Krefeld: Schule verhängt Toiletten-Verbot wegen Vandalismus – Eine übertriebene oder erforderliche Maßnahme?

Kleine Anfrage
vom 11.10.2024

Kleine Anfrage 4624

der Abgeordneten Markus Wagner und Dr. Christian Blex AfD

Krefeld: Schule verhängt Toiletten-Verbot wegen Vandalismus Eine übertriebene oder erforderliche Maßnahme?

„Innerhalb kürzester Zeit wurden insbesondere die Jungentoiletten in einem Ausmaß verwüstet, das ein geordnetes uns sicheres Nutzen dieser Räumlichkeiten unmöglich machte.“1

Mit dieser Erklärung informierte die Schulleitung der Robert-Jungk-Gesamtschule in Krefeld-Hüls die Eltern kurz vor den Sommerferien in einem Brief, dass die vorherrschende Situation nicht mehr tragbar sei und Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Schule entschloss sich nun, ein Toiletten-Verbot zu verhängen, von dem etwa 650 Schüler betroffen sind, nachdem selbst durch Gespräche mit allen Schülern keine Besserung erzielt werden konnte. Die Toiletten sind seitdem abgeschlossen und werden nur in den großen Pausen geöffnet. Der Toilettengang während des Unterrichts oder in den kleinen Pausen ist nur noch mit ärztlichem Attest möglich. Weiter heißt es in dem Brief an die Eltern:

„Aufgrund weiterer Beobachtungen, die belegten, dass sowohl in den Jungen- als auch in den Mädchentoiletten während der Unterrichtszeiten geraucht, unerlaubt Videos gedreht und verbreitet sowie mit Drogen gehandelt wurde, haben wir beschlossen, die Toiletten nicht mehr ganztätig unbeaufsichtigt zu lassen.“2

Darüber hinaus verweist die Schulleitung auf die Tatsache, dass es „vor den Sommerferien regelmäßig Polizeipräsenz“ an dem „Standort in Hüls“ gegeben haben, „um die Lage unter Kontrolle zu bringen“. Dies sei mit der Prämisse geschehen, „um das Sicherheitsgefühl, insbesondere [der] jüngeren Schülerinnen und Schüler“ zu stärken. Allerdings konnte ein Polizeisprecher auf Anfrage der Bild-Zeitung nur einen derartigen Einsatz bestätigen, der Ende Juni stattfand, nachdem das Toiletten-Verbot bereits umgesetzt war.3

Einige Eltern sind darüber verärgert, dass es die Schule in den Ferien nicht schaffte, ein Konzept zu erarbeiten, dass ermöglichte, die Toiletten wieder zu öffnen. Dementsprechend äußerte sich eine Mutter wie folgt:

„Ich bin maßlos enttäuscht. Hier geht es um das Wohl der Kinder und ihre Unversehrtheit. Die Toiletten zu schließen ist für mich keine pädagogische Lösung, sondern eine willkürliche Handlung. In den großen Pausen stehen die Kinder und Jugendlichen Schlange, wenn sie sich überhaupt trauen, mit so vielen gleichzeitig auf Toilette zu gehen. Deshalb halten sie bis zu Hause aus, wenn sie es denn überhaupt schaffen.“4

Juristen schätzen das Verbot eines Toilettenbesuchs als massive Menschrechtsverletzung ein und sehen darin auch Straftatbestände. Diese könnten unter anderem Köperverletzung im Amt, Misshandlung Schutzbefohlener oder Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sein. Die Schule selbst verweist auf die Bezirksregierung und führt aus, dass „der Toilettenbetrieb […] nun geordnet“ verlaufe und „keinerlei Schäden durch Vandalismus“ mehr aufgetreten seien.5

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche Schulen in Nordrhein-Westfalen haben ebenfalls ein Toilettenbenutzungsverbot ausgesprochen? (Bitte nach Schule und Gründen des Verbots aufschlüsseln.)
  2. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass Schüler daran gehindert werden, außerhalb bestimmter Zeiten ihre Notdurft zu verrichten?
  3. Welche Informationen liegen der Robert-Jungk-Gesamtschule in Krefeld vor, um wen es sich um das Personenpotential handelt, das für den Vandalismus und den Drogenverkauf verantwortlich ist?
  4. Wie hat sich die Anzahl der Straftaten von 2010 bis heute jeweils pro Jahr an allen Schulen in Krefeld entwickelt?
  5. Welches Ranking der einzelnen Schulen in Krefeld nach Straftaten ergibt sich folglich aus den Ergebnissen von Frage 4?

