Keine Antwort ist auch eine Antwort. Nachfrage zur Kleinen Anfrage 2818: Wie ernst ist es der Landesregierung tatsächlich mit einer migrationspolitischen Kehrtwende?

Kleine Anfrage
vom 12.12.2023

Kleine Anfrage 3071

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Keine Antwort ist auch eine Antwort. Nachfrage zur Kleinen Anfrage 2818: Wie ernst ist es der Landesregierung tatsächlich mit einer migrationspolitischen Kehrtwende?

Am 28. Oktober 2023 wurden auf der Plattform „X“ von Seiten des Ministerpräsidenten, Hendrik Wüst (CDU), kurz hintereinander zwei Beiträge eingestellt.

Um 13:42 hieß es: „Irreguläre #Migration muss nicht nur reduziert, nicht nur geordnet werden – sie muss beendet werden. Es wird Zeit, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird. Wir brauchen keine Nebelkerzen. Wir brauchen Handeln, das wirklich wirkt. #cdulpt23“

Um 13:45 hieß es dann: „Unser starkes Team in Landesregierung, Fraktion & Landesvorstand ist Garant für unsere erfolgreiche Arbeit fürs Land. Die Aufgaben sind groß. Wir gehen sie mit Zuversicht & harter Arbeit an. Für die Menschen, unsere Heimat & für ein starkes #NRW. #NRWRichtigmachen #cdulpt23“

Im Rahmen der Kleinen Anfrage 2818 fragten wir nach diesbezüglichen zukünftigen parlamentarischen Initiativen der Landesregierung. Der Hintergrund dieser Frage war die bisherige Migrationspolitik der aktuellen Landesregierung, die aus unserer Sicht keinesfalls auf einen derartigen Wandel hindeuten lässt – im Gegenteil.

Vor dem Gipfel des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder am 6. November 2023 plädierte der Ministerpräsident dann gar noch für eine Umsetzung des „Ruanda-Modells“, quasi in Anlehnung an eine entsprechende Positionierung der AfD in ihrem Europawahlprogramm.1

Vor diesem Hintergrund sind die Fragen 2 und 3 der Kleinen Anfrage 2818 zu sehen. Sprich: Wie gedenkt der Ministerpräsident die zuständige Ministerin für Flucht und Integration von diesem Kurswechsel zu überzeugen und inwiefern ist er notfalls bereit, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen?

Ebenso fragten wir vor diesem Hintergrund nach vorangegangenen Initiativen der Landesregierung für eine Eindämmung bzw. Beendigung der „irregulären Migration“ (die in der Realität illegal ist) auf diversen Bund-Länder-Treffen, MPKs, Innenministerkonferenzen oder Integrationsministerkonferenzen für eine Eindämmung bzw. Beendigung der „irregulären Migration“.

All diese Fragen wurden nicht beantwortet. Stattdessen heißt es in der Antwort der Landesregierung ganz allgemein: „Die Bekämpfung irregulärer Migration stellt aus Sicht der Landesregierung eine selbstverständliche Aufgabe aller staatlichen Ebenen dar. Diese erfolgt insbesondere durch Bundes- und Landespolizei. Das Land trägt hierzu im Rahmen unterschiedlicher Maßnahmen bei.“

Schließlich verweist die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Ergebnisse der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern vom 6. November 2023.

Das ist alles wohlfeil, beantwortet aber leider nicht die gestellten Fragen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Welche parlamentarischen Initiativen plant die Landesregierung – abgesehen von der Umsetzung der Ergebnisse der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern vom 6. November 2023 – für die nähere Zukunft, die das Ziel einer Beendigung bzw. Eindämmung der „irregulären Migration“ beinhalten? (z.B. Gesetzesänderungen, Bundesratsinitiativen)
  2. Inwiefern stimmt die zuständige Ministerin für Flucht und Integration mit den Aussagen des Ministerpräsidenten überein, wonach „irreguläre Migration“ nicht nur reduziert, nicht nur geordnet, sondern beendet werden muss, beispielsweise in Form einer Umsetzung des vom Ministerpräsidenten empfohlenen „Ruanda-Modells“2, verbunden mit einer ausschließlichen Schutzgewährung in den Partnerstaaten?
  3. Inwieweit ist der Ministerpräsident bereit, in dieser Frage von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, wenn der grüne Koalitionspartner, hier insbesondere die für Flucht und Integration zuständige Ministerin, dem neuen Kurs voraussichtlich nicht folgen möchte?
  4. Die Landesregierung verweist in der Antwort auf die Kleine Anfrage darauf, dass das Land NRW im Rahmen unterschiedlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der „irregulären Migration“ beiträgt. Welche Maßnahmen hat es in diesem Zusammenhang in der laufenden Legislaturperiode denn bisher konkret gegeben? (Bitte die Maßnahmen benennen und Angaben zum jeweiligen bisherigen Erfolg der Maßnahmen abgeben)
  5. Während die Bundespolizei von unerlaubten Einreisen in das Bundesgebiet spricht, die zudem gem. § 95 AufenthG strafbar sind, spricht der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, in seiner Antwort lediglich abgeschwächt von einer „irregulären Migration“. Warum besteht von Seiten der Landesregierung nicht die Bereitschaft, illegale Einreisen als das zu benennen, was sie sind – nämlich illegal?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-7388

