Kindergesundheit in Nordrhein-Westfalen

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 109
des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz vom 07.07.2022

 

Kindergesundheit in Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen wachsen viele Kinder und Jugendliche auch in finanzieller Armut auf. Bereits im Kindes- und Jugendalter ist ein enger Zusammenhang zwischen der sozialen und der gesundheitlichen Lage zu beobachten. Obwohl die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gesund aufwächst, zeichnen sich soziale Unterschiede in der gesundheitlichen Entwicklung ab. Die unterschiedlichen Bildungs- und Teilhabechancen und oft mangelnde Fähigkeiten der Eltern, ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen, führen immer häufiger zu gesundheitlichen Einschränkungen der Kinder und Jugendlichen, die sich bis in Erwachsenenalter fortsetzen: Forschungen wie die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS)1 des Robert Koch-Instituts belegen eine zunehmende Morbidität von Kindern und Jugendlichen. Typisch sind psychische Auffälligkeiten, Aufmerksamkeits-Defizits-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) und Essstörungen, aber auch Bewegungsmangel und eine geringere Inanspruchnahme der Gesundheitsvorsorge. Bei der Versorgung und bei Präventionsangeboten kommt es immer wieder zu sprachlichen und kulturellen Hürden, Behandlungsanweisungen werden nicht oder nur eingeschränkt verstanden und Kinder und Jugendliche werden nicht durch ihre Eltern unterstützt. Am Beispiel der haus- und kinderärztlichen Versorgung zeigt sich auch, dass in den letzten Jahren immer mehr Praxen aus den Armutsquartieren abgewandert sind oder keine Nachfolger finden. Es ist deshalb dringend geraten, bedarfsgerechte und vor allem zielgruppenspezifischen Präventions- und Rehabilitationskonzepte zu entwickeln, die speziell auf die Quartiere zugeschnitten sind. Um allen Kindern die bestmöglichen Chancen für ein gesundes Aufwachsen zu bieten, um Problemlagen und neue Herausforderungen rechtzeitig zu erkennen und um zielgruppenspezifische Maßnahmen zu entwickeln und zu evaluieren, braucht es insbesondere vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie und den daraus resultierenden Maßnahmen belastbare Daten zur Kinder- und Jugendgesundheit.

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung:

  1. Wie viele Kinder kamen in den Jahren 2020, 2021 und dem ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich pro Frau in den Kreisen und kreisfreien Städten in NRW in Bezugnahme auf den Bundesdurchschnitt zur Welt?
  2. Wie hoch war die Säuglingssterblichkeit in den Kreisen und kreisfreien Städten in den Jahren 2020, 2021 und dem ersten Halbjahr 2022 in Bezugnahme auf den Bundesdurchschnitt?
  3. Wie viel Prozent aller Kinder haben in den Kreisen und kreisfreien Städten in den Jahren 2020, 2021 und dem ersten Halbjahr 2022 in Bezugnahme auf den Bundesdurchschnitt an welchen Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen?
  4. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über den Impfstatus der Kinder und Jugendlichen in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten?
  5. Inwieweit ist die Versorgungsplanung der KV Nordrhein und Westfalen in der pädiatrischen und hausärtzlichen Versorgung gewährleistet?

Dr. Martin Vincentz

 

Anfrage als PDF

 

1 https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_0 3 2018 KiGGS-Welle2 Gesundheitliche Lage.pdf? blob=publicationFile


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 109 mit Schreiben vom 5. August 2022 im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie viele Kinder kamen in den Jahren 2020, 2021 und dem ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich pro Frau in den Kreisen und kreisfreien Städten in NRW in Bezugnahme auf den Bundesdurchschnitt zur Welt?

Daten zur Geburtenrate in Nordrhein-Westfalen liegen aktuell für die Jahre 2020 und 2021 vor, die Geburtenrate für Deutschland liegt bisher nur für das Jahr 2020 vor. Daten für das erste Halbjahr 2022 liegen nicht vor. Nachfolgend die zusammengefasste Geburtenziffer für Deutschland und Nordrhein-Westfalen:

____Zusammengefasste Geburtenziffer____
(Kinder je Frau)
Nordrhein-Westfalen Deutschland
2020 1,55 1,53
2021 1,60

Datenquelle: Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW), Statistisches Bundesamt (Destatis): Statistik der Geburten

Die Geburtenrate (zusammengefasste Geburtenziffer) gibt die durchschnittliche Kinderzahl an, die eine Frau im Laufe ihres Lebens zur Welt bringen würde, wenn ihr Geburtenverhalten dem aller 15- bis 49- jährigen Frauen des betrachteten Berichtsjahres entspräche. Diese Kennziffer ist einerseits hypothetisch, weil sie keine konkrete Frauengeneration abbildet, damit aber andererseits unabhängig von der jeweiligen Altersstruktur der weiblichen Bevölkerung.

Eine Aufschlüsselung der zusammengefassten Geburtenziffer nach Kreisen und kreisfreien Städten findet sich in der Anlage 1.

  1. Wie hoch war die Säuglingssterblichkeit in den Kreisen und kreisfreien Städten in den Jahren 2020, 2021 und dem ersten Halbjahr 2022 in Bezugnahme auf den Bundesdurchschnitt?

Daten zur Säuglingssterblichkeit liegen aktuell für Nordrhein-Westfalen für die Jahre 2020 und 2021 vor. Das statistische Bundesamt (Destatis) hat für 2021 bisher nur die Anzahl der Säuglingssterbefälle veröffentlicht. Daten für das erste Halbjahr 2022 sind auf Bundes- und Landesebene nicht verfügbar. Die Höhe der Säuglingssterblichkeit in Nordrhein-Westfalen und bundesweit ist in der folgenden Tabelle dargestellt. Die Säuglingssterblichkeit erfasst die Zahl der Kinder, die lebend geboren werden und noch vor Vollendung des ersten Lebensjahres sterben.

