Klimaverantwortung des Landes NRW seit dem Jahr 1850

Kleine Anfrage
vom 20.09.2023

Kleine Anfrage 2603

des Abgeordneten Christian Loose AfD

Klimaverantwortung des Landes NRW seit dem Jahr 1850

Die Landesregierung möchte Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas machen.1 Ministerpräsident Wüst sprach davon, dass „Nordrhein-Westfalen eine besondere Verantwortung beim Klimaschutz“ habe.2

Die Landesverwaltung soll gemäß Landesregierung bis zum Jahr 2030 „klimaneutral“ werden.3

Politische Maßnahmen sollten immer in einem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen. Angesichts der anhaltenden Energiekrise und den Folgen sogenannter „Klimaschutzmaßnahmen“ und ihrer Auswirkungen insbesondere auf die energieintensive Industrie in Nordrhein-Westfalen ist es notwendig, die geplante Reduzierung von CO2-Emissionen in ein Kosten-Nutzen-Verhältnis zu setzen und die Maßstäbe der Landesregierung, nach denen sogenannte „Klimaschutzmaßnahmen“ bewertet und auferlegt werden, nachzuvollziehen.

97 Prozent der jährlichen globalen CO2-Emissionen sind laut Weltklimarat (IPCC) natürlichen Ursprungs.4 3% der jährlichen CO2-Emissionen sind folglich menschengemacht. Davon betrug der Anteil Deutschlands Anteil an den globalen menschlichen CO2-Emissionen im Jahr 2021 1,82%. Die vier Länder China, USA, Indien und Russland machen hingegen über 56% der globalen menschengemachten CO2-Emissionen aus.5

Es ist wichtig zu bedenken, dass ein geringer Anteil der CO2-Emissionen aus Nordrhein-Westfalen an den globalen Emissionen auf einen geringen Nutzen durch teure Klimaschutzmaßnahmen hinweisen könnte. In Anbetracht der großen Herausforderungen und Belastungen, denen unsere energieintensive Industrie durch die sogenannte „Energiewende“ gegenübersteht, sollte die Verhältnismäßigkeit der politischen Entscheidungen gewissenhaft geprüft werden. Insbesondere, wenn auch Arbeitsplätze bedroht sind, hat die Politik die Pflicht, ihre Entscheidungen zu rechtfertigen und zu reflektieren.

Politische Entscheidungen müssen auf verlässlichen Daten basieren. Eine Betrachtung der Auswirkungen von sogenannten „Klimaschutzmaßnahmen“ ist auch in einem globalen Kontext erforderlich. Insbesondere ist es erforderlich, die möglichen negativen Folgen der „Energiewende“ und allgemein von „Klimaschutzmaßnahmen“ für unsere Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen in Relation zu einem belegten Nutzen der Reduzierung von CO2-Emissionen setzen.

Die Landesregierung hat im Jahr 2021 CO2-Kompensationszahlungen zu Preisen von 11,89 Euro/t CO2-Äquivalent getätigt.6

Da die Verhinderung einer behaupteten menschengemachten globalen Klimaerwärmung Grundlage des sogenannten „Klimaschutzes“ ist, stellt eine Bezifferung der Reduzierung des Temperaturanstiegs und der damit verbundenen Kosten hier wohl einen sinnvollen Maßstab dar.

Aufgrund der Betonung von Ministerpräsident Hendrik Wüst, dass Nordrhein-Westfalen eine „besondere Verantwortung beim Klimaschutz“ habe, sollte zunächst auch diese „besondere Verantwortung“ mit Daten unterlegt werden.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie groß sind die menschengemachten CO2-Emissionen NRWs seit dem Jahr 1850?
  2. Welchen Anteil haben die menschengemachten CO2-Emissionen NRWs seit dem Jahr 1850 im Vergleich zu allen menschengemachten CO2-Emissionen seit dem Jahr 1850?
  3. Welchen Temperaturanstieg haben diese Emissionen gemäß Frage 1 nach Kenntnis der Landesregierung weltweit verursacht?
  4. Welche Menge an menschengemachten CO2-Emissionen werden in NRW bis zum Jahr 2100 voraussichtlich nicht mehr emittiert, wenn die Landesregierung alle Klimaziele erreicht hat und NRW „klimaneutral“ geworden ist?
  5. Um wie viel Grad würde der globale Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 nach Einschätzung der Landesregierung reduziert werden, wenn die Emissionen gemäß Frage 4 eingespart würden?

Christian Loose

 

MMD18-6001

 

1 Vgl. u. a. https://www.cdu-nrw.de/sites/www.neu.cdu-nrw.de/files/zukunftsvertrag_cdu-grune.pdf, Seite 4 – abgerufen am 08.09.2023.

2 Vgl. https://www.land.nrw/pressemitteilung/ministerpraesident-hendrik-wuest-besucht-innovationsprojekte-zur-dekarbonisierung – abgerufen am 08.09.2023.

