Junge Elternschaft fördern – Vereinbarkeit von Familiengründung und Ausbildung in die Tat umsetzen

Antrag
vom 20.04.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 20.04.2021

 

Junge Elternschaft fördern Vereinbarkeit von Familiengründung und Ausbildung in die Tat umsetzen

I. Ausgangslage

Der demographische Wandel stellt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit dar, und seine Folgen betreffen sämtliche Lebensbereiche. Die Ursachen für diese jahrzehntelange Fehlentwicklung sind vielfältig. Der Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln und eine aktive Familienplanung haben seit dem Ende der 1960er Jahre das Familienleben und das Reproduktionsverhalten der Bevölkerung ebenso maßgeblich verändert, wie dies die voranschreitende Agenda der Gleichstellung der Geschlechter tut.

Frauen und Mädchen entwickelten mit ihrem allgemeinen Zugang zu höherer Bildung und zu praktisch allen Berufen neue Ansprüche und eine veränderte Lebensplanung. Hinzu kommt, dass durch Strukturwandel und permanente Veränderungsprozesse in der Arbeitswelt das Einkommen einer einzelnen Person für die Versorgung einer Familie in der Regel nicht mehr ausreicht. Familie und Beruf zu vereinbaren stellt für junge Familien heute eine große Herausforderung dar. Viele junge Paare entscheiden sich immer später für die Geburt von Kindern, da Ausbildung und erstes Fortkommen im Beruf in der individuellen Lebensplanung regelmäßig Vorrang genießen.

Eine Arbeitswelt, die gerade in der Phase des Berufseinstiegs von befristeten Arbeitsverhältnissen, unbezahlten Praktika und permanenter Unsicherheit geprägt ist, erschwert zudem die Entscheidung für die Familiengründung. Deswegen überrascht es kaum, dass das durchschnittliche Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes mittlerweile bei 30,1 Jahren liegt.1 Bei einer stetig steigenden Lebenserwartung würde diese Tatsache kein grundsätzliches Problem darstellen, das „fruchtbare Fenster“ der Frau verändert sich – trotz aller medizinischen Fortschritte – jedoch nicht. Die Berücksichtigung dieser Tatsache bedeutet für Gesellschaft und Politik, für Arbeitgeber, aber auch für die Frauen selbst, dass ein Umdenken stattfinden muss, damit die Familiengründung nicht erst dann in den Blick gerät, wenn die berufliche Situation sie vermeintlich zulässt.2 Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass die Zahl der künstlichen Befruchtungen in Deutschland stetig steigt. Die Zahl derartiger Behandlungen belief sich im Jahre 2020 auf 108.000. Im Jahre 2019 war mit 99.000 Behandlungen ebenfalls ein neuer Rekord erreicht worden.3

Junge Paare – und hier insbesondere die jungen Frauen – befinden sich, vor allem dann, wenn ein aktueller Kinderwunsch vorliegt, in einem Dilemma. Einerseits der Wunsch, Mutter zu werden, andererseits das Bedürfnis, verantwortungsvoll und zielgerichtet den eigenen beruflichen Weg zu beschreiten – diese beiden Lebensziele scheinen in einem schwer auflösbaren Widerspruch zu stehen. Die dann häufige Vertagung der Familienplanung auf einen späteren Zeitpunkt führt für viele Paare zu vorher nicht bedachtem Leid. Die natürliche Abnahme der Fruchtbarkeit der Frau ab dem 30. Lebensjahr bringt ungewollte Kinderlosigkeit mit sich. In manchen Fällen kann dann die Kinderwunschbehandlung, die mittlerweile auch vom Land NRW gefördert wird, eine Lösung sein. Diese Lösung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Weg beschwerlich und durchaus nicht immer erfolgreich ist, zudem regelmäßig Jahre des vergeblichen Bemühens um eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg voraussetzt.

Die Politik sollte dazu die mahnenden Worte des Bundesverbandes der Frauenärzte ernst nehmen. Mit dem Alter der gebärenden Mütter steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen und Risiken während der Schwangerschaft, während Geburt und Wochenbett.4

Die Zeit, in der junge Paare die besten Voraussetzungen für eine gesunde und glückliche Elternschaft aufweisen, ist leider auch die Zeit, in der die finanziellen und sozialen Voraussetzungen für eine Familiengründung aktuell denkbar schlecht sind. Wer sich dennoch schon während der Ausbildung für ein Kind entscheidet, hat in finanzieller Sicht und im Hinblick auf ein berufliches Fortkommen häufig das Nachsehen.

Eine frühe Elternschaft führt während der Ausbildungszeit häufig zum Abbruch einer Berufsausbildung und erhöht somit mittel- und langfristig das Risiko einer langjährigen Arbeitslosigkeit oder zumindest einer permanenten prekären Situation der Familie.5 Viele junge Paare stellen sich in dieser Lebensphase deshalb die Frage, wie sie eine Vollzeitberufsausbildung und die Erziehung ihrer eigenen Kinder gleichzeitig gewährleisten können.

