Jede Rasse hat Klasse – Kriminalisierung von Hunden endlich beenden! Es braucht dringend eine Reform des Landeshundegesetzes

Antrag
vom 06.11.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

Jede Rasse hat Klasse Kriminalisierung von Hunden endlich beenden! Es braucht dringend eine Reform des Landeshundegesetzes

I. Ausgangslage

Die Hundehaltung erfreut sich in Nordrhein-Westfalen großer Beliebtheit. Offiziell waren im Bundesland zum Stichtag 31.12.2022 976.541 Hunde gemeldet.1 Zu diesen dürften weitere zehn- bis hunderttausende nicht angemeldete Tiere kommen, wie Behörden schätzen. Die Zahl der Hunde in NRW liegt also bei deutlich mehr als einer Million Tiere.

Mit der Zahl der Hunde haben sich auch die Hundebisse erhöht, wie der Landeshundestatistik zu entnehmen ist. Der Gesetzgeber hat in NRW im Jahr 2003 mit dem Landeshundegesetz eine umfassende rechtliche Regelung der Hundehaltung vorgenommen. Das Gesetz ist vor dem Hintergrund der Vorfälle in Hamburg am 26.06.2020 zu sehen. Dort war ein sechsjähriger Junge auf einem Spielplatz von zwei Pitbull-Mischlingen attackiert und getötet.2

Die Regelungen des Landeshundegesetzes mit Bezug zur Rasseliste stehen nach einem Ur­teilsspruch des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich stets unter dem Vorbehalt der Vor­läufigkeit (BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 – Az. 1 BvR 1778/01). Dies gilt auch noch, nach­dem der § 22 des LHundG NRW am 20. September 2016 aufgehoben wurde, da die nach fünf Jahren ab Erlass des Gesetzes erforderliche Evaluation durch die damalige Landesregierung am 19. November 2008 (Vorlage 14/2232) erfüllt worden war.

Konkret ist die Landesregierung dazu angehalten, folgende Aspekte jährlich durch die Lan-deshundestatistik zu evaluieren:3

–           Zahl der gehaltenen erlaubnispflichtigen Hunde, differenziert nach den in § 3 Absatz 2 und § 10 Absatz 1 bestimmten Rassen und deren Kreuzungen,

–           Entscheidungen nach § 3 Absatz 3 Satz 2,

–           Zahl der angezeigten großen Hunde differenziert nach Rassen,

–           – Zahl der eingeleiteten und abgeschlossenen Ordnungswidrigkeitsverfahren jeweils in Zuordnung zu der Hundekategorie und Bezeichnung des Verstoßes (Nummer von § 20 Absatz 1),

–           Beißvorfälle differenziert nach Rassen,

–           sonstige Vorfälle.

Mit Blick auf die Landeshundestatistik zeigt sich jedoch, dass nicht alle der Voraussetzungen erfüllt werden. So erfolgt etwa keine genaue Auflistung der an Beißvorfällen beteiligten Hun­derassen, vielmehr erfolgt bei Großen Hunden (§ 11) eine Subsumption zahlreicher Rassen unter der Kategorie „Sonstige große Hunde“. Die Landesregierung kommt hier also ganz klar nicht ihren Pflichten nach.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass eine Reform des LHundG NRW seit Erlass des Gesetzes vor mehr als zwei Jahrzehnten bisher nicht erfolgt ist – ohne die notwendigen Zahlen kann auch keine genaue Evaluation erfolgen. Die Landesregierung befindet sich daher auch nicht auf der Höhe der wissenschaftlichen Forschung zur Frage der Gefährlichkeit bestimmter Hunde aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit.

Diese Einteilung stellt einen grundsätzlichen Mangel des LHundG NRW dar, der konträr zu allen wissenschaftlichen Erkenntnissen steht.4 Auch in anderen Bereichen scheint die Landes­regierung mit aktuellen Entwicklungen nicht Schritt halten zu können. So sind in den vergan­genen Jahren immer wieder neuartige Rassen nach Deutschland gelangt, die sich auf keinerlei Liste – weder nach §3 noch nach §10 LHundG NRW – finden lassen. Cane Corso und Kangal sind nur zwei solcher Rassen, die das Potenzial haben, anstelle gelisteter Hunde ersatzweise erworben zu werden, da für sie nur die 20/40-Regel gilt. Sie verfügen phänotypisch und ras­senpsychologisch über vergleichbare Eigenschaften wie die gelisteten Rassen und wären demnach als ebenso gefährlich einzustufen. Bedingt durch die geltende Rechtslage sind sie aber einfacher zu erwerben und zu halten. Damit bieten diese Rassen eine gute Möglichkeit, die Hürden der Rasseliste zu umgehen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob dann die Rasseliste je nach Gemütslage durch die Landesregierung beliebig erweitert wird.

