Kleine Anfrage 4422
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
ISIS-Fahne in der ZUE Solingen, Hinweise auf „Deportation-Warn-App“ vor der ZUE Solingen – Nimmt die zuständige Ministerin dies tatenlos hin?
Mehr als irritierend war im Rahmen der Sitzung des Integrationsausschusses am 04.09.2024 der Umstand, dass Ministerin Paul auch auf mehrmalige Nachfrage nicht auf mögliche Versäumnisse in der ZUE Solingen – im Zusammenhang mit dem späteren Attentäter von Solingen – eingehen wollte. In einem Medienbericht heißt es:
„Demnach beschreiben Personen, die ihn kannten, Al Hasan als einen „Mann, der den ganzen Tag am Handy“ hing und regelrecht „hypnotisiert“ gewesen sei. Im Heim sowie unter seinen Zimmerbewohnern soll der heute 26-Jährige dafür bekannt gewesen sein, „islamistischen Content“ zu konsumieren. […] Wie zudem Augenzeugen berichten, soll es noch im März 2024 zu einem Vorfall gekommen sein, bei dem der Sicherheitsdienst einschreiten musste, weil die Bewohner des Zimmers 255, also besagter H. sowie seine syrischen Mitbewohner […], eine schwarze ISIS-Fahne an die Zimmerwand angebracht hatten. Unklar ist, ob die Heimleitung jemals von dem Vorfall, fünf Monate vor dem islamistischen Anschlag, erfahren hatte.1
Ministerin Paul wollte sich weder in der gemeinsamen Sitzung des Innen- und Integrationsausschusses am 29.08.2024 noch in der Sitzung des Integrationsausschusses am 04.09.2024 zu diesem Umstand äußern. Insbesondere antwortete sie nicht auf wiederholte Fragen der Abgeordneten Seli-Zacharias (AfD), ob und wann sie in dieser Angelegenheit Kontakt mit der Heimleitung in Solingen aufgenommen habe.
Immerhin steht hier der Verdacht der Nachlässigkeit bzw. Fahrlässigkeit im Umgang mit derartigen Verdachtsmomenten, die auf eine eindeutig islamistische Gesinnung schließen lassen, im Raum. Gab es eine Meldung an das Ministerium, an die ZAB, an die Sicherheitsbehörden, oder nicht? Die Klärung dieser Frage erscheint von entscheidender Bedeutung, da sich zu diesem Zeitpunkt der spätere Anschlag noch hätte verhindern lassen. Pikant ist der Umstand, dass sich ausgerechnet die örtliche Diakonie um H. während seiner Zeit in Solingen kümmerte. Haben auch die Mitarbeiter der Diakonie keine Radikalisierung feststellen können, oder haben sie eine Meldung bewusst unterlassen?
Ebenso unbeantwortet blieb bisher die Frage, warum es von Seiten der Heimleitung zugelassen wurde, dass in unmittelbarer Näher der Solinger Unterkunft Werbung durch Aufkleber für eine App gemacht wurde, die vor Abschiebungen warnt.2 Hier stellt sich die Frage, ob auch H. durch diese App gewarnt wurde und insbesondere, wie die Hintermänner dieser App an die Informationen kommen, oder, anders ausgedrückt: wo es einen Maulwurf gibt, der diese sensiblen Daten durchsticht. Ein Aufklärungsinteresse der Ministerin war in beiden Ausschusssitzungen nicht vorhanden. Insbesondere wurde von Seiten der Ministerin auch in diesem Zusammenhang nicht die Frage beantwortet, ob sie zur Klärung des Sachverhalts Kontakt mit der Heimleitung in Solingen aufgenommen habe.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Inwiefern waren der Heimleitung in Solingen bzw. einzelnen Mitarbeitern der Einrichtung oder auch den Mitarbeitern der Diakonie die geschilderten Vorfälle (Radikalisierung des späteren Attentäters, ISIS-Fahne im Zimmer, „Deportation-Warn-App“) bekannt? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, inwiefern derartige Vorfälle generell und im konkreten Fall dokumentiert und weitergeleitet werden, und das entsprechende Protokoll des konkreten Falls der Antwort beifügen)
- Welche Maßnahmen hat der Sicherheitsdienst im konkreten Fall in der Einrichtung unternommen? (Bitte in diesem Zusammenhang angeben, welche Maßnahmen bei den geschilderten drei Vorfällen generell vorgesehen sind und ob im konkreten Fall angemessen reagiert wurde)
- Inwiefern hat die zuständige Ministerin, Josefine Paul, nach Bekanntwerden der Vorfälle in der ZUE Solingen in Bezug auf den späteren Attentäter (Radikalisierungstendenzen und insbesondere ISIS-Fahne im Zimmer) und Hinweisen zu einer Warn-App durch Medienberichte3 am 28.08.2024 sowie nach konkreten Fragen der Abgeordneten Seli-Zacharias (AfD) in den Sitzungen des Integrationsausschusses vom 29.08.24 und 04.09.24 Kontakt mit der Heimleitung aufgenommen, um diesbezüglich Informationen einzuholen? (Bitte Datum und Uhrzeit der Kontaktaufnahme sowie das Ergebnis der Kontaktaufnahme benennen)
- Wann hat die Heimleitung bezüglich der geschilderten drei Vorfälle Kontakt mit dem Ministerium für Flucht und Integration, der zuständigen Zentralen Ausländerbehörde sowie mit den Sicherheitsbehörden – hier insbesondere mit dem Staatsschutz bzw. Innenministerium – aufgenommen? (Bitte auch angeben, in welcher Form auf eine möglicherweise erfolgte Meldung reagiert wurde)
- Wie aus der Pressemeldung hervorgeht, wird die Seite „Deportation Alarm“ von der Gruppierung „No Border Assembly“ betrieben. Genau diese Organisation machte mit Stickern vor der ZUE Solingen auf sich aufmerksam. Zum Netzwerk zählen u. a. der Flüchtlingsrat Berlin und das Bündnis gegen Abschiebungen Münster.4 Mit welchen Maßnahmen begegnet die Landesregierung der Problematik, dass Abschiebetermine offensichtlich durchgestochen und scheinbar mindestens indirekt durch Organisationen weitergegeben werden, die öffentliche Fördermittel erhalten? (Bitte in diesem Zusammenhang angeben, ob auch der Flüchtlingsrat NRW oder andere durch Landesmittel geförderte Organisationen an der Gruppierung „No Border Assembly“ oder Gruppierungen mit einer ähnlichen Agenda beteiligt sind)
Enxhi Seli-Zacharias
2 Vgl. https://www.nius.de/articles/qr-code-klebt-vor-dem-isis-fluechtlingsheim-in-solingen-diese-instagram-seite-warnt-migranten-vor-der-drohenden-abschiebung/515a9aed-6e33-460c-a761-6f60c77a665e
4 Vgl. Netzwerk – No Border Assembly (blackblogs.org)
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4422 mit Schreiben vom 11. November 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.
