Kleine Anfrage: Anbau von Energiepflanzen für die Produktion von sogenanntem Bioethanol zur Beimischung in Kraftstoffen (E10) in Nordrhein-Westfalen

Kleine Anfrage
vom 28.02.2020

Kleine Anfrage 3425des Abgeordneten Christian Loose vom 28.02.2020

 

Kleine Anfrage: Anbau von Energiepflanzen für die Produktion von sogenanntem Bioethanol zur Beimischung in Kraftstoffen (E10) in Nordrhein-Westfalen

Die vor dem Hintergrund des Klimaschutzes erlassene Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (Richtlinie 2009/28/EG) sieht vor, dass die erneuerbaren Energien im Jahre 2020 einen Anteil von mindestens zehn Prozent am Endenergieverbrauch des Verkehrssektors umfassen sollen.

Zusätzlich verlangt die EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie (Richtlinie 2009/30/EG) eine Einsparung von auf der Grundlage von Kraftstoffen emittierter Treibhausgase in Höhe von mindestens sechs Prozent im Jahre 2020 gegenüber dem Jahre 2010.

Zur Erreichung dieser Ziele sind die Unternehmen der Mineralölwirtschaft in Deutschland nach Paragraf 37a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) dazu verpflichtet, einen jährlich ansteigenden Mindestanteil von sogenannten Biokraftstoffen in den Verkehr zu bringen (Biokraftstoffquote).

Mit der Neufassung der Kraftstoffqualitäts-Verordnung (Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen – 10. BImschV) Ende des Jahres 2010 wurden dabei insbesondere die Beimischungsgrenzen für das sogenannte Bioethanol im Ottokraftstoff von bisher fünf auf bis zu zehn Volumenprozent erhöht. Auf diese Weise soll den Mineralunternehmen die Einhaltung der nach dem BImSchG vorgegebenen Biokraftstoffquote ermöglicht werden.

Die durch diese politischen Zielvorgaben hervorgerufene verstärkte „Bio“-Kraftstoff-Nachfrage führte unter anderem zu einer weltweiten Ausweitung der Anbauflächen für die Produktion der Grundstoffe (Pflanzen) für sogenanntes Bioethanol.

Folgen dieser Anbauflächenvermehrung und -umwidmung sind nicht nur gravierende Veränderungen des Landschaftsbildes sowie der Wegfall bisher für die Nahrungsmittelproduktion landwirtschaftlich genutzter Flächen. Die Umwandlung ökologisch bedeutender Flächen wie beispielsweise Wäldern, Mooren oder Grünland in Ackerland führt nämlich auch zu indirekten Landnutzungsänderungen (indirect land use change, iLUC), wodurch erhebliche CO2-Mengen freigesetzt werden. Die staatlich verordnete Reduktion von CO2-Mengen wird so relativiert.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Arten von Energiepflanzen werden nach Kenntnis der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen für die Produktion von sogenanntem Bioethanol angebaut?

2. Wie hoch war der Anteil der Anbaufläche von Energiepflanzen für die „Bio“-Ethanolproduktion im Verhältnis zur landwirtschaftlich genutzten Gesamtfläche in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2019? (Bitte nach Pflanzenart und Flächenanteil in Hektar aufschlüsseln)

3. Hat die Landesregierung Kenntnis davon, wie sich die Anbaufläche von Energiepflanzen für die Produktion von sogenanntem Bioethanol in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahre 2010 entwickelt hat? (Bitte chronologisch nach einzelnen Jahren und Pflanzenarten aufschlüsseln)

4. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus für die „Bio“-Ethanolproduktion auf die biologische Vielfalt?

5. Wie hoch wäre nach Kenntnis der Landesregierung der Flächenbedarf (in Hektar) für den Anbau von Energiepflanzen in Nordrhein-Westfalen, um die gesamte Ottokraftstoff-Nachfrage in Nordrhein-Westfalen mit reinem „Bio“-Ethanol (E100) zu befriedigen?

Christian Loose

 

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Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 25.03.2020

 

Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 3425 mit Schreiben vom 25. März 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet.

