Köln: Razzia gegen Schleuser – Zwei Anwälte im Fokus der Ermittler

Kleine Anfrage
vom 27.05.2024

Kleine Anfrage 3875

der Abgeordneten Markus Wagner, Carlo Clemens, Enxhi Seli-Zacharias und Christian Loose AfD

Köln: Razzia gegen Schleuser Zwei Anwälte im Fokus der Ermittler

Wie die Kölnische Rundschau berichtete, hat die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bei einer großangelegten Razzia gegen eine international agierende Schleuserbande in acht Bundesländern zehn Beschuldigte verhaften lassen. Wie die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin mitteilte, stehen 38 mutmaßliche Bandenmitglieder und 147 Personen im Visier, die geschleust worden sein sollen. Den Beschuldigten werde vorgeworfen, in großem Stil vor allem an Chinesen gegen viel Geld Aufenthaltstitel verkauft zu haben. Zählt man später nachgeholte Familienangehörige hinzu, gehe es um etwa 350 zumeist chinesische Staatsangehörige, sagte der Düsseldorfer Staatsanwalt S. Hauptverdächtige sind zwei 42 und 46 Jahre alte Rechtsanwälte aus dem Raum Köln. Nach Rundschau-Informationen gab es in Köln sechs Festnahmen.1

Bei dem Großeinsatz durchsuchten mehr als 1000 Beamte der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft insgesamt 101 Wohn- und Geschäftsräume in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern. Ursprung der Ermittlungen seien ein Hinweis des deutschen Konsulats aus Kanton in China sowie zahlreiche Geldwäsche-Verdachtsanzeigen durch Banken gewesen, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Die Ermittlungen seien 2020 aufgenommen worden, wobei die Tatzeiten teilweise bereits in den Jahren 2016/2017 liegen. Neben dem Vorwurf der Schleusung ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen des Verdachts der Bestechung und Geldwäsche. Die Rechtsanwälte sollen über ihre Kanzleien reiche Ausländer angeworben haben – überwiegend aus China und dem arabischen Raum. Die Polizei berichtete:

„Mit der Aussicht auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis sollen die Geschleusten Beträge zwischen 30.000 und 350.000 Euro an die Kanzleien gezahlt haben.“2

Im Vergleich zu den meisten Menschen, die von Schleusern transportiert werden, habe es sich hier also um eine wohlhabende Klientel gehandelt. Die Hauptbeschuldigten stehen im Verdacht, mit den Geldern unter anderem Scheinfirmen gegründet, angebliche Wohnsitze finanziert und vermeintliche Lohnzahlungen fingiert zu haben. Die Aufenthaltserlaubnisse wurden den Ermittlern zufolge bei den Ausländerämtern der Städte Kerpen und Solingen sowie der Kreise Rhein-Erft und Düren erlangt. Dennoch seien der Stadt Kerpen keine Verdachtsmomente gegen den Kreis oder Mitarbeitende des Kreises bekannt. Die Stadt Kerpen teilte dazu mit:

„Nach hiesigen Erkenntnissen gibt es keine Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Kreisverwaltung.“3

Ähnlich äußerte sich auch der Rhein-Erft-Kreis. Zu den zehn Verhafteten gehört ein Mitarbeiter des Kreises Düren, der bei den Schleusungen maßgeblich beteiligt gewesen sein und dafür Bestechungsgelder erhalten haben soll. Im Jahr 2022 haben Bundeskriminalamt und Bundespolizei deutschlandweit 4.936 Fälle von Schleusungen registriert – ein Plus von knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hintergrund ist der starke Anstieg irregulärer Migration nach Europa, hieß es weiter. Im aktuellen Lagebild Schleusungskriminalität von 2022 heißt es, die Täter agierten „sehr professionell und flexibel“, auch gebe es eine zunehmende Risikobereitschaft. Wie der „Spiegel“ unlängst aus einem vertraulichen Papier der Bundespolizei zitierte, ist Deutschland unangefochten das Hauptzielland von Schleusungen.4

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wie viele der etwa 350 zumeist chinesischen Staatsangehörigen befinden sich in Nordrhein-Westfalen?
  3. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um weitere Schleusungen zu verhindern?
  4. In welchem Umfang werden den nach Deutschland eingeschleusten Personen im Einzelnen die Aufenthaltstitel wieder aberkannt?
  5. Wann werden die Personen, die im Zuge des Schleuserskandals nach Deutschland eingereist sind, wieder ausgewiesen?