Insbesondere die Arbeitsrasse des türkischen Kangals, welcher nicht auf der NRW-Rasseliste gelistet ist, stellt ein Paradoxon in dieser Debatte dar. Diese Rasse findet zunehmend Verbrei­tung in NRW und stellt aufgrund des sehr spezifischen rassephänotypischen Habitus eine be­sondere Herausforderung in unserem Lebensraum dar. So wurde im Jahr 2022 in NRW ein Kangal-Mischling durch die Polizei erschossen, nachdem das Tier sich von der Leine gerissen und wahllos Personen attackiert hatte.5 Durch eine mangelnde Regelung des Zugangs zu sol­chen Arbeitsrassen, die schlicht nicht für die heimische Haltung geeignet sind, entstehen also Gefahren für die Allgemeinheit. Gerade hier besteht dringender neuer Regelungsbedarf durch die Landesregierung, der durch ein mehr als 20 Jahre altes Gesetz wie das LHundG NRW nicht abgedeckt wird.

Darüber hinaus droht neues Unheil mit einer weiteren Entwicklung: In NRW sind Mischlings-Exemplare aus Wölfen und Hunden aufgetaucht. Diese als Wolfshybride apostrophierten Tiere bringen ganz eigene Herausforderungen mit sich, können aber nach derzeitigem Rechtsstand durch Privatpersonen gehalten werden, wenn es sich mindestens um F5-Mischlinge handelt; bei diesen ist die Abstammung vom Wolf durch vier Generationen der Verkreuzung mit Haushunderassen aufgeweicht.6 Trotz dieser weiten genetischen Entfernung vom eigentlichen Wolf warnen Verbände dennoch massiv vor der Haltung dieser Hybriden. Sie seien auch durch erfahrene Hundehalter kaum kontrollierbar und hätten daher in Privathaushalten keinen Platz.7 All diese Entwicklungen zeigen, dass die Bewertung der Hundehaltung in NRW eingehend analysiert und bei Bedarf optimiert werden muss.

Auch haben sich die zu beantwortenden Fragen, die mit der Hundehaltung verbunden sind, allein schon durch die Verbreitung ganz neuer Rassen multipliziert und verändert. Eine Refor­mierung des LHundG NRW ist daher dringend geboten.

Dass eine solche Reform sowohl gangbar als auch vorteilhaft ist, haben mit Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen mehrere Bundesländer bereits gezeigt. Konkret wurde in diesen Bundesländern die Rasseliste abgeschafft und eine Einzelfallregelung im Gesetz be­lassen. Diese erlaubt es, einzelne Hunde nach eingehender Prüfung zu gefährlichen Hunden zu erklären. Für diese gelten dann die entsprechenden verschärften Auflagen in der Haltung, die bereits für Hunde der Rasseliste gelten. Die Einzelfallregelung bietet damit die beiden Vor­teile, dass sie nicht ex ante bestimmte Rassen diskriminiert und gleichzeitig die Sanktionierung einzelner gefährlicher Exemplare ermöglicht. Eine solche Regelung bietet sich auch für Nord­rhein-Westfalen an.

Damit würde auch dem Flickenteppich Abhilfe geschaffen, der derzeit in Deutschland besteht. Während drei Länder gar keine Liste führen, differieren in den übrigen Bundesländern die in solchen Listen aufgeführten Rassen. Der Dobermann etwa ist nur in Brandenburg als gefähr­liche Rasse angesehen, deren Gefährlichkeit aber durch einen Wesenstest widerlegt werden kann. Der Bullterrier hingegen ist in den Bundesländern Berlin, Bremen, Brandenburg, Hes­sen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Brandenburg, Hamburg und Nord­rhein-Westfalen als gefährliche Rasse angesehen. In Baden-Württemberg und Bayern hinge­gen kann durch einen Wesenstest eine Befreiung der Auflagen erreicht werden. Zahlreiche weitere Beispiele und dadurch belegbare Inkonsistenzen ließen sich leicht anführen. Das Er­gebnis ist eine nicht erfassbare Wirkung der Listen.

Darüber hinaus kann auch durch die Anpassung von Bußgeldern bei Ordnungswidrigkeiten nach §20 LHundG NRW eine Steuerungswirkung erzielt werden. Wie die Antwort der Landes­regierung auf die Große Anfrage 18 der AfD-Fraktion (Drucksache Nr. 18/9043 vom 25.04.2024) gezeigt hat, kam es in den Jahren 2017 bis 2023 jeweils zu mehreren Hundert Ordnungswidrigkeiten. Dabei waren Hunde bisher noch als gefährlich geltender Rassen nicht überrepräsentiert. In der Landeshundestatistik von 2022 etwa weist der Dogo Canario bei Beißvorfällen mit Verletzung beim Menschen einen Wert von 2,515 pro Hundert auf, während der Wert bei den als gefährlich geltenden Rassen Staffordshire Bullterrier bei 1,034, beim Pit-bull Terrier bei 0,573, beim American Staffordshire Terrier bei 0,205 und beim Bullterrier sogar bei 0,00 liegt. Im Durchschnittliegt der Wert für alle diese Arten und Kreuzungen von und mit ihnen bei 0,243.8 Durch eine Erhöhung der Bußgelder bei konkreten Verstößen und insbeson­dere bei sich wiederholenden Vorfällen könnten hier die verantwortungslosen Halter durch empfindliche Strafzahlungen zivilisiert werden.