1. Welche Arten von Energiepflanzen werden nach Kenntnis der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen für die Produktion von sogenanntem Bioethanol angebaut?

2. Wie hoch war der Anteil der Anbaufläche von Energiepflanzen für die „Bio“-Ethanolproduktion im Verhältnis zur landwirtschaftlich genutzten Gesamtfläche in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2019 (Bitte nach Pflanzenart und Flächenanteil in Hektar aufschlüsseln).

3. Hat die Landesregierung Kenntnis davon, wie sich die Anbaufläche von Energiepflanzen für die Produktion von sogenanntem Bioethanol in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahre 2010 entwickelt hat? (Bitte chronologisch nach einzelnen Jahren und Pflanzenarten aufschlüsseln)

Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 – 3 zusammen beantwortet.

Die amtliche Statistik zur Bodennutzung unterscheidet lediglich zwischen den angebauten Feldfrüchten, gibt jedoch keine Auskunft zu deren Verwendung (z.B. als Lebensmittel, Futtermittel oder Rohstoff zur stofflichen oder energetischen Nutzung). Der Landesregierung liegen demnach zu den Fragen 1 – 3 keine gesicherten Kenntnisse vor.

Grundsätzlich kommen für die Produktion von Bioethanol alle zucker- oder stärkehaltigen Kulturen (z.B. Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Mais) in Frage. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe schätzt den Anbau von Pflanzen für die Produktion von Bioethanol bundesweit auf ca. 290.000 Hektar (2019), dies würde bei einer landwirtschaftlich genutzten Gesamtfläche in Deutschland von ca. 16,7 Mio. Hektar einem Anteil von ca. 1,7 Prozent entsprechen. Umfangreiche Daten zu Anbau und Nutzung Nachwachsender Rohstoffe auf Bundesebene sind unter nachfolgendem Link verfügbar:

https://basisdaten.fnr.de/land-und-forstwirtschaft/landwirtschaft/

4. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus für die „Bio“-Ethanolproduktion auf die biologische Vielfalt?

Der Anbau von Kulturen für die Produktion von Bioethanol unterscheidet sich nicht wesentlich vom Anbau für andere Verwertungsrichtungen, insofern unterscheiden sich auch die Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus für Bioethanol auf die biologische Vielfalt nicht von denen eines Anbaus zum Zwecke der Erzeugung von Lebens- oder Futtermitteln.

Grundsätzlich eröffnet jedoch die Nutzung von Kulturpflanzen zur Energieproduktion neue, zusätzliche Nachfragepotenziale und führt dadurch zu einem stärkeren Nutzungsdruck auf die verfügbare Anbaufläche. Dieser erhöhte Nutzungsdruck führt – u.a. durch einen Rückgang nicht genutzter Brache- und Saumstrukturen – zu negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt – ungeachtet der Frage, welche Verwertungsrichtung hierfür letztlich verantwortlich ist.

5. Wie hoch wäre nach Kenntnis der Landesregierung der Flächen-bedarf (in Hektar) für den Anbau von Energiepflanzen in Nordrhein-Westfalen, um die gesamte Ottokraftstoff-Nachfrage in Nordrhein-Westfalen mit reinem „Bio“-Ethanol (E 100) zu befriedigen?

Der Verbrauch von Ottokraftstoff im Straßenverkehr lag 2017 für NRW bei 3,49 Mio t. Der Ethanolertrag am Beispiel von Weizen liegt je Hektar bei ca. 2,18 t. Dies entspricht wegen des geringeren Energiegehaltes von Ethanol jedoch nur etwa einer Menge von ca. 1,42 t Ottokraftstoff. Hieraus ergibt sich ein theoretischer Flächenbedarf zur Befriedigung der gesamten Ottokraftstoff-Nachfrage in Nordrhein-Westfalen von ca. 2,46 Mio. Hektar. Dem steht eine Ackerfläche in Nordrhein-Westfalen von ca 1,03 Mio. Hektar gegenüber.

 

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Beteiligte:
Christian Loose