Ist das Stromnetz für den Blackout gerüstet – Wie hoch ist der Bestand an schwarzstartfähigen Kraftwerken in Nordrhein-Westfalen und wie leistungsfähig sind diese?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 279
des Abgeordneten Christian Loose vom 04.08.2022

 

Ist das Stromnetz für den Blackout gerüstet Wie hoch ist der Bestand an schwarzstartfähigen Kraftwerken in Nordrhein-Westfalen und wie leistungsfähig sind diese?

„Als Schwarzstart wird das Anfahren eines Kraftwerks(blocks) bezeichnet, wenn dies unabhängig vom Stromnetz geschieht. Unter Schwarzstartfähigkeit versteht man demnach die Fähigkeit eines Kraftwerks(blocks), unabhängig vom Stromnetz vom abgeschalteten Zustand ausgehend hochzufahren.

Die Schwarzstartfähigkeit ist insbesondere bei einem flächendeckenden Stromausfall von Be­deutung, um das Energienetz wieder in Betrieb zu nehmen. Im Normalfall wird die erforderliche Leistung zum Start einer Energieerzeugungseinheit aus dem Netz entnommen. Die Energie schwarzstartfähiger Erzeugungseinheiten kann dann zum Anfahren nicht-schwarzstartfähiger Erzeugungseinheiten verwendet werden.“1

Führende Mitglieder von Bündnis90/Die Grünen im Deutschen Bundestag plädieren weiter für ein Abschalten der letzten Kernkraftwerke und setzen stattdessen auf zufallsabhängig erzeugten Strom aus insbesondere Wind und Sonne.2 Als Ersatz für Kohle- und Kernkraft­werke sollen über einen „Kohleersatzbonus“ weiterhin Unternehmen dazu gebracht werden, Gaskraftwerke zu bauen.

Durch den Angriffskrieg auf die Ukraine werden die Schwächen dieser Politik immer offensicht­licher. Denn nun stehen nicht nur immer weniger Kohle- und Kernkraftwerke zur Verfügung, sondern es droht ein Mangel an Erdgas, um die Gaskraftwerke zu betreiben.

Hohe fluktuierende Einspeisung durch wetterabhängige Erzeuger in Verbindung mit einem Mangel an grundlastfähigen und regelbaren Kraftwerken führt zu einem Anstieg der Risiken von lokalen oder gar deutschlandweiten Stromausfällen. Insbesondere ein flächendeckender Blackout hätte für die Bevölkerung und für die Tiere in der Landwirtschaft katastrophale Folgen.

Deshalb ist es wichtig, nun vermehrt darauf zu achten, dass bei einem möglichen Blackout wenigstens genügend Kraftwerke zur Verfügung stehen, damit die Netze schnell wieder aufgebaut werden können.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie viele schwarzstartfähige Kraftwerke gibt es in Nordrhein-Westfalen (bitte Anzahl, Leistung und Brennstoffart der Kraftwerke angeben)?
  2. Wie viele dieser Kraftwerke sind derzeit im Regelbetrieb und in der Sicherungs­bereitschaft?
  3. In welchem Zeitraum kann bei einem kompletten Blackout Deutschlands das Netz insoweit wieder aufgebaut werden, dass ein Regelbetrieb möglich ist?
  4. Inwiefern können Windindustrieanlagen und PV-Anlagen den Wiederaufbau des Netzes unterstützen?
  5. Inwiefern hält die Landesregierung eine Aktivierungsfrist von elf Tagen, wie sie für Kraftwerke in der Sicherungsbereitschaft gilt, für ausreichend kurz genug bemessen?

Christian Loose

 

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1 Vgl. https://www.geothermie.de/bibliothek/lexikon-der-geothermie/s/schwarzstartfaehig.html, abgerufen am 02.08.2022.

Vgl. https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100033020/katrin-goering-eckardt-gruene-die-einschraenkungen-sind-nur-der-anfang-.html, abgerufen am 02.08.2022. Auch die NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur lehnt aktuell eine Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken ab, vgl. https://www.welt.de/regionales/nrw/article240165269/Atomkraftwerke-laenger-am-Netz-Neubaur-will-Stresstest-abwarten.html, abgerufen am 02.08.2022.

2 Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ricarda-lang-keinesfalls-wiedereinstieg-in-die-atomkraft-18211842.html, abgerufen am 02.08.2022.


