Kleine Anfrage 177
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias vom 19.07.2022
Islamfeindliche Straftaten in NRW im ersten Halbjahr 2022
Eine Anfrage zum Themenkomplex „Islamfeindliche Straftaten“ hat ergeben, dass im Jahre 2021 im KPMD-PMK 110 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund erfasst wurden. Dabei wurden zwei Personen verletzt.1
In 64 Fällen konnte kein Täter ermittelt werden. 53 dieser Fälle wurden der PMK-Rechts zugeordnet.
Das Ziel der Anfrage ist es, die weitere Entwicklung zu beleuchten, insbesondere auch die Einstufung der Fälle, bei denen kein Täter ermittelt werden konnte.
Wir fragen die Landesregierung:
- Wie viele Straftaten mit eindeutig islamfeindlichem Hintergrund wurden im ersten Halbjahr 2022 in Nordrhein-Westfalen verübt? (Bitte nach Ort, Deliktsgruppen und Anzahl der verletzten Personen auflisten)
- Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3319 einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
- In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in den Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln auflisten)
- Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straftaten die eindeutige Einstufung als „islamfeindliche Straftat“ und deren Einordnung in den Phänomenbereich der PMK-Rechts – unter Ausschluss aller anderen möglichen Tatmotive, wenn kein Tatverdächtiger und somit auch kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln begründen, auf Grund welcher Erkenntnisse und Belege man in diesen Fällen zu dieser Einstufung kam)
- Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen bzw. Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr 2022 im Zusammenhang mit islamfeindlichen Straftaten?
Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias
1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/16414
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 177 mit Schreiben vom 15. August 2022 im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.
Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
- den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten;
- sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
- gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.
Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß der §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.
Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.
Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).
Die Erhebung der Fallzahlen für das Jahr 2022 ist noch nicht abgeschlossen, weshalb die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen als vorläufig zu betrachten sind.
- Wie viele Straftaten mit eindeutig islamfeindlichem Hintergrund wurden im ersten Halbjahr 2022 in Nordrhein-Westfalen verübt? (Bitte nach Ort, Deliktsgruppen und Anzahl der verletzten Personen auflisten)
Im ersten Halbjahr 2022 wurden im KPMD-PMK in Nordrhein-Westfalen bislang 44 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund erfasst.
Weitergehende Angaben bitte ich der Anlage zu entnehmen.
- Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3319 einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
Im ersten Halbjahr 2022 wurden zu den in der Antwort auf Frage 1 genannten Fällen bislang 24 Tatverdächtige ermittelt. In keinem der Fälle kam es zu einer Festnahme.
Als Festnahme werden hier statistisch alle bekanntgewordenen polizeilichen Maßnahmen gemäß der §§ 127, 127b Strafprozessordnung erfasst.
Weitere Informationen bitte ich der Anlage zu entnehmen.
- In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in den Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln auflisten)
Im ersten Halbjahr 2022 wurden zu dem Unterbegriff „Islamfeindlich“ folgende Phänomenbereiche erfasst:
Phänomenbereich | geklärt | ungeklärt |
PMK- rechts | 20 | 18 |
PMK- nicht zuzuordnen | 1 | 3 |
PMK- ausländische Ideologie | 0 | 1 |
PMK- links | 0 | 0 |
PMK- religiöse Ideologie | 0 | 1 |
Gesamt | 21 | 23 |
Als geklärt sind die Fälle anzusehen, bei denen ein oder mehrere Tatverdächtige ermittelt werden konnten.
- Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straftaten die eindeutige Einstufung als „islamfeindliche Straftat“ und deren Einordnung in den Phänomenbereich der PMK-Rechts – unter Ausschluss aller anderen möglichen Tatmotive, wenn kein Tatverdächtiger und somit auch kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln begründen, auf Grund welcher Erkenntnisse und Belege man in diesen Fällen zu dieser Einstufung kam)
Der Unterbegriff „Islamfeindlich“ beschreibt in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters die Motivlage.
Die Zuteilung eines Phänomenbereichs erfolgt gemäß den Richtlinien des KPMD-PMK aufgrund einer Einzelfallprüfung unter Beachtung der tatsächlichen Tatmotivation des Täters. Ist kein Täter ermittelt, erfolgt die Zuordnung des Phänomenbereichs unter Würdigung der Umstände der Tat, insbesondere danach, ob Anhaltspunkte vorliegen, welche die Zuordnung zu einem konkreten Phänomenbereich begründen und einen Kausalzusammenhang erkennen lassen.
Ist die Tatmotivation nicht hinreichend erkennbar, wird die Tat in den Phänomenbereich „Nicht Zuzuordnen“ eingeordnet.
Die Begründung der Zuordnung des Phänomenbereichs im jeweiligen Einzelfall kann innerhalb der für die Beantwortung Kleiner Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht mit einem vertretbaren Aufwand erhoben werden.
- Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen bzw. Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr 2022 im Zusammenhang mit islamfeindlichen Straftaten?
Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Straftaten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Zur Beantwortung der Frage hat mir das Ministerium der Justiz mit Schreiben vom 09.08.2022 folgenden Beitrag zur Verfügung gestellt:
„Im ersten Halbjahr 2022 kam es – den Berichten der Generalstaatsanwältin und der Generalstaatsanwälte des Landes zufolge – bei nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften in 86 Fällen zur Einleitung von Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit „islamfeindlichen Straftaten“, in 15 Fällen zur Erhebung der öffentlichen Klage durch Einreichung einer Anklageschrift bzw. Beantragung eines Strafbefehls und in 71 Fällen zur Einstellung der Ermittlungen. Grund für die Einstellung des Verfahrens war in 33 Fällen, dass ein Täter nicht ermittelt werden konnte. In einem Fall erfolgte eine Verurteilung.“