„Kölscher Klüngel“ auch im Zusammenhang mit dem Skandal rund um die 6-wöchige Unterbringung von durchschnittlich 46 Asylbewerbern in der Kölner Messe für 5,1 Mio. Euro (2.656 Euro pro Person und Tag)? Warum verweigert sich die Landesregierung der Aufklärung dieses Skandals?

Kleine Anfrage
vom 16.05.2024

Kleine Anfrage 3844

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

„Kölscher Klüngel“ auch im Zusammenhang mit dem Skandal rund um die 6-wöchige Unterbringung von durchschnittlich 46 Asylbewerbern in der Kölner Messe für 5,1 Mio. Euro (2.656 Euro pro Person und Tag)? Warum verweigert sich die Landesregierung der Aufklärung dieses Skandals?

Als „Kölscher Klüngel“ wird ein nepotistisches System auf Gegenseitigkeit beruhender Hilfeleistungen und Gefälligkeiten bezeichnet. Zahlreiche Korruptionsfälle führten in der Vergangenheit zu einer unrühmlichen Berühmtheit der Stadt.1 Die Ebene des Kavaliersdeliktes, die im berühmten Ausspruch Konrad Adenauers, u. a. Oberbürgermeister der Stadt Köln, deutlich wurde – „Mer kennt sich, mer hilft sich“ –, wurde dabei oftmals weit überschritten.

So musste der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Heugel, OB-Kandidat der SPD, kurz vor der Wahl im Herbst 1999 zurücktreten, als seine Insidergeschäfte mit Aktien bekannt wurden. Im Zusammenhang mit dem Kölner Müll- und Spendenskandal wurde er ebenso wie sein Nachfolger im Fraktionsvorsitz, R., 2008 wegen Bestechlichkeit zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Der CDU-Vorsitzende, B. , wurde 2012 wegen Verschleierung einer Parteispende zu einer zehnmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

Im Mai 2018 berichtete die TAZ über den ehemaligen Kölner SPD-Fraktionschef und Landtagsabgeordneten Martin Börschel, der im Rahmen eines „Hinterzimmer-Deals“, an dem der CDU-Vorsitzende Petelkau und der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer F., beteiligt waren. Börschel sollte bis zu 500.000 Euro jährlich erhalten für einen Posten bei den Stadtwerken Köln, den es bisher nicht gab und der ohne Ausschreibung und Bewerbungsverfahren besetzt werden sollte. Nach Bekanntwerden dieses Deals wurde dieser nur durch eine späte Intervention der Kölner Oberbürgermeisterin Reker verhindert.2 Wie aus einem Artikel des Kölner Stadtanzeigers („Das Ende des Klüngelclubs“) hervorgeht, wurde als Konsequenz das Gremium „Ständiger Ausschuss“ bei den Stadtwerken entmachtet.3

Die Bild kommentierte seinerzeit: „Was wir nicht wissen – Was Grünen und CDU im Gegenzug für ihr Börschel-Ja versprochen wurde. Selbst seine eigene Partei lässt CDU-Chef Petelkau ratlos zurück. Einen „Coup wie in der Unterwelt“ nannte Kanzler-Enkel Konrad Adenauer den Fall.“4

Erinnert sei auch an den Skandal in Verbindung mit der CDU-Funktionärin H. , in dem es um ein Flüchtlingshotel ging.5 Bei ihrem Rücktritt verwies sie auf den Kölner CDU-Vorsitzenden Bernd Petelkau, der selbst in die Börschel-Affäre involviert sei und mit Steinen aus seinem Glashaus werfe.6

Auch im Zusammenhang mit einem weiteren, erst 2023 aufgedeckten möglichen Spendenskandal fiel der Name Petelkau. Seinerzeit erstattete die CDU eine Selbstanzeige.7 Vor dem Hintergrund zahlreicher oben geschildeter höchst irritierender Vorkommnisse in Köln ist die mangelnde Auskunftsbereitschaft der Landesregierung im Zusammenhang mit den völlig aus dem Ruder gelaufenen Kosten für die lediglich 6-wöchige Unterbringung von durchschnittlich 46 Asylbewerbern in der Kölner Messehalle mehr als schleierhaft.

Für den Zeitraum 1. Dezember 2023 bis 12. Januar 2024 sind dabei Kosten in Höhe von 5,1 Mio. Euro angefallen, umgerechnet folglich 122.185 Euro pro Tag oder 2.656 Euro pro untergebrachte Person und Tag.8 Der Aufsichtsratsvorsitzende der Koelncongress GmbH ist Bernd Petelkau.

