Kleine Anfrage 3795
der Abgeordneten Sven W. Tritschler und Enxhi Seli-Zacharias AfD
Insiderin packt aus: Irritierender Missbrauch beim Programm „Demokratie leben“! Wie sieht es in NRW aus?
Wie aus einem Bericht des Focus1 hervorgeht, werden beim Programm „Demokratie Leben“ auf Bundesebene angeblich auch ohne genaue Prüfung Millionen an Steuermitteln ausgegeben und offenbar verschwendet.
Eine ehemalige Mitarbeiterin der sogenannten Regiestelle berichtet von geringem Interesse bezüglich der genauen Mittelverwendung und -verwaltung. So heißt es: „Wir haben vieles durchgewunken, weil das Ministerium es so wünschte. Da es um hehre Ziele wie Demokratieförderung und den ‚Kampf gegen rechts‘ gegangen sei, habe niemand so genau hingeschaut.“2
Berichtet wird auch über die einseitige Ausrichtung des Programms: Linksextremismus komme quasi nicht vor, obwohl die Zahl linker und rechter Extremisten in Deutschland etwa gleich hoch ist.
Auf Bundesebene werden mehr als 5000 Projekte und Maßnahmen gefördert.
Die ehemalige Mitarbeiterin berichtet, dass so gut wie kein Träger seinen Jahresbericht veröffentliche. Auch die Regiestelle habe lediglich in groben Zügen erfahren, wofür das Geld ausgegeben wird. Für Irritationen sorgten bereits die Bewilligungen: „Die Antragsteller müssten eigentlich zwingend einen Eigenanteil beisteuern. Obwohl das Ministerium diesen mit zehn Prozent bereits extrem niedrig angesetzt habe, wird oft darauf verzichtet. ‚Wenn das Ministerium ein Projekt unbedingt wollte, reichte es, dass der Antragsteller erklärte, dass er sich um weitere Mittel bemüht hat.‘3
Aus einem Bericht des Bundesrechnungshofes vom November 2022 geht hervor, dass bei fast einem Fünftel der untersuchten Projekte den Trägern der Eigenanteil ganz oder teilweise erlassen worden sei. Immer mehr Stiftungen und Vereine würden sich über das Förderprogramm finanzieren. Die Mitarbeiterin führt aus: „Viele Vereine schieben ihre Stellen einfach in die Projekte rein […] Ob ein Mitarbeiter dann für das Projekt oder den Verein arbeitet, kann niemand kontrollieren.“4
Mehr als hundert Vorhaben seien zu angeblichen „Modellprojekten“ erklärt worden. Deren zeitliche Beschränkung würde durch einfache Umbenennungen umgangen. Der Bundesrechnungshof habe zudem in hoher Zahl fehlende bzw. nicht fristgerecht eingereichte Verwendungsnachweise moniert. Ähnlich bedenklich sei der Umgang mit der messbaren Erfolgskontrolle der Projekte.5
Intransparent sei auch das Auswahlverfahren: ‚Über die Projekte entscheiden keine Wissenschaftler,‘ kritisiert sie [die ehemalige Mitarbeiterin] im Rückblick. ‚Es fehlt die kritische Distanz. Ausschlaggebend ist das richtige Weltbild.‘ Hinzu kämen politische Einflussnahmen von außen, insbesondere durch Abgeordnete.“6
Auch im Landeshaushalt NRW sind im Haushaltsjahr 2024 Mittel für das Programm „Demokratie Leben“ vorgesehen. Wie im Vorjahr geht es um einen Betrag in Höhe von 2.920.300 Euro.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche Projekte und Organisationen wurden in den Haushaltsjahren 2022 bis 2023 sowie im aktuellen Haushaltsjahr 2024 im Zusammenhang mit dem Programm „Demokratie Leben“ auf Landesebene gefördert? (Bitte im Detail ausschlüsseln inkl. der jeweiligen Fördersumme)
- Für welche Maßnahmen und Projekte genau wurden die Mittel bewilligt? (bitte einzeln zu den geförderten Projekten und Organisationen ausführen)
- In welcher Form kontrolliert/kontrollierte die Landesregierung die ordnungsgemäße Mittelverwendung, um einen Missbrauch auszuschließen? (bitte einzeln zu den geförderten Projekten und Organisationen ausführen)
- Welche messbaren Erfolge liegen bezüglich der in den Jahren 2022 bis 2023 sowie bisher im Jahr 2024 geförderten Projekte und Organisationen vor? (bitte einzeln zu den geförderten Projekten und Organisationen ausführen)
- In welcher Form wird sich die Landesregierung auf Bundesebene für die Abstellung der im Focus-Artikel geschilderten Missstände im Zusammenhang mit dem Programm „Demokratie Leben“ einsetzen?
