Kleine Anfrage 4281des Abgeordneten Dr. Christian Blex vom 03.09.2020
Jakobs-Kreuzkraut im Vormarsch – Die „gelbe Gefahr“ in Nordrhein-Westfalen! Warum bleibt die Landesregierung untätig?
Das Jakobs-Kreuzkraut blüht im Sommer gelb und mutet ansehnlich an. Doch dieses Kraut ist sehr giftig. Der Kontakt mit seinen Inhaltsstoffen kann Menschen und Tiere töten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt in diesem Zusammenhang auch vor Leberkrebs.
Landwirte, Pferdehalter und Imker schlagen Alarm. Die Giftpflanze wächst seit Jahren ungebremst in Nordrhein-Westfalen und breitet sich weiterhin ungehindert aus. Sie findet sich häufig auf Wiesen und Feldern. Wie häufig, ist allerdings unbekannt. Eine Anfrage des Nachrichtendienstes t-online bei den zuständigen Landwirtschaftskammern hat ergeben, dass es keine gesicherten Zahlen über die Ausbreitung des Jakobs-Kreuzkrauts in Nordrhein-Westfalen gibt.1
Andere Bundesländer, wie etwa Baden-Württemberg, führen zwar ebenfalls kein systematisches Monitoring, sind jedoch in der Lage, Hauptverbreitungsgebiete dieser gefährlichen Pflanze zu definieren. Auch informieren die Behörden in den betroffenen Regionen auf breiter Basis über die Gefährlichkeit des Jakobs-Kreuzkrauts und anderer Kreuzkräuter.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Welche Giftpflanzen sind in Nordrhein-Westfalen weit verbreitet?
- Wo kommen diese Giftpflanzen (insbesondere gegen Jakobs-Kreuzkraut) am häufigsten vor? Bitte Region und Flächennutzungsart angeben.
- Was unternimmt die Landesregierung gegen die Ausbreitung von gefährlichen Giftpflanzen (insbesondere gegen das Jakobs-Kreuzkraut)?
- Wie stellt die Landesregierung sicher, dass Giftpflanzen (wie das Jakobs-Kreuzkraut) nicht als Tierfutter für Pferde verwertet werden?
- Was würde eine Erhebung bei Landwirten kosten, um gesicherte Zahlen über die Ausbreitung der Giftpflanzen (insbesondere über das Vorkommen des Jakobs-Kreuzkrauts) zu bekommen?
Dr. Christian Blex
Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4281 mit Schreiben vom 24. September 2020 namens der Landesregierung beantwortet.
1. Welche Giftpflanzen sind in Nordrhein-Westfalen weit verbreitet?
Viele heimische Pflanzen enthalten in Blättern, Blüten, Früchten und/oder unterirdischen Teilen Giftstoffe. Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat für die häufigsten Pflanzenarten eine Bewertung vorgenommen. https://www.bfr.bund.de/cm/350/risiko-pflanze-einschaetzung-und-hinweise.pdf
Das BfR kommt zu dem Ergebnis, dass „es in Westeuropa nur sehr wenige wirklich giftige Pflanzen“ gibt, und dass „Die Erfahrungen aus der systematischen Dokumentation in Giftinformationszentren zeigen, dass Pflanzen die Gesundheit meist nur geringfügig beeinträchtigen“. Von den vom BfR gelisteten Arten sind in Nordrhein-Westfalen folgende Arten weit verbreitet:
Wissenschaftlicher Name |
Deutscher Name |
Verbreitungs- schwerpunkte |
Haupt Nutzungsart |
Arum maculatum | Aronstab | alle Großlandschaften | Wälder |
Atropa bella-donna | Echte Tollkirsche | IV, V | Stauden- und ausdauernde Unkrautfluren |
Bryonia dioica | Rotfrüchtige Zaunrübe |
I, II, V | Stauden- und ausdauernde Unkrautfluren |
Colchicum autumnale |
Herbst-Zeitlose | IV, V, VI | Grünland |
Convallaria majalis | Maiglöckchen | alle Großlandschaften | Wälder, Gärten |
Digitalis purpurea | Roter Fingerhut | alle Großlandschaften | Stauden- und ausdauernde Unkrautfluren, Wälder, Gärten |
Euonymus europaeus |
Gewöhnliches Pfaffenhütchen | alle Großlandschaften | Wälder, Hecken |
Euphorbia cyparissias |
Zypressen- Wolfsmilch |
I, II, V, VI | Wälder, Offenland |
Frangula alnus | Faulbaum | alle Großlandschaften | Moore, Wälder, Hecken |