Allein um möglichen Verdächtigungen und falschen Anschuldigungen zu begegnen, wäre in diesem Fall ein Höchstmaß an Transparenz seitens der Landesregierung geboten. Leider ist das genaue Gegenteil der Fall.

Zur Frage nach der Zusammensetzung der Kosten heißt es: „Zum Schutze eines fairen Wettbewerbs und des Geschäftsgeheimnisses der beteiligten Unternehmen ist eine differenziertere Darstellung der Beträge, die auf die Koelncongress GmbH entfallen sind, nicht möglich.“ Das mag unter normalen Umständen richtig sein. Im hier vorliegenden Fall sind die Kosten allerdings derart aus dem Ruder gelaufen, dass eine vollständige Aufklärung unausweichlich ist.

Offenbar zieht sich die Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Regelung nach dem Informationsfreiheitsgesetz zurück, vergisst aber hierbei, dass angefügter Grundsatz keine Gültigkeit hat, „wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat“. Bei einem derart krassen Missverhältnis von Kosten und Nutzen sehen wir dies als gegeben an.9

Auch zur aus unserer Sicht durchaus berechtigten Frage, warum nicht günstigere Alternativen zur Unterbringung von durchschnittlich 46 Personen genutzt wurden, antwortete die Landesregierung aus unserer Sicht nur mit Ausflüchten. „Das Angebot der Koelncongress GmbH zur Anmietung von Notflächen zur Unterbringung von Geflüchteten war geeignet, um mögliche Zugangsspitzen für den Zeitraum 28. November 2023 bis 12. Januar 2024 in das Landessystem abzupuffern und Vorsorge für die Zeit über den Jahreswechsel 2023/2024 zu treffen.“ Diese Antwort erscheint mehr als unbefriedigend, da – zum Vergleich – selbst eine Unterbringung im teuersten Hotel Kölns lediglich ein Zehntel der Kosten verursacht hätte.

Da, zum Vergleich, den meisten Senioren nach einem harten Berufsleben ein Betrag in Höhe von 2.656 Euro nicht im Monat – geschweige denn pro Tag – zur Verfügung steht, hat der Steuerzahler aus unserer Sicht statt Ausflüchten konkrete Antworten der Landesregierung verdient.

Ebenso unbefriedigend sind aus unserer Sicht die Antworten der Landesregierung in Bezug auf die Beteiligung des Aufsichtsratsvorsitzenden der Koelncongress GmbH, Bernd Petelkau (CDU), an diesem für mindestens eine Partei extrem lukrativen Deal.

Zusammenfassend sind die Antworten der Landesregierung nicht geeignet, für Aufklärung zu sorgen, und ebenso keinesfalls geeignet, um möglichen falschen Verdächtigungen und Anschuldigungen zu begegnen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie gedenkt die Landesregierung im Zusammenhang mit den exorbitant hohen Kosten für die Unterbringung von durchschnittlich lediglich 46 Personen in der Kölner Messe (2.656 Euro pro untergebrachte Person am Tag) dem Bürger zu erklären, wie es zu diesen Kosten kam, ohne die entstandenen Kosten näher aufzuschlüsseln und in diesem Zusammenhang für maximale Transparenz zu sorgen?
  2. Inwiefern erkennt die Landesregierung in diesem Fall ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an der Gewährung des Informationszugangs an?
  3. Inwiefern wurden u. a. mit der Koelncongress GmbH für den Fall einer mangelnden Notwendigkeit der Anmietung vertraglich eine Ausstiegsklausel oder andere Maßnahmen zur Reduktion der Kosten vereinbart? (Bitte in diesem Zusammenhang angeben, zu welchem Zeitpunkt deutlich wurde, dass die Kosten völlig aus dem Ruder laufen und warum nicht rechtzeitig gegengesteuert wurde)
  4. In welcher konkreten Form wurden die durchschnittlich 46 Personen in der Messehalle untergebracht? (z. B. Feldbetten, mobile Trennwände etc.)
  5. Im Falle eher ausweichender Antworten, wie bei den vorherigen Anfragen zu diesem Thema:10 Wie gedenkt die zuständige Ministerin ohne umfassende Transparenz zur Aufdeckung dieses Skandals die für ihr Amt so notwendige Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-9284

 

