Antrag
der Fraktion der AfD
Konsequente Anwendung des Instruments der Abschiebungsanordnung gemäß § 58a Aufenthaltsgesetz in NRW zur Abwendung besonderer Gefahren für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland
I. Ausgangslage
Seit dem Jahr 2005 gibt es mit dem § 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ein Instrument, mit dem ohne vorherige Ausweisung eine sogenannte Abschiebungsanordnung erlassen werden kann. In der Verwaltungsvorschrift heißt es bezüglich der Rechtsfolge:
„Mit Erlass der Abschiebungsanordnung erlischt zugleich der Aufenthaltstitel (§ 51), die Auf-enthaltsgestattung (§ 67 AsylVfG) oder Duldung. Hierdurch wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Betroffene auf richterliche Anordnung in Abschiebungshaft (Sicherungshaft) genommen werden kann.“1
Die Abschiebungsanordnung kann dabei sowohl von der obersten Landesbehörde als auch vom Bundesinnenministerium erlassen werden. Wie aus der Stellungnahme eines Richters im 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hervorgeht, ist für erst- und letztinstanzliche Rechtsschutzanträge im Zusammenhang mit Abschiebeanordnungen gemäß § 58a AufenthG ausschließlich der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts zuständig. In diesem Zusammenhang gab es bisher seit 2017 13 Verfahrenskomplexe, davon einen resultierend aus einer Abschie-beanordnung der obersten Landesbehörde in NRW (vgl. 1 VR 7.17 bzw. 1 A 7.17). In 12 von 13 Fällen hatten dabei die Rechtsschutzanträge gegen die Verfügung der obersten Landesbehörden keinen Erfolg.2 Hierdurch wird die Effektivität dieses Instruments belegt.
Wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Seli-Zacharias (AfD) hervorgeht, kam dieses Instrument gemäß § 58a Abs. 1 AufenthG in NRW bislang erst in sieben Fällen zur Anwendung, also in Folge eines Erlasses durch die oberste Landesbehörde.3 In sechs dieser Fälle erfolgte eine Rückführung auf Grundlage einer Ab-schiebungsanordnung nach § 58a AufenthG. In einem Fall wurde die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG zwar aufgehoben; gleichwohl erfolgte eine Rückführung auf einer anderen Rechtsgrundlage. In zwei Fällen wurden keine Rechtsbehelfe gegen die Abschiebungsan-ordnung nach § 58a AufenthG eingelegt. In drei Fällen wurden die ursprünglich gegen die Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG erhobenen Klagen zurückgenommen. In einem Fall wurde das Klageverfahren eingestellt, da die Beteiligten infolge der Aufhebung der Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten. In einem Fall wurde die Klage gegen die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG abgewiesen.4
Von Seiten des Bundesinnenministeriums wurde bisher in keinem Fall die Übernahme der Zuständigkeit in Bezug auf eine Abschiebungsanordnung gemäß § 58a Abs. 2 AufenthG erklärt.5
Neben dem Tatbestandsmerkmal der „besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ gibt es als weiteren möglichen Anwendungsfall der Abschiebungsanord-nung die „terroristische Gefahr“. In der Verwaltungsvorschrift heißt es dazu:
„Hierunter fallen sowohl terroristische Bestrebungen, die geeignet sind, eine beachtliche Gefahrenlage im Bundesgebiet zu erzeugen, als auch solche, die der Vorbereitung terroristischer Anschläge in anderen Staaten dienen. Als Tätigkeiten, die eine terroristische Gefahr begründen können, kommen insbesondere die in § 54 Nummer 5 genannten Handlungen in Betracht. Allerdings kommt, anders als beim Ausweisungstatbestand des § 54 Nummer 5, diese Tatbestandsalternative auch außerhalb terroristischer Strukturen, die ein auf längere Dauer angelegtes Zusammenwirken von mehr als zwei Personen erfordern, zum Tragen. Damit werden auch Einzeltäter erfasst.“
Hierbei handelt es sich um die Fälle, in denen der Ausländer „zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
- gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
- Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
- Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.“ (§ 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG)
Die genannten Merkmale zum Erlass einer Abschiebungsanordnung bei einer terroristischen Gefahr sehen wir beispielsweise bei den zahlreichen Anti-Israel-Demos in vielen Fällen als gegeben an. Besonders eklatant war hierbei nach der Ausrufung des Kalifats bei einer Demonstration in Essen am 04.11.20236 insbesondere der Vorfall am 15.05.2025 in Berlin-Kreuzberg am Rande einer pro-palästinensischen Kundgebung zum Nakba-Gedenktag, bei dem ein Polizist schwer verletzt wurde.7
Bei derartigen Aufmärschen ist es mehr als fraglich, ob diese noch durch das Versammlungsrecht gedeckt sind.8 Ein Berliner Bezirksbürgermeister sagte WELT AM SONNTAG: „Was dort [am 15.05.2025 in Berlin] passiert ist, kann ich nur als Mordversuch an einem Polizeibeamten deuten. Manche haben endgültig jeden Bezug zu unserer Demokratie und unserem Gemeinwohl verloren.“ Dafür könne es kein Verständnis, sondern nur Härte geben. „Es gibt eine starke Radikalisierung in diesem Milieu und eine damit einhergehende, verstärkte Gewaltbereitschaft“, hieß es von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Nötig sei eine grundsätzliche versammlungsrechtliche Neubewertung bei sogenannten propalästinensischen Demonstrationen. „Häufig handelt es sich um reine Israelhass-Veranstaltungen und nicht um Demonstrationen für die Rechte und legitimen Anliegen der Palästinenser“, erklärte die Gesellschaft. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin wertet den Vorfall als einen „Angriff auf Organe des Rechtsstaats“.9
Ebenfalls in Berlin wurde am 21.06.2025 bei einer ähnlich gelagerten Veranstaltung u. a. die Fahne der Taliban gehisst – unpassenderweise direkt vor dem Reichstagsgebäude. Ein anderer Teilnehmer der Veranstaltung trug eine Fahne mit dem islamischen Glaubensbekenntnis auf schwarzem Grund, welches visuell an das Logo der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ er-innert.10 Am Rande dieses Aufmarsches mit bis zu 15.000 Teilnehmern wurde eine 30-köpfige, völlig friedliche Pro-Israel-Demo aufgelöst, nach Angaben der Polizei, weil sich die Sicherheit der Teilnehmer nicht gewährleisten ließ.11 Das Gesamtbild, welches sich hier widerspiegelt, ist für unseren Rechtsstaat geradezu verheerend.
Völlig unzureichend erscheint die Gefahrenabwehr, wenn es um die Abschiebung ausländischer Gefährder und relevanter Personen geht. Zur allgemeinen Sicherheitslage führte die Bundesregierung aus: „Die Bundesrepublik Deutschland steht unverändert im unmittelbaren Zielspektrum islamistischer terroristischer Organisationen. Es besteht eine abstrakt hohe Gefahr für islamistisch motivierte Anschläge. Besondere Relevanz entfaltet in dieser Hinsicht bereits seit einigen Jahren der sogenannte Islamische Staat (IS). […] Auf die jüngeren Entwicklungen im Bereich des islamistischen Terrorismus wirkte sich insbesondere die Situation im Nahen Osten seit dem Terroranschlag der HAMAS gegen Israel am 7. Oktober 2023 aus. Islamistische Gruppierung gen nutzen und befördern die Emotionalisierung, die mit dem Nahost-Konflikt und der humanitären Lage vor Ort einhergeht, für propagandistische Zwecke. In diesem Zuge wird der Nahost-Konflikt auch dafür genutzt, zur Begehung von Anschlägen im „Westen“ und gegen Jüdinnen und Juden weltweit aufzurufen. Dieser Konflikt kann für Personen aus der jihadistischen Szene als Grund zur (weiteren) Radikalisierung und auch zur Rechtfertigung für die Begehung von Straftaten in Deutschland dienen.“12
