Klärung irritierender Unklarheiten in Bezug auf die Beantwortung der Großen Anfrage 23 „Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung in der Aufbauphase der vier neuen Meldestellen in den Bereichen „Queerfeindlichkeit“, „Antimuslimischer Rassismus“, „Antiziganismus“ und „Anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ gewonnen?“

Kleine Anfrage
vom 16.01.2025

Kleine Anfrage 4976

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Klärung irritierender Unklarheiten in Bezug auf die Beantwortung der Großen Anfrage 23 „Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung in der Aufbauphase der vier neuen Meldestellen in den Bereichen „Queerfeindlichkeit“, „Antimuslimischer Rassismus“, „Antiziganismus“ und „Anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ gewonnen?“

Nachdem mit der Meldestelle MEDAR das System der vier neuen Meldestellen jetzt implementiert werden soll, muss davon ausgegangen werden, dass alle zuvor noch offenen Fragen in der Zwischenzeit geklärt sind. Das gilt auch für offene Teilfragen, die sich aus der Beantwortung der Großen Anfrage 231 vom 21.06.2024 ergeben.

Hinsichtlich der Plausibilitäts- und Richtigkeitsprüfung eingehender Meldungen führte die Landesregierung aus, dass sich die Meldestellen an den Erkenntnissen der quantitativen und qualitativen Sozialforschung orientieren. Das ist zwar nett, beantwortet aber nicht die Frage, da es offensichtlich keine konkreten, schriftlich festgelegten und für den Bürger jederzeit einsehbaren Kriterien gibt. Ähnliches gilt für die Aussage, dass alle eingehenden Meldungen anonymisiert und anhand wissenschaftlicher Kriterien ausgewertet werden. Auch das ist nett, aber keine konkrete, zufriedenstellende Antwort.

Erneut konnten bei der Beantwortung der Großen Anfrage 23 keinerlei konkrete Beispiele für Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze benannt werden, die meldewürdig sind. Wenn die Landesregierung lediglich von Vorfällen spricht, die als Diskriminierung erfahren werden „können“, macht das deutlich, dass es unterschiedslos um strafbare Handlungen (z. B. Beleidigung, üble Nachrede) aber auch um Äußerungen gehen kann, die durch die Meinungsfreiheit gedeckt und in keiner Weise strafbar sind.

Was an rechtskonformen Handlungen überhaupt meldewürdig ist, muss offenbleiben. Schließlich spricht die Landesregierung davon, dass diskriminierende Verhaltensweisen – unterhalb der Strafbarkeitsschwelle – möglicherweise rechtlich nicht erlaubt oder gar gesellschaftlich zu billigen seien. Das wirft die irritierende Nachfrage nach der Rechtsgrundlage zur Verfolgung von Handlungen auf, die keinerlei Erwähnung im Strafgesetzbuch finden. Ebenso stellt sich die Frage nach der Rechtsgrundlage – außerhalb des Strafgesetzbuches – zur Bewertung von Handlungen, die nach Ansicht der Landesregierung „gesellschaftlich nicht zu billigen“ seien. Ohne konkrete Rechtsgrundlage ist diese Einstufung nämlich rein subjektiv, sprich im Auge des Betrachters.

Bei der Aussage der Landesregierung, dass die Rechtsordnung nicht nur das Strafrecht umfasse, stellt sich die Frage, welche Formen der Rechtsordnung die Landesregierung darüber hinaus meint und verfolgen will.

Auch die Aussage, dass das zuständige Ministerium nicht über die personellen Ressourcen verfüge, um ein derartiges Projekt selbst durchzuführen, und deshalb eine Auslagerung an NGOs notwendig sei, löst Verwunderung aus. Das gilt auch für die Aussage, dass selbst im Angesicht der angespannten Haushaltslage im Nachhinein keine Einsparpotentiale im Rahmen der Aufbauphase gesehen werden.

