Kleine Anfrage 3025
des Abgeordneten Christian Loose AfD
Kohleausstieg und was dann – wo kommt dann der Gips her?
Der Abschlussbericht der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, kurz „Kohlekommission“ wurde mit Beschluss vom 26.01.2019 veröffentlicht. Er beinhaltet die Maßnahmen, die die einschlägigen politischen Akteure im Helmstedter Revier, Lausitzer Revier, Rheinischen Revier, Mitteldeutschen Revier und im gesamten Bundesgebiet ergreifen wollen, um den mit dem Kohleausstieg verbundenen Abbau von Arbeitsplätzen zu kompensieren und den damit einhergehenden Strukturwandel zu begleiten. Allein im Rheinischen Revier sind nach Feststellung der Kohlekommission 120.000 Arbeitsplätze betroffen, die es zu ersetzen gilt.1
Die Kohlekommission erkennt, dass der Kohleausstieg die heimische Bauindustrie und ihre Zulieferer von der Versorgung mit sogenanntem REA-Gips abschneiden wird und schreibt dazu: „Um die Wertschöpfungsketten der Gipsindustrie zu erhalten, sind Maßnahmen zu ergreifen, um den fortschreitenden Wegfall an REA-Gips durch eine zusätzliche umweltverträgliche Gewinnung von Naturgips auszugleichen.“2 REA-Gips fällt vor allem bei der Entschwefelung von Abgasen in Steinkohle- und Braunkohlewerken in großen Mengen an, er ist chemisch betrachtet identisch mit Naturgips und wird für dieselben Anwendungen genutzt. Derzeit beträgt der Anteil von REA-Gips an den bundesweit eingesetzten jährlichen Gipsrohstoffen ca. 55–60 %.3 Entsprechend ist die Ausweisung neuer Abbaugebiete für Naturgips erforderlich, um die benötigten Gipsmengen bereitzustellen.
Deshalb frage ich die Landesregierung:
- Welche Menge an REA-Gips wurde in den Jahren 2020, 2021 und 2022 in den Braun-und Steinkohlekraftwerken in NRW erzeugt?
- Wie gedenkt die Landesregierung diese entfallenden Mengen durch die Inanspruchnahme natürlicher Gipsvorkommen zu kompensieren?
- Während REA-Gips im Zuge der Abgasreinigung in Braun- und Steinkohlekraftwerken erzeugt wird, muss Naturgips seinem Namen entsprechend in der Natur gewonnen werden – welche Flächen werden hierzu durch den Wegfall des REA-Gipses in Anspruch zu nehmen sein, nachdem offenbar in NRW derzeit nirgends Naturgips abgebaut wird?4
- Wie harmoniert diese zusätzliche Inanspruchnahme an Abbauflächen nach Antwort zu Frage 3 mit dem Ziel der Landesregierung, die industrielle Wertschöpfung zukünftig möglichst naturschonend und flächensparsam zu gestalten?
- Wie wird es gelingen, Planungs- und Genehmigungsverfahren für die notwendigen Naturgipsvorkommen so rasch abzuschließen, dass diese Vorkommen mit dem Kohleausstieg 2030 bereits genutzt werden können?
Christian Loose
1 Vgl. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/A/abschlussbericht-kommission-wachstum-strukturwandel-und-beschaeftigung.pdf?__blob=publicationFile&v=1, abgerufen am 17.11.2023.
2 Vgl. ebenda, Seite 86.
3 Vgl. https://www.bgr.bund.de/Infogeo/DE/Downloads/AG_rohstoffe_bestandsaufnahme_ gipsvorkommen_deutschland_2021.pdf?__blob=publicationFile, Seite 15.
Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 3025 mit Schreiben vom 5. Januar 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung sowie dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.
- Welche Menge an REA-Gips wurde in den Jahren 2020, 2021 und 2022 in den Braun- und Steinkohlekraftwerken in NRW erzeugt?
