Kampf gegen multiresistente Erreger einführen – Lehren aus dem Infektionsschutz sinnvoll nutzen.

Antrag
vom 22.06.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 22.06.2021

 

Kampf gegen multiresistente Erreger einführen – Lehren aus dem Infektionsschutz sinnvoll nutzen.

I. Ausgangslage

Als Multiresistenz (lateinisches Kompositum) bezeichnet man in der Medizin die Unempfindlichkeit von Krankheitserregern, wie Bakterien oder Viren, gegenüber mehreren medikamentösen Wirkstoffen verschiedener Klassen. Multiresistente Erreger (MRE) sind in den vergangenen Jahren nicht nur zu einem medizinischen Problem geworden, sondern auch zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema.

Jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Bildung von Resistenzen: Empfindliche Bakterien werden abgetötet, die resistenten jedoch überleben und vermehren sich weiter. Antibiotikaresistente Erreger treten daher oft dort auf, wo viele Antibiotika eingesetzt werden, etwa in Kliniken, aber auch in der Landwirtschaft.

Jedes Jahr kommt es in Deutschland zu geschätzten 400.000 bis 600.000 nosokomialen Infektionen und dadurch zu etwa 10.000 bis 20.000 Todesfällen. Die Zahlen beruhen auf einer Berechnung, die das Robert Koch-Institut gemeinsam mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und der Berliner Charité (NRZ für Surveillance von nosokomialen Infektionen) im Jahre 2019 veröffentlicht hat.1 Heute gehört die weltweite Zunahme von solchen Antibiotikaresistenzen nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den größten Gefahren für die menschliche Gesundheit und hat dramatische Konsequenzen für die Behandlung von Infektionskrankheiten. Laut Prävalenzstudie von 2016 erhielt etwa jeder fünfte Krankenhaus-Patient (21,5%) zum Zeitpunkt der Studie Antibiotika. Dieser Wert ist gegenüber der Prävalenzstudie von 2011 konstant geblieben; der ersten Prävalenzstudie aus dem Jahr 1994 gegenüber hat der Wert zugenommen. Damals wurden nur bei 17,7 Prozent der Patienten Antibiotika eingesetzt.2

Während der Coronapandemie hat Deutschland nun die Erfahrung gemacht, dass die Steuerung von Infektionsgeschehen über Inzidenzwerte möglich zu sein scheint und dabei im Allgemeinen Akzeptanz bei der Bevölkerung findet. Es erscheint demnach angebracht, im Kampf gegen multiresistente Erreger ebenfalls ein solches Instrument der Inzidenz einzuführen, um einen Vergleichswert für die Effizienz, aber auch das Risiko in einzelnen Einrichtungen zu bekommen. So wären ab einem gewissen Inzidenzwert die Hygienemaßnahmen zu verstärken und unter Aufsicht zu stellen.

Die vergangenen Monate haben verdeutlicht, dass ein solches System bestehen kann und dazu geeignet ist, jährlich zehntausende Todesfälle zu verhindern. Es muss jedoch politisch gewollt sein. Die gesellschaftliche Sensibilisierung im Hinblick auf den Infektionsschutz und die daraus resultierenden Akzeptanz, insbesondere vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Hygienemaßnahmen, bilden den idealen Ausgangspunkt für die Einführung eines solchen Systems und bieten große Erfolgsaussichten.

II. Der Landtag stellt fest, dass

  1. multiresistente Erreger in den vergangenen Jahren in der Medizin, aber auch in der Gesellschaft ein immer größer werdendes Problem darstellten. Antibiotikaresistenzen sind ein ernstzunehmendes Problem nicht nur für Nordrhein Westfalen, sondern auch für die globale Gesundheit;
  2. gezielte gesundheitspolitische Präventionsmaßnahmen benötigt werden und hierzu eine valide Datenbasis unabdingbar ist;
  3. die Kooperation von Wissenschaft, Politik und Industrie im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen verbessert werden muss.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. aus den Erfahrungen der Coronapandemie ein Konzept auszuarbeiten und vorzulegen, wie über Inzidenzwerte in Kliniken der Kampf gegen multiresistente Erreger noch verstärkt werden kann. Dabei sollen für unterschiedliche Inzidenzwerte klare Maßnahmen definiert werden;
  2. mit allen beteiligten Akteuren des Gesundheitssystems Strukturen zu schaffen, diese Vorgaben in Kliniken nachhaltig durchzusetzen;
  3. eine Kontrollinstanz zu schaffen, die diese Vorgaben nachhält und entsprechend kontrolliert;
  4. die Einrichtung einer „Hygiene-Ampel“ zu prüfen. Aus dieser muss für Patienten und Öffentlichkeit ersichtlich sein, ob die jeweilige Klinik neben den Mindestanforderungen auch zusätzliche Hygienestandards umsetzt.

Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Krankenhausinfektionen-und-Antibiotikaresistenz

2 https://www.nrz-hygiene.de/fileadmin/nrz/download/pps2016/PPS_2016_Abschlussbericht_20.07.2017.pdf