Beim Zuschnitt der Meldestellen fällt auf, dass es keine jeweilige Spiegelung gibt. So soll es z. B. sogenannten „antimuslimischen Rassismus“ geben, aber keinen Rassismus bzw. keine Diskriminierung, die von Muslimen ausgeht. Der Verweis darauf, dass die Meldestellen alle Formen von Rassismus, Antiziganismus und Queerfeindlichkeit erfassen sollen, unabhängig davon, von wem sie ausgehen und an wen sie sich richten, weiß nicht zu überzeugen. Wäre dem so, könnte man doch auf konkrete Bezeichnungen der vier neuen Meldestellen verzichten.

Auch die Antwort auf die Frage, aus welcher rechtlichen Grundlage die Möglichkeit resultiert, dass NGOs die Richtlinien für späteres staatliches Handeln bestimmen, überzeugt nicht. So ist doch absehbar, dass die ermittelten Daten nicht aus „Spaß“ erhoben werden, sondern zu staatlichem Handel führen sollen. Eine rechtliche Grundlage hierfür weiß die Landesregierung – auch auf Nachfrage – nicht zu benennen.

Die Landesregierung führt weiter aus, dass Schutzbereich und Schranken des Grundrechts auf Meinungsfreiheit sich aus Artikel 5 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes ergeben. Hier heißt es, dass die Meinungsfreiheit Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre findet. Die Landesregierung macht dann aber keine Ausführungen dazu, warum sie Meinungsäußerungen erfassen will, die diesen Anforderungen genügen, von einer Nennung der – vermutlich nicht vorhandenen – Rechtsgrundlage für dieses Handeln ganz zu schweigen.

Auf die Frage, warum grundgesetzlich geschützte und legale Meinungsäußerungen überhaupt erfasst werden sollen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass hieraus staatliches Handeln resultieren soll, führt die Landesregierung als Beispiel eine mögliche Diskriminierung in der Gesellschaft, z. B. bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, an. Hierbei wird verkannt, dass die eigentlichen Probleme lauten: „Wohnungsmangel“, eine fehlende Qualifikation der Bewerber oder auch, im Zuge der Transformationspolitik, ein Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze. All diese Aspekte finden bei einer eher unterkomplexen Betrachtungsweise, sprich, wenn generell eine Diskriminierung unterstellt wird, keinen Niederschlag.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie definiert die Landesregierung diskriminierende Verhaltensweisen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, die möglicherweise rechtlich nicht erlaubt oder gar „gesellschaftlich zu billigen seien“ im Detail? (Bitte in diesem Zusammenhang auch konkrete Beispiele sowie die Rechtgrundlage benennen)
  2. Inwiefern ist bei einer derart unkonkreten Definition, die stark abhängig vom Auge des Betrachters ist, überhaupt die notwendige Neutralität gewahrt?
  3. Die Landesregierung führt in ihrer Antwort auf die Große Anfrage 23 aus, dass die Rechtsordnung nicht nur das Strafrecht umfasst. Welche Formen der Rechtsordnung meint die Landesregierung im Sinne der Funktion der Meldestellen darüber hinaus?
  4. Warum kategorisiert die Landesregierung die vier neuen Meldestellen überhaupt nach Themengebieten, wo sie doch angeblich alle Formen von Rassismus, Antiziganismus und Queerfeindlichkeit erfassen will, zugleich aber zahlreiche Konstellationen unbeachtet lässt?
  5. Die Landesregierung führt in ihrer Antwort auf die Große Anfrage 23 zu Recht aus, dass Schutzbereich und Schranken des Grundrechts auf Meinungsfreiheit sich aus Artikel 5 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes ergeben. Hier heißt es, dass die Meinungsfreiheit Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre findet. Warum will die Landesregierung vor diesem Hintergrund Meinungsäußerungen oder Handlungen erfassen lassen, die diesen Anforderungen genügen, und das dann auch noch ohne Nennung der – vermutlich nicht vorhandenen – Rechtsgrundlage?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-12467

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/9680