- Inwiefern waren der Heimleitung in Solingen bzw. einzelnen Mitarbeitern der Einrichtung oder auch den Mitarbeitern der Diakonie die geschilderten Vorfälle (Radikalisierung des späteren Attentäters, ISIS-Fahne im Zimmer, „Deportation-Warn-App“) bekannt? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, inwiefern derartige Vorfälle generell und im konkreten Fall dokumentiert und weitergeleitet werden, und das entsprechende Protokoll des konkreten Falls der Antwort beifügen)
- Welche Maßnahmen hat der Sicherheitsdienst im konkreten Fall in der Einrichtung unternommen? (Bitte in diesem Zusammenhang angeben, welche Maßnahmen bei den geschilderten drei Vorfällen generell vorgesehen sind und ob im konkreten Fall angemessen reagiert wurde)
- Inwiefern hat die zuständige Ministerin, Josefine Paul, nach Bekanntwerden der Vorfälle in der ZUE Solingen in Bezug auf den späteren Attentäter (Radikalisie-rungstendenzen und insbesondere ISIS-Fahne im Zimmer) und Hinweisen zu einer Warn-App durch Medienberichte3 am 28.08.2024 sowie nach konkreten Fragen der Abgeordneten Seli-Zacharias (AfD) in den Sitzungen des Integrationsausschusses vom 29.08.24 und 04.09.24 Kontakt mit der Heimleitung aufgenommen, um diesbezüglich Informationen einzuholen? (Bitte Datum und Uhrzeit der Kontaktaufnahme sowie das Ergebnis der Kontaktaufnahme benennen)
- Wann hat die Heimleitung bezüglich der geschilderten drei Vorfälle Kontakt mit dem Ministerium für Flucht und Integration, der zuständigen Zentralen Ausländerbehörde sowie mit den Sicherheitsbehörden – hier insbesondere mit dem Staatsschutz bzw. Innenministerium – aufgenommen? (Bitte auch angeben, in welcher Form auf eine möglicherweise erfolgte Meldung reagiert wurde)
- Wie aus der Pressemeldung hervorgeht, wird die Seite „Deportation Alarm“ von der Gruppierung „No Border Assembly“ betrieben. Genau diese Organisation machte mit Stickern vor der ZUE Solingen auf sich aufmerksam. Zum Netzwerk zählen u. a. der Flüchtlingsrat Berlin und das Bündnis gegen Abschiebungen Münster. Mit welchen Maßnahmen begegnet die Landesregierung der Problematik, dass Abschiebetermine offensichtlich durchgestochen und scheinbar mindestens indirekt durch Organisationen weitergegeben werden, die öffentliche Fördermittel erhalten? (Bitte in diesem Zusammenhang angeben, ob auch der Flüchtlingsrat NRW oder andere durch Landesmittel geförderte Organisationen an der Gruppierung „No Border Assembly“ oder Gruppierungen mit einer ähnlichen Agenda beteiligt sind)
Die Fragen 1 bis 5 werden wegen des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Es wird auf die bevorstehenden Aufklärungsmaßnahmen in dem „Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Terroranschlag vom 23.08.2024“ verwiesen.
Nach der Rechtsprechung des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs darf die Landesregierung den Landtag bei thematischer Übereinstimmung seiner Anfrage mit dem Untersuchungsauftrag eines unmittelbar bevorstehenden parlamentarischen Untersuchungsaus-schussverfahrens auf die dort stattfindenden Aufklärungsmaßnahmen verweisen.
In der vorliegenden Konstellation ist eine solche thematische Übereinstimmung gegeben. Denn die Kenntnisse von Behörden und Institutionen – auch der städtischen Flüchtlingsunterkunft Solingen – zu der Person des Attentäters, Informationsflüsse zwischen Behörden und anderen Stellen sowie das Thema Rückführungen sollen im Rahmen des „Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Terroranschlag vom 23.08.2024“ aufgeklärt werden (siehe insbesondere Themenkomplex B, Ziffern 1.1-1.31, Themenkomplex A, Ziffern 10 und 6 des Einsetzungsantrags), dessen Einsetzung im kommenden Plenum beschlossen werden soll.