Ist der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, Josefine Paul, der Grundsatz der EU-Freizügigkeit als Arbeitnehmerfreizügigkeit bekannt?

Kleine Anfrage
vom 02.08.2023

Kleine Anfrage 2259

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Ist der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, Josefine Paul, der Grundsatz der EU-Freizügigkeit als Arbeitnehmerfreizügigkeit bekannt?

„Menschen ein gutes Ankommen zu ermöglichen, die aus anderen EU-Ländern nach Nordrhein-Westfalen kommen, und sie hier bestmöglich zu integrieren, ist ein zentrales Anliegen der Landesregierung. 54 Kommunale Integrationszentren (KI) unterstützen mit ihrer Arbeit dieses Ziel in allen kreisfreien Städten und Landkreisen.“ So heißt es eingangs in einer Pressemitteilung des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration vom 03. Juli 2023.1

Diese Einleitung passt dann allerdings nicht zum Rest der Pressemitteilung. Gleich im zweiten Absatz geht es nämlich um das mit jährlich 5,5 Mio. geförderte Programm für 35 Kommunen, in die besonders viele Menschen aus Südosteuropa zuwandern.

Es geht also um Menschen aus Südosteuropa und nicht, wie eingangs insinuiert, um alle EU-Bürger.

Integrationsministerin Josefine Paul wird im Rahmen der Pressemitteilung wie folgt zitiert: „Viele der Menschen aus den EU-Staaten im Südosten Europas verlassen ihre Heimatländer, weil sie dort kaum Zugang zu Bildung und Arbeit haben und häufig diskriminiert werden. Um ihnen das Ankommen und die Integration hier bei uns zu erleichtern, haben wir als Landesregierung das Förderprogramm ,Zuwanderung aus Südosteuropa‘ in diesem Jahr ausgeweitet. Ich freue mich, dass es so gut angenommen wird und einen positiven Effekt für die Menschen hat.“

Auch hier wird vermischt, was nicht zusammengehört. Die EU-Freizügigkeit dient eben nicht dazu, einer Diskriminierungserfahrung auszuweichen. Zudem beinhaltet diese Aussage selbst auch eine diskriminierende Unterstellung gegenüber – obwohl nicht namentlich erwähnt, aber trotzdem gemeint – den EU-Ländern Rumänien und Bulgarien, was uns nicht zustehen sollte. Schließlich gibt es bei einem fehlenden Zugang zu Bildung und Arbeit Probleme mit der EU-Freizügigkeit. Das gilt insbesondere auch für die Vermittlung zu Anlaufstellen bei Fragen zur Krankenversicherung oder zu medizinischer Versorgung (Stichwort: Clearingstellen).

Wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist, soll es den beteiligten Kommunen durch das Programm erstmals ermöglicht werden, neben unter anderem Sachkosten wie Miete auch die Qualifizierung von Personal für die Arbeit mit der Zielgruppe aus den Mitteln des Förderprogramms zu finanzieren. Ein weiterer Fokus der neuen Förderphase liege auf Maßnahmen zum Abbau von Antiziganismus beziehungsweise Antiromaismus in Institutionen und Gesellschaft.

Insbesondere die Regelungen in Bezug auf nicht erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 Freizügigkeitsgesetz EU scheinen bei allen Überlegungen der Landesregierung keine Berücksichtigung zu finden. Danach liegt das Recht auf Freizügigkeit für diesen Personenkreis nur vor, wenn diese über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. In der Verwaltungsvorschrift werden die Voraussetzungen weiter konkretisiert. Insbesondere können die Ausländerbehörden 3 Monate nach der Einreise die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen der Freizügigkeitsrechts und somit auch den Nachweis ausreichender Existenzmittel verlangen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Neben Rumänien und Bulgarien gibt es 24 weitere EU-Staaten. Zu bzw. von all diesen Staaten gibt es Wanderungsbewegungen. Welche speziellen Programme, analog zum oben aufgeführten Programm, gibt es für Staatsbürger dieser 24 Staaten? (Bitte die speziellen Programme listen inkl. der jeweiligen Fördersummen)
  2. Wie oft wurde im Jahr 2022 und bisher im Jahr 2023 bei nicht erwerbstätigen Unionsbürgern geprüft, ob die Bedingungen gem. §4 Freizügigkeitsgesetz/EU erfüllt sind?
  3. In wie vielen dieser Fälle ergab die Überprüfung, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, was gem. § 6 Freizügigkeitsgesetz/EU grundsätzlich zu einem Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt führt? (Bitte nach Herkunftsland und Anzahl differenziert listen)
  4. Inwiefern tragen nach Ansicht der Landesregierung zusätzliche Mittel – auch aus diesem Topf – für die Antidiskriminierungsarbeit im Sinne des Programms dazu bei, die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Personen weiter zu erhöhen? (Bitte in diesem Zusammenhang die Träger und die anteilige Höhe der Fördersumme für diese Projekte benennen)
  5. Nach welchen tatsächlich messbaren Kriterien bemisst sich nach Ansicht der Landesregierung der Erfolg bzw. Misserfolg des oben erwähnten Förderprogramms mit einem jährlichen Volumen von 35 Mio. Euro?

Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. https:// www .land.nrw/pressemitteilung/nordrhein-westfalen-baut-erfolgreiches-foerderprogramm-fuer-kommunen-mit


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 2259 mit Schreiben vom 23. August 2023 namens der Landesregierung beant­wortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Mit dem Förderprogramm „Zuwanderung aus Südosteuropa“ unterstützt die Landesregierung Kreise und kreisfreie Städte, die Zuzüge vieler Menschen aus Südosteuropa verzeichnen. Das laufende Programm hat ein jährliches Volumen von 5,5 Millionen Euro. Die Fördermittel erhal­ten die Landkreise und kreisfreien Städte über ihr jeweiliges Kommunales Integrationszentrum.

Ziele des Förderprogramms sind die Unterstützung der Neuzugewanderten bei der Orientie­rung in der Kommune sowie die Heranführung an Regelangebote, die Verbesserung ihres all­gemeinen Bildungsniveaus und der Arbeitsmarktperspektiven, die Verbesserung der Teilhabe der Neuzugwanderten am Wohnungsmarkt, die Stärkung ihrer Selbstorganisation und Selbst­hilfepotenziale sowie die Vermittlung von Wissen über Politik und Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen.

Die Förderung umfasst Kommunen mit einem hohen Anteil von Personen aus den EU-Staaten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Un­garn und Zypern, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen. Zudem werden auch Kommunen mit einem hohen Anteil von Personen aus der Zielgruppe unterstützt, die in prekären Wohnverhältnissen leben oder unter prekären Bedingungen arbei­ten.

  1. Neben Rumänien und Bulgarien gibt es 24 weitere EU-Staaten. Zu bzw. von all diesen Staaten gibt es Wanderungsbewegungen. Welche speziellen Programme, ana­log zum oben aufgeführten Programm, gibt es für Staatsbürger dieser 24 Staaten? (Bitte die speziellen Programme listen inkl. der jeweiligen Fördersummen)

Viele Maßnahmen der nordrhein-westfälischen Landesregierung zur Verbesserung der Integ-rations- und Teilhabechancen stehen grundsätzlich allen Zugewanderten und Menschen mit internationaler Familiengeschichte offen, die in Nordrhein-Westfalen leben. Auf Grundlage integrationspolitischer Analysen werden auch zielgruppenspezifische Programme wie z.B. für Frauen, Jugendliche, junge Erwachsene, Seniorinnen und Senioren, Geduldete oder Gestat­tete umgesetzt, um sie systematisch zu unterstützen. Spezielle Programme für die abgefragten 24 EU-Staaten gibt es nicht.

  1. Wie oft wurde im Jahr 2022 und bisher im Jahr 2023 bei nicht erwerbstätigen Uni­onsbürgern geprüft, ob die Bedingungen gem. §4 Freizügigkeitsgesetz/EU erfüllt sind?
  2. In wie vielen dieser Fälle ergab die Überprüfung, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, was gem. § 6 Freizügigkeitsgesetz/EU grundsätzlich zu einem Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt führt? (Bitte nach Herkunftsland und An­zahl differenziert listen)

Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

In der für das Freizügigkeitsrecht maßgeblichen Datenbank, dem Ausländerzentralregister, werden keine Daten zu Prüftätigkeiten der Ausländerbehörden oder bezüglich der Aberken­nung der EU-Freizügigkeit erfasst. Eine sonstige standardisierte Erfassung solcher Daten er­folgt ebenfalls nicht.

  1. Inwiefern tragen nach Ansicht der Landesregierung zusätzliche Mittel auch aus diesem Topf für die Antidiskriminierungsarbeit im Sinne des Programms dazu bei, die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Personen weiter zu erhöhen? (Bitte in diesem Zusammenhang die Träger und die anteilige Höhe der Förder­summe für diese Projekte benennen)

Zielsetzung des Programms ist, die Teilhabe und Integration der Menschen aus der Zielgruppe zu unterstützen. Auch Personen, die einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen, jedoch unter prekären Bedingungen arbeiten, sind Zielgruppe des Förderprogramms. Zu einer erfolgreichen Integration gehört neben Sprachkenntnissen und einer gesicherten Wohnsitua­tion auch die Arbeitsmarktintegration. Die Maßnahmen mit Zielsetzung Antidiskriminierung / Antiziganismus bilden einen Baustein des Förderprogramms. Sie sollen dazu beitragen, Vor­urteile gegenüber der Zielgruppe – auch bei potenziellen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie Lehrpersonal in Bildungsinstitutionen – abzubauen und so den Menschen aus der Ziel­gruppe zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu verhelfen.

  1. Nach welchen tatsächlich messbaren Kriterien bemisst sich nach Ansicht der Lan­desregierung der Erfolg bzw. Misserfolg des oben erwähnten Förderprogramms mit einem jährlichen Volumen von 35 Mio. Euro?

Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

 

MMD18-5526