3 Vgl. https://www.lanuv.nrw.de/neu-klima/klimaschutz-in-nrw/klimaneutrale-landesverwaltung – abgerufen am 12.09.2023.

4 Vgl. https://www.lpb-bw.de/klimawandel oder auch https://www.focus.de/wissen/klima/die-zehn-thesen-der-klimaskeptiker-diskussion_id_2184017.html – abgerufen am 08.09.2023.

5 Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/179260/umfrage/die-zehn-groessten-c02-emittenten-weltweit/ – abgerufen am 05.09.2023.

6 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-3847.pdf – abgerufen am 05.09.2023.


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 2603 mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Landesregierung gründet ihre Haltung zum Klimawandel auf dem breiten naturwissen­schaftlichen Konsens, dass die anthropogenen Treibhausgas-Emissionen die Hauptursache für die Erderhitzung darstellen. So schreibt der Weltklimarat 2023 in seinem Synthesebericht: „Menschliche Aktivitäten haben eindeutig die globale Erwärmung verursacht, vor allem durch die Emission von Treibhausgasen.“

Fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse sind insofern eine unverzichtbare Grundlage und eines der wichtigsten Kriterien, die eine verantwortungsvolle und wirksame Klimaschutzpolitik ermöglichen. Die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Weltklima-rat), die auf Basis vorhandener Studien und unter Beteiligung von tausenden Wissenschaftle­rinnen und Wissenschaftlern den jeweils neuesten Kenntnisstand zum Klimawandel darstel­len, sind für die Landesregierung Grundlage des eigenen Handelns.

Der Beitrag von Europa, Deutschland und Nordrhein-Westfalen zum globalen Klimaschutz ist wichtig: Internationale Klimapolitik kann nur funktionieren, wenn die Staatengemeinschaft an einem Strang zieht und wenn alle Akteure ihre Verantwortung für die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ernst nehmen. Gerade Nordrhein-Westfalen als größtes In­dustrieland der Bundesrepublik kann mit herausragenden Beispielen, etwa im Bereich „Trans­formation der Industrie“, wichtige Impulse für Klimaschutz beisteuern.

Die Landesregierung verfolgt dabei den Ansatz, dass alle Regionen in Deutschland und Eu­ropa ihren Beitrag zu leisten und Verantwortung für den Klimaschutz zu übernehmen haben, nur so können die deutschen und europäischen Klimaschutzziele erreicht werden. Dement­sprechend darf ein vermeintlich kleiner Beitrag nicht suggerieren, dass kein Handlungsbedarf besteht und keine Verantwortung übernommen werden muss. Denn würden sich alle Regio­nen, die für sich genommen relativ wenig emittieren, darauf berufen, würde der europäische und internationale Klimaschutz insgesamt zum Stillstand kommen.

  1. Wie groß sind die menschengemachten CO2-Emissionen NRWs seit dem Jahr 1850?

Nordrhein-Westfalen unterhält ein Treibhausgas-Emissionsinventar, das sich an den Vorga­ben des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC 2006) orientiert. Mit dem Treib­hausgas-Emissionsinventar ist das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) beauftragt. Die Treibhausgase (THG) Kohlenstoffdioxid, Me­than, Lachgas sowie HFC, PFC, SF6 und NF3 werden darin für die IPCC-Sektoren Energie, Industrieprozesse, Landwirtschaft, Abfall und Sonstige detailliert dokumentiert. Die Zeitreihe der Emissionsberichterstattung reicht zurück bis zum Jahr 1990. Seit dem Jahr 2005 liegen Emissionsberichte des Emissionshandels vor, die eine wesentliche Basis des Treibhausgas-Emissionsinventars sind. Seitdem wird das Treibhausgas-Emissionsinventar Nordrhein-West­falen jährlich fortgeschrieben. Für den Zeitraum zwischen 1850 und 1990 liegen dem LANUV keine Emissionsdaten für Nordrhein-Westfalen vor.

Zur Beantwortung der Frage wird lediglich auf die Zeitreihe der CO2-Emissionen in Nordrhein-Westfalen eingegangen. Insgesamt wurden in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum zwischen den Jahren 1990 und 2022 rund 5,7 Mrd. t CO2 emittiert. Dabei haben sich die CO2-Emissionen von 315,6 Mio. t CO2 im Jahre 1990 auf 205,2 Mio. t CO2 im Jahr 2021 vermindert. Das ent­spricht einer Reduktion von rund 35 %.

  1. Welchen Anteil haben die menschengemachten CO2-Emissionen NRWs seit dem Jahr 1850 im Vergleich zu allen menschengemachten CO2-Emissionen seit dem Jahr 1850?