Hedera helix | Gewöhnlicher Efeu | alle Großlandschaften | Wälder, Friedhöfe, Gärten |
Heracleum
mantegazzianum |
Riesen-Bärenklau | alle Großlandschaften | Stauden- und ausdauernde Unkrautfluren |
Ilex aquifolium | Europäische Stechpalme | alle Großlandschaften | Wälder, Friedhöfe, Gärten |
Ligustrum vulgare | Liguster | alle Großlandschaften | Wälder, Hecken, Gärten |
Lonicera xylosteum | Rote Heckenkirsche | II, III, IV, V, VI | Wälder, Gärten |
Prunus
laurocerasus |
Kirschlorbeer | Keine Angabe möglich |
Gärten, Parks, Friedhöfe |
Ranunculus sceleratus | Gift-Hahnenfuß | I, II, III, IV | Schlammfluren |
Rhamnus cathartica | Purgier-Kreuzdorn | I, II, IV, V | Wälder, Gebüsche |
Sarothamnus scoparius | Besenginster | alle Großlandschaften | Wälder, Gebüsche |
Senecio jacobaea | Jakobs-Kreuzkraut | alle Großlandschaften | Grünland, Säume, Brachen |
Solanum dulcamara | Bittersüßer Nachtschatten |
alle Großlandschaften | Stauden- und ausdauernde Unkrautfluren |
Viburnum lantana | Wolliger Schneeball | II, III, V | Hecken, Gärten |
Viburnum opulus | Gewöhnlicher Schneeball |
alle Großlandschaften | Hecken, Wälder |
Abgrenzung der Großlandschaften:
I Niederrheinisches Tiefland
II Kölner Bucht (Niederrheinische Bucht)
III Westfälische Bucht u. Westfälisches Tiefland
IV Weserbergland
V Eifel und Siebengebirge
VI Süderbergland
2 Wo kommen diese Giftpflanzen (insbesondere gegen Jakobs-Kreuzkraut) am häufigsten vor? Bitte Region und Flächennutzungsart angeben.
Die obige Tabelle enthält für die in Nordrhein-Westfalen verbreiteten Arten Angaben zur Verbreitung auf Ebene der Großlandschaften sowie die Angabe der Hauptnutzungsarten.
Das Jakobs-Kreuzkraut ist eine heimische Grünlandpflanze und auch in Nordrhein-Westfalen immer Bestandteil des Grünlandes gewesen, wie die Auswertung von Vegetationsaufnahmen der landwirtschaftlichen Standortkartierung Nordrhein-Westfalen aus den 1950-er bis in die 1990-er Jahre zeigt. Im Verlauf der letzten zehn Jahre ist es zu einer Zunahme vor allem auf Brachen, auf Bauerwartungsland, im Straßenbegleitgrün sowie an Bahndämmen aber auch auf Dauergrünland bei nicht aufwuchsangepasster Grünlandextensivierung gekommen. Laut Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Nordrhein-Westfalen (LÖBF, 2003) ist das Jakobs-Kreuzkraut in Nordrhein-Westfalen insgesamt fast flächendeckend verbreitet. Verbreitungsschwerpunkte sind wegen der Ausbreitungs- und Populationsdynamik nur schwer festzulegen. In den beschriebenen Biotopen ist landesweit mit einem Auftreten zu rechnen.
3. Was unternimmt die Landesregierung gegen die Ausbreitung von gefährlichen Giftpflanzen (insbesondere gegen das Jakobs-Kreuzkraut)?
Bereits im Jahr 2016 hat die Landesregierung die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) beauftragt, Handlungsanweisungen und Informationen zur Bekämpfung des Jakobs-Kreuzkrauts zu erarbeiten. Diese wurden auf den Internetseiten der beiden Institutionen veröffentlicht und darüber hinaus den kommunalen Spitzenverbänden sowie dem Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen zur Information, Beachtung und Veröffentlichung in ihren (Online-) Medien übermittelt. Die Handlungsanweisungen stehen auf der Internetseite des LANUV (https://www.lanuv.nrw.de/natur/mensch-und-natur/) zum Download zur Verfügung. Weitere Informationen sind auf der Homepage der Landwirtschaftskammer NRW unter https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/ackerbau/gruenland/jakobskreuzkraut. htm zu finden. Darüber hinaus werden landwirtschaftliche Betriebe regelmäßig jedes Jahr über die Gefahren des Jakobs-Kreuzkrauts und Bekämpfungsmöglichkeiten in den Landwirtschaftlichen Wochenblätter informiert.