Schieben junge Paare im derzeitigen gesellschaftlichen Klima ihren Kinderwunsch zunächst auf, so rückt dessen Realisierung in eine deutlich fernere Zukunft. Langjährige Bildungs- und Ausbildungsgänge und der sich fortsetzende Aufschub einer Elternschaft in den folgenden – oft von Unsicherheiten geprägten – frühen Jahren der Erwerbstätigkeit, in denen man sich zunächst auch profilieren und Fuß fassen möchte, münden vermutlich häufig in Kinderlosigkeit, ohne dass diese ursprünglich beabsichtigt oder gar geplant gewesen wäre.

Aus diesen Gründen ist es dringend notwendig, dass wir als Gesellschaft unsere Einstellung gegenüber Familienplanung und Elternschaft bedenken. Junge Paare sollten bei früher Elternschaft unterstützt und gefördert werden. Hier ist die Politik gefragt, Erleichterungen für junge (werdende) Familien zu schaffen!

Eine kostengünstige Kinderbetreuung, unabhängig von kommunalen Lösungen, angepasst an die Ausbildungszeiten der Eltern, wäre hier eine willkommene Verbesserung, weil besonders junge Eltern nicht über hinreichende finanzielle Mittel verfügen. Zusätzlich sollte die Möglichkeit zu einer Teilzeitausbildung stärker in den Fokus gerückt werden. Denn eines der größten Probleme von zeitgleicher Elternschaft und Ausbildung ist der Balanceakt zwischen beiden. Eine Ausbildung in Teilzeit wäre eine klare Erleichterung für die jungen Paare und würde ihnen „Luft zum Atmen“ lassen.

Elternglück ist keine reine Privatsache; denn Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft und unseres Landes. Deshalb ist es in jedem Falle zielführend, auch die Unternehmen als Partner zu gewinnen, um die Weichen für eine Kehrtwende zu stellen. Immer mehr Arbeitgeber überdenken heute schon ihre Personalpolitik und schaffen durch Wiedereinstiegsmodelle nach der Elternzeit, durch Teilzeitausbildung, flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice-Angebote, durch betriebsnahe Kinderbetreuungsmöglichkeiten etc. familienfreundlichere Rahmenbedingungen.

Nicht nachvollziehbar ist es, dass den Unternehmen, die gewillt sind, ihre Arbeitsverhältnisse von Grund auf familienfreundlicher zu gestalten, Steine in den Weg gelegt werden. Zwar erhalten sie bei dieser Gestaltung konzeptionelle Unterstützung und können sich nach Durchlaufen dieses Prozesses als „familienfreundlicher Arbeitgeber“ zertifizieren lassen. Das Zertifikat ist zwei Jahre lang gültig,6 denn natürlich ist es angeraten, die familienfreundliche Ausrichtung des Unternehmens regelmäßig auf ihr Fortbestehen hin zu überprüfen. Jedoch müssen die Unternehmen nicht nur die Kosten für die interne Umstrukturierung tragen, sondern auch die Unterstützung der begleitenden Stellen. Das erscheint wenig sachgerecht: Wer Verantwortung übernimmt, sollte davon einen Vorteil haben und nicht dafür bezahlen müssen.

Junge Paare brauchen unsere Unterstützung. Elternschaft und gute Bildung sowie ein geordnetes Arbeitsverhältnis dürfen sich nicht widersprechen oder gar gegenseitig ausschließen. Eine frühe Mutterschaft darf im 21. Jahrhundert nicht zu Arbeitslosigkeit und (lebenslanger) Armut führen.

Die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Familien, insbesondere für junge Familien, müssen besser werden. Die Verschiebung der Familienphase auf einen Zeitraum, in dem die Eltern (vermeintlich) alle beruflichen Hürden überwunden haben, hat für die Eltern und eine ganze Gesellschaft fatale Konsequenzen.

II. Der Landtag stellt daher fest, dass:

  1. die Bedingungen während einer Ausbildung für junge Eltern in unserem Land deutlich verbesserbar sind;
  2. Eltern in ihrer Entscheidung für eine frühe Elternschaft und bei deren Planung unterstützt und gefördert werden müssen;
  3. Unternehmen bei der Gestaltung einer familienfreundlichen Arbeitsumgebung entlastet und unterstützt werden müssen.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. gezielte Konzepte zur Unterstützung und Förderung junger Paare in der Phase ihrer Familienplanung zu erarbeiten;
  2. Unternehmen bei der gezielten Planung und Umsetzung familienorientierter Konzepte zu unterstützen.

Iris Dworeck-Danielowski
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-

Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/_inhalt.html#sprg234038

2 https://www.bvf.de/aktuelles/fachliche-meldungen/artikel/news/mutter-mit-40-der-koerper-sagt-meist-nein/

3 https://www.tagesspiegel.de/wissen/kinderwunsch-trotz-covid-19-rekord-an-kuenstlichen-befruchtungen-in-deutschland/26868538.html

4 https://www.bvf.de/aktuelles/pressemitteilungen/meldung/news/geburt-ueber-30-dann-steigt-das-risiko-fuer-komplikationen-und-kaiserschnitte/

5 https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93294/982ed6c158c04e82f83496eceff27a82/ausbildung-studium-elterschaft-data.pdf

6 https://www.diqp.eu/qualitaetssiegel-familienfreundlicher-arbeitgeber/