Antrag
der Fraktion der AfD
Konsequente Anwendung von Abschiebungsanordnungen gem. § 58a AufenthG zur Gefahrenabwehr und somit zur Stärkung der Inneren Sicherheit
I. Ausgangslage
Die Entscheidung der damaligen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vom 4. September 2015, die Einreisekontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen unter Verstoß gegen Artikel 16a GG i.V.m. § 18 AsylG sowie der Dublin-III-Verordnung auszusetzen, hat Bund und Länder nicht nur vor erhebliche finanzielle Herausforderungen gestellt,1 sondern auch tiefgreifende rechtliche und gesellschaftliche Konsequenzen nach sich gezogen. Diese ohne gesetzliche Grundlage und ohne Einbindung des Gesetzgebers getroffene Maßnahme2 führte zu einem staatlichen Kontrollverlust,3 der eine sukzessive Erosion der Inneren Sicherheit sowie einen erheblichen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit staatlicher Institutionen zur Folge hatte.
Ein besonders gravierendes Ergebnis dieser „Herrschaft des Unrechts“4 zeigt sich in einer Serie von Terroranschlägen, die seit 2015 zahlreiche Menschenleben gefordert haben. Der jüngste Höhepunkt dieser Gewalt war die Ermordung eines zweijährigen Jungen und eines 41-jährigen Mannes in Aschaffenburg am 22. Januar 2025. Diese Taten reihen sich ein in eine Kette von Gewaltexzessen, unter anderem in Hannover (2016), Würzburg (2016), Ansbach (2016), Berlin (2016), Hamburg (2017), Dresden (2020), Duisburg (2022), Brokstedt (2023), Mannheim (2024), Solingen (2024) und Magdeburg (2024). Hunderte Tote und Verletzte verdeutlichen die sicherheitspolitischen Defizite und die unzureichende Kontrolle durch den Staat, die dringend einer konsequenten und rechtlich fundierten Überarbeitung bedürfen, um die innere Sicherheit nachhaltig zu gewährleisten.
Fast alle dieser Fälle betrafen polizeibekannte, ausreisepflichtige Ausländer, die im Zuge der seit 2015 verstärkten Migrationsbewegung nach Deutschland eingereist waren und einen Asylantrag gestellt hatten. Besonders gravierend ist, dass mehrere dieser Täter bereits einen rechtskräftigen negativen Asylbescheid erhalten hatten und somit gemäß § 58 Abs. 2 Auf-enthG zur Ausreise verpflichtet waren. Aufgrund praktischer oder rechtlicher Abschiebungs-hindernisse – etwa fehlender Reisedokumente oder der Weigerung der Herkunftsstaaten, diese Personen zurückzunehmen – wurden sie in einigen Fällen gemäß § 60a AufenthG geduldet. Diese Duldungen führten dazu, dass sie trotz bestehender Ausreisepflicht weiterhin in Deutschland verblieben und schwere Straftaten, einschließlich Tötungsdelikten, begehen konnten. Dies offenbart erhebliche Vollzugsdefizite im Aufenthaltsrecht und unterstreicht die damit verbundenen sicherheitspolitischen Risiken.
Die seit Jahren ungelöste Problematik des Umgangs mit abgelehnten oder geduldeten Asylbewerbern, verbunden mit einer erheblichen Gefahr für die innere Sicherheit, hat sich nach den tragischen Ereignissen in Aschaffenburg zu einer veritablen Staatskrise ausgeweitet. Nie zuvor seit 2015 war das staatliche Versagen bei der Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung so offenkundig wie heute.
In dieser Situation ist die konsequente Anwendung von § 58a AufenthG – insbesondere auch für Ausländer mit einem humanitären Aufenthaltsstatus (§§ 22-26 AufenthG) – als präventives Instrument zur Abwehr erheblicher Gefahren ebenso unerlässlich wie eine umfassende Reform der gesetzlichen und administrativen Rahmenbedingungen, um bestehende sicherheitspolitische Defizite wirksam zu beheben.