1 Vgl. https://koeln.mitvergnuegen.com/2024/kluengel/

2 Vgl. https://taz.de/Umstrittene-Personalie-in-Koeln/!5500660/

3 Vgl. https://www.ksta.de/koeln/kommentar-zum-neuanfang-bei-den-staadtwerken-das-ende-des-kluengelklubs-141837

4 Vgl. https://www.bild.de/regional/koeln/martin-boerschel/boerschel-affaere-in-koeln-55554088.bild.html

5 Vgl. https://www.welt.de/politik/deutschland/article175440604/Koeln-Wie-H-CDU-von-der-Fluechtlingskrise-profitiert.html

6 Vgl. https://www.ksta.de/kultur-medien/raffgier-und-uneinsichtigkeit-so-inszenierte-h-ihren-ruecktritt-198984

7 Vgl. https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/korruptionsverdacht-cdu-koeln-100.html

8 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-8955.pdf

9 Vgl. https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?Informationsfreiheit; §8

10 Vgl. Lt,-Drucksachen 18/8044 und 18/8955


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3844 mit Schreiben vom 24. Juni 2024 namens der Landesregierung beant­wortet.

  1. Wie gedenkt die Landesregierung im Zusammenhang mit den exorbitant hohen Kosten für die Unterbringung von durchschnittlich lediglich 46 Personen in der Kölner Messe (2.656 Euro pro untergebrachte Person am Tag) dem Bürger zu er­klären, wie es zu diesen Kosten kam, ohne die entstandenen Kosten näher aufzu­schlüsseln und in diesem Zusammenhang für maximale Transparenz zu sorgen?

Es wird auf die jeweiligen Vorbemerkungen der Landesregierung zur Beantwortung der Klei­nen Anfragen 3140 (Drucks. 18/ 8044) und 3378 (Drucks. 18/8955) verwiesen.

  1. Inwiefern erkennt die Landesregierung in diesem Fall ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an der Gewährung des Informationszugangs an?

Die Landesregierung hat dem Informationsbedürfnis unter Berücksichtigung der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen hinreichend Rechnung getragen.

  1. Inwiefern wurden u. a. mit der Koelncongress GmbH für den Fall einer mangelnden Notwendigkeit der Anmietung vertraglich eine Ausstiegsklausel oder andere Maß­nahmen zur Reduktion der Kosten vereinbart? (Bitte in diesem Zusammenhang angeben, zu welchem Zeitpunkt deutlich wurde, dass die Kosten völlig aus dem Ruder laufen und warum nicht rechtzeitig gegengesteuert wurde)

Die Notwendigkeit der Anmietung angesichts der im Oktober 2023 herrschenden Zugangslage von Geflüchteten nach Deutschland und Nordrhein-Westfalen und der damit verbundenen Auslastungslage der Landesunterbringungseinrichtungen wurde in den Vorbemerkungen der Landesregierung zur Beantwortung der Kleinen Anfragen 3140 (Drucks. 18/8044) und 3378 (Drucks. 18/8955) ausführlich dargestellt. Im Übrigen wurde die Anmietung der Messe Köln als Notunterkunft (NU) mit dem Zweck, als sog. Überlaufeinrichtung zur Verfügung zu stehen, von vorneherein auf den für die Unterbringung als potenziell kritischen Zeitraum von Dezember 2023 bis Mitte Januar 2024 (6 Wochen über den Jahreswechsel) begrenzt.

  1. In welcher konkreten Form wurden die durchschnittlich 46 Personen in der Mes­sehalle untergebracht? (z. B. Feldbetten, mobile Trennwände etc.)

Die Standards entsprachen einer Notunterbringung für einen kurzfristigen Aufenthalt weniger Tage.

  1. Im Falle eher ausweichender Antworten, wie bei den vorherigen Anfragen zu die­sem Thema: Wie gedenkt die zuständige Ministerin ohne umfassende Transparenz zur Aufdeckung dieses Skandals die für ihr Amt so notwendige Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen?

Die Landesregierung teilt die der Frage zugrundeliegende Bewertung nicht. Die Anmietung erfolgte im Rahmen eines planbaren Vorgehens zur Sicherstellung der Aufnahme und Unter­bringung von Geflüchteten angesichts einer im Herbst 2023 volatilen und herausfordernden Zugangslage. Die Landesregierung hat mit der Anmietung verlässlich Vorsorge zur Abwen­dung und Vermeidung möglicher Obdachlosigkeit von Geflüchteten getroffen und über diese informiert.

 

MMD18-9693