Über Information und Beratung hinaus gibt es für die Landesregierung mangels Rechtsgrundlage keine Möglichkeit, gegen die Ausbreitung des Jakobs-Kreuzkrautes tätig zu werden. Eine solche Möglichkeit besteht allenfalls dann, wenn es sich bei den Giftpflanzen um Arten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten handelt. Auch Kommunen können im Rahmen des Ordnungsrechts Beseitigungsmaßnahmen zur Abwehr unmittelbarer Gefahren für die menschliche Gesundheit (wie z.B. der Herkulesstaude an Spielplätzen o.ä.) veranlassen. Bereits seit 2007 ermöglicht eine Erlassregelung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW eine Bekämpfung von Problempflanzen wie Jakobs-Kreuzkraut auf Förderflächen im Vertragsnaturschutz, wenn von diesen eine Gefahr für Mensch oder Tier ausgehen könnte.
4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass Giftpflanzen (wie das Jakobs-Kreuzkraut) nicht als Tierfutter für Pferde verwertet werden?
Die Kontamination von Heu oder Grassilage mit Jakobs-Kreuzkraut kann ein ernstzunehmendes Risiko für die Tiergesundheit darstellen. Verantwortlich für die Sicherheit von Futtermitteln ist nach europäischen Hygienerecht derjenige, der die Futtermittel erzeugt und in den Verkehr bringt bzw. verfüttert (Artikel 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen an das Lebensmittelrecht). Auch wenn gesetzlich keine konkreten Höchstgehalte für Jakobs-Kreuzkraut und dessen Bestandteilen in Futtermitteln festgelegt sind, gelten Futtermittel grundsätzlich als „nicht sicher“, wenn derartige Verunreinigungen vorliegen. Nicht sichere Futtermittel dürfen nicht in den Verkehr gebracht oder an Tiere verfüttert werden.
Wächst Jakobs-Kreuzkraut im Weideland, so sorgen Bitterstoffe in den Pflanzen dafür, dass Weidetiere diese nur äußerst ungern aufnehmen. Ist das Jakobs-Kreuzkraut gemäht, werden die Bitterstoffe in der Pflanze abgebaut, die giftigen Pyrrolizidinalkaloide bleiben jedoch erhalten. Bei der Aufnahme von Heu oder Silage können die Tiere aufgrund der abgebauten Bitterstoffe nicht mehr selektieren. Ein Bestand im Weideland ist dann problematisch, wenn dieser flächenmäßig so groß ist, dass den Tieren kein alternatives Futter mehr zur Verfügung steht oder der alternative Aufwuchs aufgrund eines zu hohen Besatzes kurz gefressen ist.
Die für die Futtermittelüberwachung zuständigen Behörden in Nordrhein-Westfalen (Kreise und kreisfreien Städte, LANUV) kennen die Problematik und berücksichtigen diese im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit. In diesem Jahr werden in einem Programm stichprobenweise die Belastungen von Heu und Grassilagen von extensivem Weideland auf Jakobs-Kreuzkraut und deren Bestandteilen sowie auf Pyrrolizidinalkaloide hin überprüft.
5. Was würde eine Erhebung bei Landwirten kosten, um gesicherte Zahlen über die Ausbreitung der Giftpflanzen (insbesondere über das Vorkommen des Jakobs-Kreuzkrauts) zu bekommen?
Hierzu liegen der Landesregierung keine Zahlen vor. Eine ausschließliche Erhebung bei den Landwirtinnen und Landwirten würde zur Beurteilung auch nicht ausreichen, da sich die Ausbreitung nicht auf landwirtschaftliche Flächen beschränkt, sondern auch über Straßenbegleitgrün, Böschungen, Brachflächen und Bahndämme erfolgen kann. Um die Ausbreitung sicher abbilden zu können, müsste darüber hinaus eine mehrjährige Erhebung erfolgen, u.a., weil z.B. Jakobs-Kreuzkraut erst im 2. Standjahr blüht.