Eindeutig ist in Bezug auf das Gefährdungspotential auch eine Aufschlüsselung nach den Ext-remismusbereichen im Zusammenhang mit den durch den Generalbundesanwalt eingeleiteten Ermittlungsverfahren. So heißt es von Seiten der Bundesregierung für den Anfang dieses Jahres: „Im Zeitraum vom 1. Januar bis 10. April 2025 hat der GBA 44 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus, ein Verfahren mit Bezug zum Rechtsextremismus, kein Verfahren mit Bezug zum Linksextremismus und 39 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum auslandsbezogenen Extremismus neu eingeleitet.“13
Leider ist trotz akuter Bedrohungslage im Zusammenhang mit Rückführungsmaßnahmen von Gefährdern, relevanten Personen und sonstigen sicherheitsrelevanter Personen eine mangelnde Entschlossenheit sowohl der Bundes- als auch der Landesebene zu verzeichnen, was sich in den geringen Abschiebezahlen niederschlägt.14 Das gilt regelmäßig auch für Personen, die – mangels Abschiebung – in Deutschland Straftaten bis hin zu Anschlägen von erheblichem Ausmaß begehen können, obwohl sie bereits zuvor über ein ausgiebiges Vorstrafenregister verfügen. Es gilt daher auch zu prüfen, ob sich die zulässigen Tatbestandsmerkmale für eine Abschiebungsanordnung erweitern lassen.
Der deutsche Rechtsstaat muss wesentlich konsequenter als bisher auf diese Bedrohungslage reagieren – auch mit dem Mittel der Abschiebungsanordnung.
II. Der Landtag stellt fest,
- dass das offensichtlich höchst wirksame Instrument der Abschiebungsanordnung sowohl von der obersten Landesbehörde in NRW als auch vom Bundesinnenministerium nicht in ausreichendem Umfang zur Anwendung kommt,
- dass der Staat der akuten Bedrohungslage durch ausländische Mitbürger derzeit nicht mit der erforderlichen Härte begegnet und der Staat stattdessen vielfach als schwach angesehen wird sowie
- dass der zeitnahe Vollzug einer Abschiebung oftmals das einzig sinnvolle Mittel eines wehrhaften Staates zur Gefahrenabwehr ist, welches zugleich eine abschreckende Wirkung entfaltet.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- vom Instrument der Abschiebungsanordnung in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, also beim Vorhandensein des Tatbestandsmerkmals der „besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ sowie beim Vorhandensein des Tatbestandsmerkmals einer „terroristische Gefahr“ zukünftig konsequent Gebrauch zu machen;
- zu prüfen, inwiefern sich weitere Tatbestandsmerkmale für eine Abschiebungsano rdnung ausländischer Staatsbürger verfassungskonform hinzufügen lassen (z. B. Gewalt-, Sexual- und Drogendelikte in schweren Fällen, organisierte Kriminalität, Clan-Kriminalität; eindeutig islamistische Bestrebungen) und in diesem Fall eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen;
- zu prüfen, ob sich eine Ausweitung der Tatbestandsmerkmale für einen Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 28 StAG auf oben aufgeführte oder ähnlich gelagerte staatsgefährdende Handlungen verfassungskonform realisieren lässt, und in diesem Fall eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen sowie
- im Zusammenhang mit oben aufgeführten Aufmärschen eine weitere Verschärfung des Versammlungsrechts zu prüfen, damit die Sicherheitsbehörden in oben genannten oder ähnlich gelagerten Fällen angemessener als bisher reagieren können.
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
und Fraktion
1 https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/pdf/BMI-MI3-20091026-SF-A001.pdf
2 Vgl. Vgl. Stellungnahme Prof. Dr. Fleuß; Parlamentarischer Untersuchungsausschuss „Solingen“; S. 40 f
3 Vgl. Lt.-Drucksache 18/13575
4 Ebd.
5 Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/20/151/2015110.pdf ; Frage 18
7 https://www.youtube.com/watch?v=NHu27eunDYQ und
8 Vgl. Versammlungsgesetz NRW, §§ 8,13,18,23,27,28
13 https://dserver.bundestag.de/btd/21/000/2100042.pdf, Frage 38