Sven W. Tritschler
Enxhi Seli-Zacharias
2 Ebd.
3 Ebd.
4 Ebd.
5 Ebd.
6 Ebd.
Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 3795 mit Schreiben vom 3. Juni 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Welche Projekte und Organisationen wurden in den Haushaltsjahren 2022 bis 2023 sowie im aktuellen Haushaltsjahr 2024 im Zusammenhang mit dem Programm „Demokratie Leben“ auf Landesebene gefördert? (Bitte im Detail aus-schlüsseln inkl. der jeweiligen Fördersumme)
- Für welche Maßnahmen und Projekte genau wurden die Mittel bewilligt? (bitte einzeln zu den geförderten Projekten und Organisationen ausführen)
Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
In den Haushaltjahren 2022 und 2023 wurden in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ jeweils Mittel in Höhe von rund 2,77 Millionen Euro bewilligt, im Haushaltsjahr 2024 beträgt die bewilligte Zuwendung über das Bundesprogramm rund 3,19 Millionen Euro. Von den genannten Summen entfallen im Haushaltjahr 2022 Mittel in Höhe von 433.000 Euro, in den Haushaltjahren 2023 und 2024 Mittel in Höhe von jeweils 454.000 Euro auf unmittelbare Ausgaben des im Ministerium für Kultur und Wissenschaft angesiedelten Landes-Demokratiezentrums.
In der anliegenden Tabelle werden die im Rahmen des Bundesprogramms durch Dritte umgesetzten Projekte/Maßnahmen differenziert nach Haushaltjahr, Projekttitel, Bewilligungszeitraum und den auf das Projekt entfallenen Bundesmitteln aufgelistet. Überjährig bewilligte Vorhaben werden mehrfach, jeweils für das betreffende Förderjahr, genannt.
- In welcher Form kontrolliert/kontrollierte die Landesregierung die ordnungsgemäße Mittelverwendung, um einen Missbrauch auszuschließen? (bitte einzeln zu den geförderten Projekten und Organisationen ausführen)
Die Zuwendungen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ werden nach den Verwaltungsvorschriften zu § 44 der Bundeshaushaltsordnung (VV zu § 44 BHO) geprüft.
- Welche messbaren Erfolge liegen bezüglich der in den Jahren 2022 bis 2023 sowie bisher im Jahr 2024 geförderten Projekte und Organisationen vor? (bitte einzeln zu den geförderten Projekten und Organisationen ausführen)
Die Erfolgskontrolle ist Bestandteil der Verwendungsnachweisprüfung und erfolgt jeweils nach Abschluss des Projekts. Im genannten Zeitraum wurden insgesamt drei Projekte abgeschlossen, die durchgeführte Erfolgskontrolle liefert zu diesen Projekten folgende Ergebnisse:
Haushalts- jahr | Maßnahme/Projekttitel | Ergebnisse Erfolgskontrolle |
2022 | Spotlight – Antifeminismus erkennen und begegnen | – Internetpräsenz zum Projekt
– Umgesetzte Veranstaltungen zur Qualifizierung/Sensibilisie-rung von Multiplikatoren – Ausgebaute Kooperations- und Vernetzungsstrukturen um weitere Akteure – Organisierte und gehaltene Fachvorträge, geführte Fachinterviews – Erstellte Informationsmaterialien – Umgesetzte Online-Umfrage zur Bedarfsermittlung |
2022 | Modellprojekt „Rechtsextre- mismus-, Rassismus- und Antisemitismusprävention in der Hochschulausbildung. Entwicklung und Erprobung eines Lehrangebots“ | – Systematisches Lehrkon-zept/Lehrangebot für die Hoch-schulausbildung (Soziale Ar-beit/ Sozialpädagogik) zu den Themen Rechtsextremismus-, Rassismus- und Antisemitis-musprävention
– Dokumentation zu Ergebnissen der (Selbst-) Evaluation der Lehrveranstaltungen, in denen das Lehrkonzept erprobt/um-gesetzt wurde |
2023 | Gutachten der Zeitschrift „N.S. heute“ | – Wissenschaftliches Gutachten der Zeitschrift „N.S: Heute“
– Publikation der Ergebnisse in Buchform und als Online-Ressource |
- In welcher Form wird sich die Landesregierung auf Bundesebene für die Abstellung der im Focus-Artikel geschilderten Missstände im Zusammenhang mit dem Programm „Demokratie Leben“ einsetzen?
Aus Sicht der Landesregierung besteht hierfür aktuell keine Notwendigkeit.