Die vorgeschlagenen Änderungen sind von elementarer Wichtigkeit, um die Hundehaltung in NRW zur regulieren. In einer zunehmend vereinsamenden Gesellschaft stellen Hunde für un­zählige Menschen eine wichtige seelische Stütze da. Die Diskriminierung einzelner Rassen läuft dem zuwider. Daneben bieten gerade bestimmte Rassen mit festen phänotypischen Ei­genschaften ihrem Halter ein besonderes Sicherheitsgefühl, etwa beim abendlichen Spazier­gang oder in den heimischen vier Wänden.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Das Landeshundegesetz ist mehr als 20 Jahre alt und muss dringend reformiert werden.
  2. Die im Gesetz festgelegte Evaluation ist nicht erfolgt.
  3. Diese Evaluation gilt es nachzuholen und Erkenntnisse zu einer Reform des Gesetzes abzuleiten.
  4. Die Einteilung von Hunden in gefährliche und ungefährliche Rassen ist wissenschaftlich nicht haltbar.
  5. Eine solche Einteilung kann keine Grundlage für die Ausarbeitung eines Gesetzes dar­stellen.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. eine Reform des Landeshundegesetzes anzustoßen;
  2. die Rasseliste aus dem Landeshundegesetz zu entfernen;
  3. eine Einzelfallregelung für gefährliche Hunde zu implementieren;
  4. die Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten (insbesondere für wiederholende Verstöße) im Landeshundegesetz empfindlich zu erhöhen.

Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
Professor Dr. Daniel Zerbin
Zacharias Schalley
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose

und Fraktion

 

MMD18-11321

 

1 https://www.mlv.nrw.de/wp-content/uploads/2023/11/Bericht-zur-Hundestatistik-fuer-das-Jahr-2022.pdf.

2 https://www.spiegel.de/panorama/schock-in-hamburg-kampfhunde-toeten-schulkind-a-82722.html.

3 Nach Haurand, Günter, Landeshundegesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar, 82021, 214.

Datum des Originals: 05.11.2024/Ausgegeben: 06.11.2024

4 Zu dieser communis opinio vgl. exemplarisch Roiner, Kathrin, Beißvorfälle unter Berücksichtigung der Hunde­rassen in Deutschland und Umfrage bei Hundebisspatienten in vier Berliner Kliniken, Berlin 2016 (Diss.), S. 72: „Wird also gesetzlich versucht, Hundebisse über eine Reglementierung der Hunderassen zu reduzieren, wird man kein (sic!) Rückgang der Bisse erzielen. Die vorliegenden Ergebnisse konnten zeigen, dass es keine Hunderasse gibt, die statistisch mehr beißt im Vergleich zu allen anderen Hunderassen.“ Vgl. auch eine neue Studie der Vete­rinärmedizinischen Universität Wien: https://www.vetmeduni.ac.at/universitaet/infoservice/presseinformatio-nen/presseinformationen-2019/hundegesetzgebung-studie-der-vetmeduni-vienna; https://www.stuttgarter-zei-tung.de/inhalt.beissattacken-durch-hunde-sieben-fakten-ueber-gefaehrliche-hunde.0082f6c4-a0b0-4bb0-853c-d7e57baca651.html.

5 https://www.rtl.de/cms/polizei-in-essen-musste-hund-dieser-rasse-erschiessen-kangals-sind-die-sorgenfelle-der-tierheime-4920193.html; https://www.radioessen.de/artikel/essen-neue-hintergruende-zu-erschossenem-hund-1215822.html; https://www.ruhr24.de/nrw.

6 https://www.dbb-wolf.de/Wolfsmanagement/Bundesl%C3%A4nder/umgang-mit-hybriden, https://www.n-tv.de/panorama/Tierschuetzer-warnen-vor-Wildnis-auf-dem-Sofa-article22460110.html.

7 https://www.geo.de/natur/tierwelt/tierschuetzer-warnen-vor-wolfshybriden-als-haustier-30456584.html; https://welttierschutz.org/wolfshybriden-als-haustier-halten-bitte-nicht/.

8 https://www.mlv.nrw.de/wp-content/uploads/2023/11/Bericht-zur-Hundestatistik-fuer-das-Jahr-2022.pdf, Bericht-ergebnis alle Hunde für das Jahr 2022.