Markus Wagner
Carlo Clemens
Enxhi Seli-Zacharias
Christian Loose

 

MMD18-9346

 

1 Vgl. https://www.rundschau-online.de/welt/razzia-gegen-schleuser-zwei-anwaelte-aus-koelner-raum-im-fokus-777882.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3875 mit Schreiben vom 11. Juli 2024 namens der Landesregierung im Einver­nehmen dem Minister des Innern, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisie­rung und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er­mittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vorna­men und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sons­tige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 29.05.2024 im Wesentlichen berichtet, dass sich das bei der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS NRW) anhängige Ver­fahren u. a. wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Aus­ländern und der Bestechung bzw. Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall derzeit gegen 206 Beschuldigte, davon 58 mutmaßliche Bandenmitglieder und 148 geschleuste Hauptantragsteller richte. Gegenwärtig werde von ca. 350 insgesamt geschleusten Personen ausgegangen. Den mutmaßlichen Bandenmitgliedern werde vorgeworfen, seit dem Jahr 2015 in unterschiedlicher Beteiligung den ausländischen Hauptantragstellern und deren Familien­mitgliedern gegen Zahlung von Geldbeträgen zwischen 30.000 und 350.000 Euro zur Einreise und zum dauerhaften Aufenthalt in Deutschland verholfen zu haben, indem sie bei den Aus­länderämtern der Städte Kerpen und Solingen sowie des Rhein-Erft Kreises und des Kreises Düren durch Vorlage inhaltlich unzutreffender ausländerrechtlicher Nachweise die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen erwirkten. Seit dem Jahr 2018 solle hierbei ein Angestellter des Kreises Düren gegen regelmäßige Barzuwendungen Einfluss auf die seitens des Kreises Dü-ren zu treffenden Entscheidungen genommen haben.

  1. Wie viele der etwa 350 zumeist chinesischen Staatsangehörigen befinden sich in Nordrhein-Westfalen?

Statistische Informationen über den jeweiligen aktuellen Aufenthaltsort aller angesprochenen Personen liegen der Landesregierung nicht vor.

  1. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um weitere Schleusungen zu verhindern?

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung am 27.02.2024 wurde durch Anpassungen in § 96 AufenthG bereits die Strafbarkeit des Einschleusens ausgeweitet. Zudem wurde u.a. der Strafrahmen für das Einschleusen auf 6 Monate bis zu 10 Jahre (§ 96 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) und der Strafrahmen bei gewerbs- und bandenmäßigem Einschleusen auf nicht unter 3 Jahre (§ 97 Abs. 2 AufenthG) angehoben.

Im Gesetzgebungsverfahren hat die Landesregierung den Entwurf des Bundes zu der vorge­nannten Verschärfung ausdrücklich unterstützt.

  1. In welchem Umfang werden den nach Deutschland eingeschleusten Personen im Einzelnen die Aufenthaltstitel wieder aberkannt?

Die entsprechenden Überprüfungen dauern noch an.

  1. Wann werden die Personen, die im Zuge des Schleuserskandals nach Deutschland eingereist sind, wieder ausgewiesen?

Betroffene Personen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, können mit einer entsprechenden Ordnungsverfügung ausgewiesen werden, wenn die Ermittlungen im Einzelfall abgeschlossen sind und nachweislich festgestellt werden konnte, dass ein Ausweisungsgrund vorliegt.

 

MMD18-9929