Nur REA-Gips mit bestimmten Qualitätsparametern kann als Naturgips-Substitut in der Gipsverarbeitenden Industrie eingesetzt werden. Daher werden im Folgenden jene Mengen genannt, die nach Angaben der Betreiber in Stein- und Braunkohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen angefallen sind und als Naturgips-Substitut weiterverwendet wurden.
In den Jahren 2020 bis 2022 wurden folgende Mengen erzeugt und weiterverwendet:
Jahr | 2020 | 2021 | 2022 |
REA-Gips Menge [t] | 790.808 | 933.793 | 978.577 |
- Wie gedenkt die Landesregierung diese entfallenden Mengen durch die Inanspruchnahme natürlicher Gipsvorkommen zu kompensieren?
Der Wegfall des REA-Gipses sollte aus Sicht der Landesregierung im Wesentlichen durch Recycling, ressourcenschonende Bauweisen, die Einsparung von Primärrohstoffen (bspw. Wiederverwendung von Gipsprodukten), die Substitution durch andere Baustoffe sowie Importe kompensiert werden. Die Landesregierung beteiligt sich an länderübergreifenden Formaten wie z.B. der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA), um Lösungen zur Sicherstellung einer nachhaltigen Versorgung mit Gips zu erarbeiten und Möglichkeiten der Einsparung, der Substitution und des Recyclings von Gips zu diskutieren. Auch in landesinternen Dialogformaten wie dem Runden Tisch Zirkuläre Wertschöpfung NRW werden diese Themen behandelt.
- Während REA-Gips im Zuge der Abgasreinigung in Braun- und Steinkohlekraftwerken erzeugt wird, muss Naturgips seinem Namen entsprechend in der Natur gewonnen werden – welche Flächen werden hierzu durch den Wegfall des REA-Gipses in Anspruch zu nehmen sein, nachdem offenbar in NRW derzeit nirgends Naturgips abgebaut wird?
- Wie harmoniert diese zusätzliche Inanspruchnahme an Abbauflächen nach Antwort zu Frage 3 mit dem Ziel der Landesregierung, die industrielle Wertschöpfung zukünftig möglichst naturschonend und flächensparsam zu gestalten?
Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 gemeinsam beantwortet:
Auf Bitte der Wirtschaftsministerkonferenz hat der Bund/Länder-Ausschuss Bodenforschung (BLA-GEO) eine deutschlandweite Bestandsaufnahme der bekannten natürlichen Gipsstein-vorkommen und der landesplanerisch gesicherten Gips-Rohstoffflächen erarbeitet. Die rohstoffgeologischen Teilräume, in denen relevante Gipssteinvorkommen beschrieben sind, liegen nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern weit überwiegend in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Thüringen. Für die Primärgips-Gewinnung sind der Bestandsaufnahme des BLA-GEO zufolge derzeit ausreichend Lagerstätten aufgeschlossen.
Ob und in welchem Umfang Vorkommen, die derzeit nicht abgebaut werden bzw. derzeit als nicht gewinnbar eingestuft werden, im Hinblick auf die Sicherstellung einer nachhaltigen Versorgung Deutschlands mit Gips raumordnerisch in den jeweiligen Teilräumen für einen späteren Abbau gesichert werden können, obliegt angesichts der mit dem Rohstoffabbau konkurrierenden Flächennutzungsansprüche der Abwägungsentscheidung der zuständigen Länderbehörden im jeweiligen Fall.
- Wie wird es gelingen, Planungs- und Genehmigungsverfahren für die notwendigen Naturgipsvorkommen so rasch abzuschließen, dass diese Vorkommen mit dem Kohleausstieg 2030 bereits genutzt werden können?
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat auf Bitte der Wirtschaftsministerkonferenz bei den Ländern, in denen Gipsabbau erfolgt, best-practice-Beispiele für raumord-nerische Planungsverfahren und fachrechtliche Genehmigungsverfahren für den Gipsabbau abgefragt und diese Beispiele zusammengestellt. Das Ergebnis ist bereits veröffentlicht wor-den4.