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/6870

2 Ebd.


Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage 3071 mit Schreiben vom 5. Januar 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Welche parlamentarischen Initiativen plant die Landesregierung – abgesehen von der Umsetzung der Ergebnisse der Konferenz der Regierungschefinnen und Re­gierungschefs von Bund und Ländern vom 6. November 2023 – für die nähere Zukunft, die das Ziel einer Beendigung bzw. Eindämmung der „irregulären Migra­tion“ beinhalten? (z.B. Gesetzesänderungen, Bundesratsinitiativen)
  2. Inwiefern stimmt die zuständige Ministerin für Flucht und Integration mit den Aus­sagen des Ministerpräsidenten überein, wonach „irreguläre Migration“ nicht nur reduziert, nicht nur geordnet, sondern beendet werden muss, beispielsweise in Form einer Umsetzung des vom Ministerpräsidenten empfohlenen „Ruanda-Mo­dells“, verbunden mit einer ausschließlichen Schutzgewährung in den Partner­staaten?
  3. Inwieweit ist der Ministerpräsident bereit, in dieser Frage von seiner Richtlinien­kompetenz Gebrauch zu machen, wenn der grüne Koalitionspartner, hier insbe­sondere die für Flucht und Integration zuständige Ministerin, dem neuen Kurs vo­raussichtlich nicht folgen möchte?

Die Fragen 1 – 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es besteht innerhalb der Landesregierung Einigkeit, dass ein Handlungs-bedarf zur Eindäm­mung irregulärer Migration besteht.

In den Beschlüssen der Konferenzen der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern am 10.05.2023 (LT-Vorlage 18/1230) und am 06.11.2023 (LT-Vorlage 18/1880) sind diesbezügliche Vereinbarungen getroffen worden. Die Umsetzung der in den genannten Beschlüssen getroffenen Vereinbarungen bzw. Prüfaufträge – u. a. auch zur Frage der Durchführung von Asylverfahren auch in Drittstaaten – liegt im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung.

Ein erstes Gesetzgebungsverfahren wurde mit der von den Vertretern Nordrhein-Westfalens unterstützten Zustimmung des Bundesrates zum Gesetz zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten in seiner Sitzung am 15.12.2023 abgeschlos­sen. Eine weitere Gesetzesinitiative mit dem Ziel verbesserter Rückführungen wurde von der Bundesregierung vorgelegt und befindet sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren des Deut­schen Bundestags.

Der Abschluss der Prüfungen zu weiteren Vereinbarungen und die dies-bezüglichen Vor­schläge der Bundesregierung bleiben abzuwarten. Die Landesregierung hat wiederholt und eindringlich auf die hohe Belastung v. a. der Kommunen bei Unterbringung, Versorgung und Integration der Schutzsuchenden hingewiesen und ihrer Erwartung Ausdruck verliehen, dass die zwischen Bund und Ländern getroffenen Vereinbarungen zügig umgesetzt werden.

Wie in der Antwort auf die Kleine Anfrage 2818 (LT-Drs. 18/6643) dargelegt, plant die Landes­regierung vor diesem Hintergrund vorerst keine eigenen Initiativen im Sinne der Fragestellung.

Sobald konkrete Vorschläge der Bundesregierung vorliegen, wird sich die Landesregierung zu ihrer jeweiligen Positionierung abstimmen. Dem kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgegriffen werden.

  1. Die Landesregierung verweist in der Antwort auf die Kleine An-frage darauf, dass das Land NRW im Rahmen unterschiedlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der „irregulären Migration“ beiträgt. Welche Maßnahmen hat es in diesem Zusammen­hang in der laufenden Legislaturperiode denn bisher konkret gegeben? (Bitte die Maßnahmen benennen und Angaben zum jeweiligen bisherigen Erfolg der Maß­nahmen abgeben)

Die Feststellung und Unterbindung eines unerlaubten Aufenthaltes gehört nach dem Polizei­gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zu den regulären Aufgaben der Polizei. Sie nimmt diese auch im Rahmen schwer-punktmäßiger Tätigkeiten wahr – etwa bei der Überwachung des Autobahnnetzes.

Daneben beteiligt sich die Landespolizei durch Abordnungen von Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten (PVB) zur Bundespolizei

–        an durch VN und EU mandatierten, internationalen Polizeimissionen, bei denen der Auf­bau von rechtstaatlichen Strukturen sowie die zivilen Aspekte der Krisenbewältigung im Vordergrund stehen. Hierzu zählt auch die Reduzierung der irregulären Migration, indem PVB durch ihr Mitwirken in den Missionen einen Beitrag zur Minderung von Fluchtursa­chen und damit des Migrationsdrucks in/aus Herkunfts- und Transitstaaten leisten.

–        an durch Frontex koordinierte Einsätzen, in deren Rahmen es Aufgabe aller deutschen PVB ist, die Gastländer zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes an den EU-Au­ßengrenzen dieser Gastländer zu unterstützen, um irregulärer Migration entgegenzuwir­ken.

Zudem hat die Landesregierung die Erstattung der Kosten der Kommunen für die Zentralen Ausländerbehörden um 5 Millionen Euro erhöht und wird sie auf diesem Wege stärken.

  1. Während die Bundespolizei von unerlaubten Einreisen in das Bundesgebiet spricht, die zudem gem. § 95 AufenthG strafbar sind, spricht der Chef der Staats­kanzlei, Nathanael Liminski, in seiner Antwort lediglich abgeschwächt von einer „irregulären Migration“. Warum besteht von Seiten der Landesregierung nicht die Bereitschaft, illegale Einreisen als das zu benennen, was sie sind – nämlich ille­gal?

Die angesprochene Formulierung entspricht den von den zuständigen Behörden auch auf der Bundesebene – wie etwa dem Bundesministerium des Innern und für Heimat – in diesem Kon­text verwendeten Begrifflichkeiten.

 

MMD18-7665