Seit den 1970er Jahren wurden weltweit 1,6 Billionen t CO2 emittiert7. Die Bundesrepublik Deutschland hat über den gleichen Zeitraum einen CO2-Ausstoß von rund 52 Mrd. t. CO2 zu verzeichnen. Da die Zeitreihe der nordrhein-westfälischen Emissionsberichterstattung nur bis in die 1990er Jahre zurückreicht (siehe Frage 1), kann ein Vergleich der CO2-Emissionen nur für die vergangenen 31 Jahre erfolgen. Seit dem Jahr 1990 wurden in Nordrhein-Westfalen rund 5,7 Mrd. t CO2 emittiert. Im gleichen Zeitraum wurden in Deutschland 17,8 Mrd. t CO2 ausgestoßen. Weltweit lagen die CO2-Emissionen bei 798,4 Mrd. t.

Grundsätzlich verfolgt die Landesregierung den Ansatz, dass eine jede eingesparte Tonne Treibhausgas zählt, gleichwohl welcher Einheit sie zuzuordnen ist (siehe auch Vorbemerkung der Landesregierung).

  1. Welchen Temperaturanstieg haben diese Emissionen gemäß Frage 1 nach Kennt­nis der Landesregierung weltweit verursacht?

Nordrhein-Westfalen erbringt mit seinen Klimaschutzaktivitäten auch einen Beitrag zum Errei­chen der europäischen Klimaschutzziele. Insoweit ist die relative Menge der Treibhausgas-Emissionen und der dadurch verursachte Anteil an der globalen Erwärmung durch Emissionen aus Nordrhein-Westfalens für die Landesregierung nicht allein handlungsleitend.

Klimaschutz ist eine globale Gemeinschaftsaufgabe, die nur gemeinsam gelingen kann. Un­abhängig von ihrer jeweiligen Größe muss jede Einheit ihren Beitrag leisten. Denn würden sich alle Regionen, die für sich genommen wenig emittieren aus der Verantwortung stehlen, würde der internationale Klimaschutz insgesamt zum Stillstand kommen (siehe auch Vorbemerkung der Landesregierung).

  1. Welche Menge an menschengemachten CO2-Emissionen werden in NRW bis zum Jahr 2100 voraussichtlich nicht mehr emittiert, wenn die Landesregierung alle Kli­maziele erreicht hat und NRW „klimaneutral“ geworden ist?
  2. Um wie viel Grad würde der globale Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 nach Einschätzung der Landesregierung reduziert werden, wenn die Emissionen ge­mäß Frage 4 eingespart würden?

Die Fragen 4 und 5 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Fragen können nicht beantwortet werden, weil unklar ist, wie ein potentieller Emissionsverlauf ohne Klimaschutz aussehen würde. Das Klimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (Gesetz zur Neufassung des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2021) sieht gemäß § 3 (1) und (2) Treibhausgas-Emissionsminderungen bezogen auf das Basisjahr 1990 vor. Kon­kret sieht das Klimaschutzgesetz Treibhausgas-Emissionsminderungen von mindestens 65 % bis zum Jahr 2030, Treibhausgas-Emissionsminderungen von mindestens 88 % bis zum Jahr 2040 sowie ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen in Nordrhein-Westfalen und dem Abbau solcher Gase durch Senken (Treibhaus-gasneutralität) bis zum Jahr 2045 vor. Legt man diese Gesamtemissionen Nordrhein-Westfa­lens im Jahr 1990 in Höhe von 367,0 Mio. t CO2eq, bzw. 315,6 Mio. t CO2 zu Grunde, beträgt die angestrebte Emissionsreduktion von 65 % bis zum Jahr 2030 239 Mio. t CO2eq, bzw. 205 Mio. t CO2. Im Jahr 2030 würden so bei Erreichung des gesetzlich vorgeschriebenen Klima-schutzziels in Nordrhein-Westfalen noch 128,6 Mio. t CO2eq, bzw. 110,4 Mio. t CO2 emittiert. Die Erreichung des Klimaschutzzieles im Jahr 2040 bedingt in Nordrhein-Westfalen eine Emis­sionsreduktion von 88 % gegenüber dem Basisjahr 1990. Dies entspricht einer Minderung von Treibhausgas-Emissionen in Höhe von 323 Mio. t CO2eq, bzw. einer Minderung von Kohlen­dioxid- Emissionen in Höhe von 278 Mio. t. Zur Erreichung des Klimaschutzziels der Treib-hausgasneutralität im Jahr 2045 müssten dieser Berechnung folgend noch weitere 44,1 Mio. t CO2eq, bzw. 37,9 Mio. t CO2 gemindert oder bilanziell über Senken ausgeglichen werden. Über das Erreichen der bilanziellen Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 hinaus legt das Kli-maschutzgesetz Nordrhein-Westfalen keine weiteren Klimaschutzziele fest. Zudem wird auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

 

MMD18-6586

Beteiligte:
Christian Loose