§58a AufenthG bietet ein gezieltes Mittel, um ausländische Personen, die eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder die verfassungsmäßige Ordnung darstellen, frühzeitig in ihre Heimat zurückzuführen. Da die Anwendung auf einer fundierten Gefahrenprognose beruht und keine strafrechtliche Verurteilung voraussetzt, schafft die Norm einen klaren rechtlichen Rahmen zur präventiven Abwehr schwerwiegender Bedrohungen. In der Praxis bleibt ihre Durchsetzung jedoch oftmals begrenzt, insbesondere aufgrund eines Zielkonflikts zwischen den Schutzinteressen der betroffenen Person angesichts einer eventuellen schlechten bzw. menschenunwürdigen Behandlung im Herkunftsland sowie den berechtigten Sicherheitsinteressen der Gesellschaft vor der Realisierung terroristischer Gefahren durch die Person selbst oder in Folge einer Anstiftung durch eine andere Person. Dies kann in der angestrebten Anwendung einer Abschiebungsanordnung gem. § 58 a AufenthG zu einem Abwägungsprob-lem in Bezug auf Abschiebeverbote gem. § 60 Abs. 1–8 sowie mit Art. 3 EMRK führen.
Darüber hinaus ist eine intensivere behördenübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Landesverfassungsschutzämtern, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, den Gerichten und dem Bundesverwaltungsgericht (Erster Senat) erforderlich. Eine verbesserte Abstimmung bei der Einstufung von Gefährdern sowie eine priorisierte Bearbeitung von Verfahren nach § 58a AufenthG sind essenziell, um sicherheitsrelevante Erkenntnisse schneller in verwaltungsgerichtliche Entscheidungen einfließen zu lassen. Die Landesregierung muss geeignete Koordinationsmechanismen etablieren, um die Effektivität dieses Instruments zu maximieren und bestehende sicherheitspolitische Schutzlücken zu schließen.
Ein weiterer zentraler Punkt ist die unzureichende behördliche Koordination. Im Umgang mit kriminellen Asylbewerbern zeigt sich immer wieder, dass es sowohl an einem effizienten Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden als auch an klar definierten Zuständigkeiten für den Umgang mit Gefährdern mangelt.5 Die Rückführung ausreisepflichtiger Personen scheitert dabei nicht nur an praktischen Hindernissen wie fehlenden Reisedokumenten oder der Weigerung von Herkunftsstaaten, sondern auch an einer unzureichenden Abstimmung und Kooperation zwischen Bund, Ländern und internationalen Partnern.
Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 58a AufenthG bestätigt dessen rechtliche Belastbarkeit und die gerichtliche Anerkennung der sicherheitsbehördlichen Gefahrenprognosen. In zwölf von dreizehn Fällen wurden Abschiebungsanordnungen nach dieser Norm als rechtmäßig bestätigt, was die Eignung des Instruments zur präventiven Gefahrenabwehr unterstreicht.6 Bemerkenswert ist jedoch, dass keiner der entschiedenen Fälle aus Nordrhein-Westfalen stammt, obwohl dort laut Verfassungsschutz erhebliche sicherheitsrelevante Bedrohungspotenziale bestehen. Von den insgesamt 2.600 extremistischen Salafis-ten werden 600 als gewaltbereit angesehen, während 208 als Gefährder gelten.7
Dies lässt den Schluss zu, dass die zuständige oberste Landesbehörde entweder von der Anwendung des § 58a AufenthG bisher bewusst absehen hat oder nicht über hinreichend effektive Verwaltungsstrukturen verfügt, um dieses Instrument angemessen zur Gefahrenabwehr einzusetzen. Da die Sicherheitsbehörden in der Lage sind, einschlägige Bedrohungslagen frühzeitig zu identifizieren, stellt die unzureichende Anwendungspraxis in Nordrhein-Westfalen eine sicherheitspolitische Schutzlücke dar. Angesichts der durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigten Wirksamkeit der Norm ist es daher erforderlich, die Nutzung von § 58a AufenthG insbesondere in Nordrhein-Westfalen zu intensivieren und eine einheitliche sowie konsequente Anwendungspraxis auf Landesebene sicherzustellen.
