

Die Zuständigkeit für den Einreiseprozess und damit verbundene Verfahren bzgl. der aus Af­ghanistan aufgenommenen Personen liegt bei den Bundesbehörden. Die Personen durchlau­fen die üblichen Verfahren und Abfragen, die in § 73 Abs. 1 AufenthG geregelt sind. Dabei greifen die angefragten Bundessicherheitsbehörden ggf. auch auf Erkenntnisse der nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden zurück. Die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen werden dann bei konkreten sicherheitsrelevanten Bezügen ins Bundesland beteiligt. Die nord­rhein-westfälischen Sicherheitsbehörden haben keine Informationen im Sinne der Anfrage.

  1. Inwiefern plant die Landesregierung in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Auswärtigen Amt eine Nachüberprüfung bereits ein­gereister Personen aus Afghanistan, inklusive der „Ortskräfte“ in Bezug auf is­lamistische Hintergründe?

Nach § 73 Abs. 2 AufenthG können die Ausländerbehörden zur Feststellung von Versagungs-gründen gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG oder zur Prüfung von sonstigen Sicherheitsbedenken vor Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung oder Aufenthaltsge-stattung über das Bundesverwaltungsamt Erkenntnisanfragen zu den betroffenen Personen an die dort genannten Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder stellen. Gemäß § 73 Abs. 3 S. 1 AufenthG teilen die angefragten Sicherheitsbehörden dem Bundesverwaltungsamt unverzüglich mit, ob Versagungsgründe nach § 5 Abs. 4 AufenthG oder sonstige Sicherheits­bedenken vorliegen. Sollten die Sicherheitsbehörden zu einem späteren Zeitpunkt insoweit Erkenntnisse erlangen, gilt während des Gültigkeitszeitraums des Aufenthaltstitels eine Nach-berichtspflicht nach § 73 Abs. 3 S. 2 AufenthG.

  1. Inwiefern wird sich die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen, zum Schutz der eigenen Bevölkerung – mindestens bis zu Klärung der im CICERO geschilderten Vorwürfe gegenüber den am Aufnahmeverfahren betei­ligten NGOs – Aufnahmeprogramme aus Afghanistan zumindest temporär auszu­setzen?

Die Auswahl der Personen für das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan erfolgt durch die Bundesregierung.

Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens und der anschließenden Visumverfahren erfolgt eine Identitäts- und Sicherheitsüberprüfung der schutzsuchenden Personen unter Beteiligung der deutschen Sicherheitsbehörden. Bislang sind auf der Grundlage dieses Aufnahmeprogramms noch keine schutzsuchenden Personen Nordrhein-Westfalen zugewiesen worden.

Aufgrund von vereinzelten Hinweisen auf mögliche Missbrauchsversuche haben die beteiligten Bundesbehörden entschieden, die laufenden Ausreisen weiterer besonders gefährdeter Af­ghaninnen und Afghanen auf allen derzeit genutzten Ausreisewegen vorübergehend auszu­setzen.

  1. In welchem Umfang plant die Landesregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeit Rückführungsmaßnahmen potentieller Islamisten/islamistischer Gefährder nach Afghanistan, wenn sich dafür bei einer Nachprüfung gravierende Anhaltspunkte ergeben sollten?

Eine Rückführung nach Afghanistan ist derzeit faktisch nicht möglich.

 

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