________Säuglingssterblichkeit (unter 1 Jahr)________
Nordrhein-Westfalen Deutschland
Anzahl je 1.000 Lebendgeborene Anzahl je 1.000 Lebendgeborene
2020 576 3,4 2.373 3,1
2021 581 3,3 2.368

Datenquelle: Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW): Statistik der Sterbefälle

Die Daten zur Säuglingssterblichkeit nach Kreisen und kreisfreien Städten aufgeschlüsselt für die Jahre 2020 und 2021 finden sich bei IT.NRW unter dem Link: https://www.it.nrw/sites/default/files/atoms/files/283_22.pdf

Die erfragten Angaben lassen unberücksichtigt, dass zur Betrachtung zeitlicher Trends und regionaler Unterschiede in der Gesundheitsberichterstattung üblicherweise 3-Jahres-Mittelwerte herangezogen werden, um zufällige Schwankungen auszugleichen.

  1. Wie viel Prozent aller Kinder haben in den Kreisen und kreisfreien Städten in den Jahren 2020, 2021 und dem ersten Halbjahr 2022 in Bezugnahme auf den Bundesdurchschnitt an welchen Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen?

Die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder in Nord-rhein-Westfalen wird im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen erfasst, vom Landeszentrum Gesundheit NRW aufbereitet und als Gesundheitsindikator zur Verfügung gestellt (Indikator 7.06, Inanspruch­nahme des Krankheitsfrüherkennungsprogramms für Kinder, U3-U6, U7, U8, U9). Für die Jahre 2020 und 2021 liegen bedingt durch die Pandemie nur unvollständige Datensätze vor. Aufgrund der vorrangigen pandemischen Arbeitsanforderungen konnte noch nicht abschließend bewertet werden, ob bzw. mit welchen Einschränkungen diese Datenlage die Qualitätsanforderungen an die Veröffentlichung als Landesindikator erfüllen kann. Für 2022 liegen noch keine Daten vor.

Im Jahr 2019 haben in Nordrhein-Westfalen 89,5 Prozent der untersuchten Kinder an den U3-bis U6- Untersuchungen teilgenommen; 93,2 Prozent an der U7-Untersuchung, 95,1 Prozent an der U8-Untersuchung und 93,6 Prozent an der U9-Untersuchtung. Die Daten zur Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten finden sich in der Anlage 2. Bundesweite Vergleichswerte für die Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder liegen nicht vor.

  1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über den Impfstatus der Kinder und Jugendlichen in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten?

Der Impfstatus von Kindern wird in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen anhand der vorgelegten Impfdokumente erfasst. Die aktuellsten Daten liegen aus dem Jahr 2019 vor (siehe dazu die Erläuterung zur Frage 3). Die Impfquote beschreibt die abgeschlossene Grundimmunisierung nach aktueller STIKO-Empfehlung in Prozent der dokumentierten Impfungen bei Schulanfängerinnen und Schulanfängern für Polio, Tetanus, Diphtherie, Hepatitis B, Hib, Pertussis, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Meningokokken, Pneumokokken und Rotavirus. Die Impfquoten für die genannten Impfungen bei Kindern sind aufgeschlüsselt nach den Kreisen und kreisfreien Städten in NRW (s. Anlage 2).

  1. Inwieweit ist die Versorgungsplanung der KV Nordrhein und Westfalen in der pädiatrischen und hausärztlichen Versorgung gewährleistet?

Grundanspruch der ambulanten Krankenversorgung ist eine patientennahe Versorgung, die für alle gesetzlich Versicherten, unabhängig vom Wohnort oder Einkommen, gleichermaßen zugänglich ist. Eine wohnortnahe Versorgung ist insbesondere im hausärztlichen und kinderärztlichen Bereich sicherzustellen. Die Versorgung wird durch die Kassenärztlichen Vereinigungen sichergestellt. Zentrales Instrument ist hier der Bedarfsplan, der den aktuellen Stand der Versorgung dokumentiert und analysiert und daraus – falls erforderlich – konkrete Maßnahmen ableitet. Insgesamt gibt es nur noch wenig gesperrte Planungsbereiche in Nordrhein-Westfalen, in denen sich keine neuen Hausärztinnen und Hausärzte niederlassen dürfen. Angesichts des Nachwuchsmangels in der hausärztlichen Versorgung wird es zunehmend schwierig, aus der Versorgung ausscheidende Ärzte zu ersetzen. Dies ist keine regionale, sondern eine bundesweite Problematik. Im Hinblick auf die große Zahl von Niederlassungsmöglichkeiten im Rahmen der Bedarfsplanung stehen die Hausärztinnen und Hausärzte daher im Fokus der Förderung durch die Strukturfonds der Kassenärztlichen Vereinigungen. In einigen hausärztlichen Planungsbereichen gestaltet sich die Versorgungslage als besonders verbesserungswürdig. Daher werden zwei Mal jährlich Fördergebiete festgelegt, um Förderungsprioritäten Rechnung zu tragen. Neben den Kassenärztlichen Vereinigungen hat auch das Land entsprechende Fördermaßnahmen aufgelegt, wie das Hausarztaktionsprogramm und die Landarztquote, um aktiv die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung zu befördern.

Bei den Kinder- und Jugendärzten stellt sich die Versorgungslage in Nordrhein-Westfalen insgesamt gut dar. Es gibt nur wenige offene Planungsbereiche, in denen sich Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte niederlassen können.

 

Antwort samt Anlage als PDF