Staatspolitische Verantwortung bedeutet mehr als bloße punktuelle Anpassungen. Sie erfordert den konsequenten Einsatz bestehender rechtlicher Instrumente, insbesondere § 58a Auf-enthG, sowie die Weiterentwicklung des Systems, um sowohl präventiv als auch repressiv gegen Bedrohungen vorzugehen. Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass nur eine Kombination aus zentraler Koordinierung, beschleunigten Verfahren, klaren Regelungen und verstärkter internationaler Zusammenarbeit den sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht werden kann.
Die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern für die innere Sicherheit ist nicht nur eine verfassungsmäßige Verpflichtung, sondern auch ein zentraler Pfeiler des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Dabei ist insbesondere das Grundrecht der deutschen Bevölkerung auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Sicherheit (Art. 2 Abs. 2 GG) vorrangig zu schützen. Dieses Grundrecht muss in der Abwägung gegenüber den Persönlichkeitsrechten ausländischer Straftäter grundsätzlich überwiegen – insbesondere dann, wenn von diesen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Der Rechtsstaat ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, präventive und repressive Maßnahmen konsequent zu ergreifen, um die Bevölkerung vor Gefährdern zu schützen.
Diese Priorisierung des Schutzes der Allgemeinheit vor individuellen Rechten ist nicht nur juristisch legitim, sondern auch unverzichtbar, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die staatliche Sicherheitsarchitektur zu erhalten – und um weiteren Menschen das Leben zu retten.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Möglichkeit von Ab-schiebungsanordnungen gem. § 58a AufenthG bei ausländischen Personen, die eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr darstellen durch die zuständige oberste Landesbehörde konsequent einzusetzen, und dabei eng mit dem Bundesministerium des Innern (BMI) zu kooperieren.
- die behördenübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Landesverfassungsschutz-ämtern, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, ausländischen Diensten und dem für erst- und letztinstanzliche Rechtsschutzanträge zuständigen Bundesverwaltungsgericht zu intensivieren, um eine schnellere und effizientere Gefahrenbewertung sicherzustellen; dazu gehört insbesondere eine verbesserte Abstimmung bei der Einstufung nach § 58a AufenthG sowie eine priorisierte Bearbeitung von Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht;
- hierfür geeignete Koordinationsmechanismen einzuführen und sicherzustellen, dass sicherheitsrelevante Erkenntnisse schneller in verwaltungsgerichtliche Entscheidungen einfließen;
- strukturelle Defizite in der Anwendungs- und Vollzugspraxis zu analysieren und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um eine einheitliche und konsequente Nutzung dieses Präventivmittels sicherzustellen, sowie
- sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen werden, im Falle eines Abschiebeverbots bzw. Erwägungen gem. Art. 3 EMRK, die alternative Verbringung der betroffenen Personen in aufnahmebereite Drittstaaten zu ermöglichen.
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
und Fraktion
1 Das Land Nordrhein-Westfalen hat zwischen 2016 und 2024 insgesamt 9.921.877 Euro für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aufgewendet. Die Kosten des Bundes für 2023 belaufen sich auf 6,3 Milliarden Euro. https://www.bpb.de/themen/migration-integration/zahlen-zu-asyl/265776/asylbedingte-kosten-und-ausga-ben/
2 Rechtsauffassungen zur Einreiseverweigerung und Einreisegestattung im Zusammenhang mit der sog. Grenzöffnung. Dokumentation WD 3 – 3000 – 139/18. S. 8-9; abrufbar unter: https://www.bundestag.de/re-source/blob/563758/8285a2b6cfa0bc2538314d3a6f8b44c8/wd-3-139-18-pdf-data.pdf
3 Vgl. Di Fabio, Udo. „Migrationskrise als föderales Verfassungsproblem“, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung, 2016, S.13 ff; abrufbar unter: http://www.welt.de/bin/di-fabio-gutachten-150937063.pdf; Papier, Hans-Jürgen: Die Warnung. Wie der Rechtsstaat ausgehöhlt wird. Deutschlands höchster Richter a.D. klagt an. München 2019. S.123 ff.
4 „Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts“; in: Seehofer unterstellt Merkel Herrschaft des Unrechts. Neue Passauer Presse. 3. Februar 2016.
5 Fleuß 2025. S. 35.
6 Vgl. ebd. S. 40 ff.
7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2023. S. 31, 231, 375.