Kleine Anfrage 3858
der Abgeordneten Sven W. Tritschler und Enxhi Seli-Zacharias AfD
Kommunale Spitzenverbände warnen: Einbürgerungswelle wird kommunale Verwaltungen überfordern
Im Jahr 2022 wurden fast 41.000 Personen in NRW eingebürgert und mit dem deutschen Pass ausgestattet. Das entspricht einer Erhöhung von knapp 40 Prozent (29.250) zum Vorjahr. Die Zahl der Einbürgerungen wird für 2024 noch wesentlich höher geschätzt, da ab dem 27. Juni das vom Bund beschlossene reformierte Staatsbürgerschaftsrecht gilt.
Angesichts einer möglichen Steigerung der Anträge von 300 Prozent warnen die kommunalen Spitzenverbände vor einer Überlastung der Verwaltungen. Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags NRW konstatiert: „In Abhängigkeit von den jeweiligen Einwohner- und Fallzahlen muss mit einem Personalmehrbedarf von bis zu fünf Stellen pro Kreis gerechnet werden. Personal, das – aufgrund des allgemeinen Personal- und Fachkräftemangels – aktuell auf dem Arbeitsmarkt kaum verfügbar ist“.
Der Städtetag NRW prognostiziert: „Es ist absehbar, dass die Zahl der Anträge auf Einbürgerungen in kurzer Zeit massiv steigen wird“. Und weiter: „Wir sind ein Einwanderungsland. In den Städten leben viele Menschen mit Migrationsgeschichte, deswegen rechnen wir auch mit mehr Anträgen als in anderen Bundesländern.“ Der Landkreistag warnt zusätzlich davor, dass die drohende Einbürgerungswelle vielen – ohnehin finanziell schwachen – Kommunen auf den Geldbeutel schlagen werde und der Lösungsvorschlag, die deutsche Staatsbürgerschaft online zu beantragen, nicht ausreiche.
Der WDR berichtete am 8. Mai 2024 davon, dass Einbürgerungstermine in Bochum für 250 Euro verkauft wurden. Einem Team des WDR sei es möglich gewesen, auf diesem Wege einen der begehrten Termine zu erhalten. Die zuständige Behörde schließt nicht aus, dass es sich bei dem Hehler um einen Mitarbeiter der Stadt Bochum handelt.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um eine Überbelastung der Kommunen vor dem Hintergrund des reformierten Einbürgerungsrechts zu verhindern? Welche Kosten werden nach Schätzung der Landesregierung ab dem 27. Juni 2024 auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen zukommen?
- Welche Kosten werden nach Schätzung der Landesregierung ab dem 27. Juni 2024 auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen zukommen?
- Wie viel Personal fehlt den Kommunen nach Schätzung der Landesregierung, um die drohende Einbürgerungswelle zu bewältigen?
- Wie plant die Landesregierung, den möglichen Personalmehrbedarf in den kommunalen Verwaltungen aufgrund der erwarteten Einbürgerungswelle zu decken?
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zu den Vorfällen in Bochum?
Sven W. Tritschler
Enxhi Seli-Zacharias
Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung hat die Kleine Anfrage 3858 mit Schreiben vom 2. Juli 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um eine Überbelastung der Kommunen vor dem Hintergrund des reformierten Einbürgerungsrechts zu verhindern?
Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration finanziert mindestens je eine volle zusätzliche Personalstelle in Kommunen mit einer eigenen Einbürgerungsbehörde über das kommunale Integrationsmanagement (KIM Baustein 3).
Des Weiteren sind die weiteren Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) Teil des Weiterbildungsprogrammes für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Ausländerbehörden. Die Kosten werden vollständig vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration übernommen. Das Weiterbildungsprogramm wurde mit dem Kommunalen Bildungswerk e.V. im April 2022 vereinbart und umfasst insgesamt 48 Veranstaltungen zu diversen ausländerrechtlichen Themen, davon neun mit Schwerpunkt im Staatsangehörigkeitsrecht.
Um die Einbürgerungsbehörden vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung zu unterstützen, hat die Fachabteilung des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration im Rahmen von Präsenzterminen in allen fünf Regierungsbezirken mit Teilnehmenden aus allen Einbürgerungsbehörden die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes detailliert vorgestellt. In diesem Zusammenhang wurden Best-Practices erarbeitet und Fragen der Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter beantwortet. Zusätzlich wurden auch Digitali-sierungsmaßnahmen im Rahmen der Präsentation vorgestellt. Die Fachabteilung organisiert zudem derzeit einen Austausch der für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen obersten Landesbehörden Deutschlands zur Novelle des Staatsangehörigkeitsrechts, um den fachlichen Austausch im Länderkreis noch vor der Sommerpause anzustoßen. Das Ziel ist u.a. die weitergehende Erarbeitung von Best-Practices und Anwendungshinweisen für die kommunalen Behörden.
Seit dem ersten Quartal 2023 können die Einbürgerungsbehörden des Landes die OZG-Leis-tung „Einbürgerung“ nachnutzen. Dem Antrag ist ein unverbindlicher Quick-Check der Einbürgerungsvoraussetzungen vorgeschaltet. Im Hinblick auf die Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht wird der Dienst derzeit überarbeitet.
- Welche Kosten werden nach Schätzung der Landesregierung ab dem 27. Juni 2024 auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen zukommen?
Die Personal- und Organisationsplanung liegt im Bereich der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung. Infolgedessen liegen der Landesregierung hierzu keine Daten vor.
- Wie viel Personal fehlt den Kommunen nach Schätzung der Landesregierung, um die drohende Einbürgerungswelle zu bewältigen?
Die Personal- und Organisationsplanung liegt im Bereich der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung. Infolgedessen liegen der Landesregierung hierzu keine Daten vor.
- Wie plant die Landesregierung, den möglichen Personalmehrbedarf in den kommunalen Verwaltungen aufgrund der erwarteten Einbürgerungswelle zu decken?
Mangels Anlass (vgl. Antwort zu Frage 3) gibt es hierzu keine Planungen seitens der Landesregierung.
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zu den Vorfällen in Bochum?
Die Stadt Bochum hat diesen Vorfall, nach eigenen Angaben, zum Anlass für eine Änderung im Terminmanagement genommen: pro Tag und E-Mailadresse kann nur eine Terminbuchung platziert werden.
Ferner hat die Stadt Bochum die Staatsanwaltschaft Bochum einbezogen: Nach Angaben der Stadt Bochum hat diese am 7. Mai mitgeteilt, dass nach derzeitiger Sachlage weder ein Anfangsverdacht bezogen auf korruptes Verhalten noch bezogen auf allgemeine Vermögensdelikte bzw. Computerkriminalität bejaht werden könne.
Darüber hinaus werden die Abläufe in der Einbürgerungsstelle im Hinblick auf die Recher-cheergebnisse evaluiert und weitere Anpassungen geprüft.
Durch die Einführung der OZG-Leistung „Einbürgerung“ wird nach Angaben der Stadt Bochum dem in Rede stehenden Missbrauch der Boden entzogen.