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 279 mit Schreiben vom 24. August 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Übertragungsnetzbetreiber sind gesetzlich für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Stromversorgungssystems in ihrer Regelzone verantwortlich. Dazu zählt auch der Netzwiederaufbau. Gemäß der EU-Verordnung 2017/2196 zur Festlegung eines Netzkodex über den Notzustand und den Netzwiederaufbau des Übertragungsnetzes (NC ER) haben die vier Übertragungsnetzbetreiber Deutschlands einen Systemschutzplan aufgestellt. Der Netzwiederaufbau wird daher zentral aus dem Übertragungsnetz organisiert.

  1. Wie viele schwarzstartfähige Kraftwerke gibt es in Nordrhein-Westfalen (bitte Anzahl, Leistung und Brennstoffart der Kraftwerke angeben)?
  2. Wie viele dieser Kraftwerke sind derzeit im Regelbetrieb und in der Sicherungsbereitschaft?

Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantwortet.

Auf Grundlage des Monitorings nach § 35 EnWG erfasst die Bundesnetzagentur regelmäßig den aktuellen Kraftwerksbestand, darunter auch schwarzstartfähige Anlagen. Bei der Bundesnetzagentur liegt eine vollständige Übersicht vor, einschließlich der von den Anlagenbetreibern als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gekennzeichneten Schwarzstartfähigkeit.

Der für das Übertragungsnetzgebiet in Nordrhein-Westfalen zuständige Übertragungsnetzbetreiber ist im Wesentlichen die Amprion GmbH. Innerhalb des Netzgebietes der Amprion GmbH werden derzeit drei Kraftwerke für den Schwarzstart des elektrischen Energieversorgungssystems in Nordrhein-Westfalen bereitgehalten. Diese befinden sich alle im Regelbetrieb.

Beim überwiegenden Teil der am Übertragungsnetz angeschlossenen schwarzstartfähigen Kraftwerke handelt es sich um Wasserkraftwerke. In Ausnahmefällen kommen auch Erdgas oder Öl als Energieträger zum Einsatz.

Darüber hinaus befinden sich schwarzstartfähige Kraftwerke in einzelnen Verteilnetzen. Diese werden von den zuständigen Verteilnetzbetreibern zur teilweisen Wiederversorgung ihrer Netze bis zum systemweiten Netzwiederaufbau durch die Übertragungsnetzbetreiber eingesetzt.

3. In welchem Zeitraum kann bei einem kompletten Blackout Deutschlands das Netz insoweit wiederaufgebaut werden, dass ein Regelbetrieb möglich ist?

Der Netzwiederaufbau nach einem Blackout hängt sehr stark von der jeweiligen Fallkonstellation ab und ist ein sehr anspruchsvoller Prozess. In günstigen Fällen ist der Netzwiederaufbau innerhalb von 24 Stunden möglich. Das Personal aus den Systemführungen der Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber ist zu regelmäßigen Übungen in Trainingszentren für Betriebspersonal der elektrischen Energieversorgung verpflichtet.

4. Inwiefern können Windindustrieanlagen und PV-Anlagen den Wiederaufbau des Netzes unterstützen?

Inwiefern Energiewandlungsanlagen auf Verteilnetzebene über die Bildung von sogenannten Inselnetzen am Aufbau des Netzbetriebs nach einem Totalausfall des Gesamtsystems unterstützen können, ist seit einigen Jahren bis heute Gegenstand von Projekten und Untersuchungen. An einigen Stellen wurden Konzepte zur Bildung von Inselnetzen auf Verteilnetzeben bereits erfolgreich umgesetzt. An diesen Konzepten sind PV-Anlagen und Windenergieanlagen maßgeblich beteiligt.

5. Inwiefern hält die Landesregierung eine Aktivierungsfrist von elf Tagen, wie sie für Kraftwerke in der Sicherungsbereitschaft gilt, für ausreichend kurz genug bemessen?

Die Aktivierung von Kraftwerksblöcken aus der Sicherheitsbereitschaft hängt insbesondere von der Verfügbarkeit des Brennstoffs, der Inbetriebnahme der verfahrenstechnischen Prozesse und der Reaktivierung des Personals ab. Die Landesregierung hält die dafür angesetzten Zeiten für ausreichend bemessen.

 

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Beteiligte:
Christian Loose