Markus Wagner
Dr. Christian Blex

 

MMD18-11001

 

1 Vgl. https://www.bild.de/regional/nordrhein-westfalen/nrw-schule-in-krefeld-verhaengt-wc-verbot-wegen-vandalismus-66e58b122ae9155601905fe3?t_ref=https.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.

5 Ebenda.


Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 4624 mit Schreiben vom 22. November 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des In­neren und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Welche Schulen in Nordrhein-Westfalen haben ebenfalls ein Toilettenbenutzungs-verbot ausgesprochen? (Bitte nach Schule und Gründen des Verbots aufschlüs­seln.)
  2. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass Schüler daran gehindert werden, außerhalb bestimmter Zeiten ihre Notdurft zu verrichten?

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Den Schulen obliegt keine Anzeigepflicht ihrer getroffenen organisatorischen Maßnahmen und Regelungen zur Toilettenbenutzung gegenüber der Schulaufsicht. Diese werden auch statis­tisch nicht erhoben. Entsprechende Daten liegen der Landesregierung daher nicht vor.

Gemäß § 3 Absatz 1 Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen gestaltet die Schule den Unterricht, die Erziehung und das Schulleben im Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvor­schriften in eigener Verantwortung. Sie verwaltet und organisiert ihre inneren Angelegenheiten selbstständig.

Schülerinnen und Schülern kann der Gang zur Toilette nicht generell verboten werden. Die jeweilige Schule kann jedoch organisatorische Absprachen und Regelungen zur Sicherstel­lung einer geordneten Toilettennutzung treffen. Ob diese angemessen sind, ist eine Frage des Einzelfalls.

  1. Welche Informationen liegen der Robert-Jungk-Gesamtschule in Krefeld vor, um wen es sich um das Personenpotential handelt, das für den Vandalismus und den Drogenverkauf verantwortlich ist?

Nach Auskunft der Schule handelt es sich um Schülerinnen und Schüler der Robert-Jungk-Gesamtschule.

  1. Wie hat sich die Anzahl der Straftaten von 2010 bis heute jeweils pro Jahr an allen Schulen in Krefeld entwickelt?

Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfas­sung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nord­rhein-Westfalen umfangreiche und aufwendige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssiche-rungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten für das Jahr 2024 derzeit noch nicht qualitätsgesichert vor.

Seit 2019 bestehen in der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen zwei Möglichkei­ten die Örtlichkeit bzw. den Kontext Schule auszuwerten. Es wird dabei zwischen der „Tatört­lichkeit Schule“ und dem Ereignis „schulische Veranstaltung“ unterschieden. Ergänzend zu der bereits länger möglichen Auswertung der „Tatörtlichkeit Schule“ ist seit dem Jahr 2019 das mit dem Fall in Verbindung stehende Ereignis erfass- und auswertbar. Auf Schulen bezogen ermöglicht die Trennung von Örtlichkeit und Ereignis eine differenzierte Auswertung zwischen der reinen Tatörtlichkeit (räumliche Betrachtung) und einem schulischen Kontext (beispiels­weise Klassenfahrten, Schulsport außerhalb des Schulgeländes und der Schulweg). Die „Tat­örtlichkeit Schule“ hingegen umfasst alle Straftaten, die innerhalb eines Schulgebäudes, dem umfriedeten Gelände einer Schule oder im unmittelbaren Umfeld der Schule begangen wur­den. Die „Tatörtlichkeit Schule“ wird unabhängig von schulischen Veranstaltungen und Unter­richt bzw. Öffnungszeiten der Schulen erfasst.

Vor dieser Anpassung der Polizeilichen Kriminalstatistik im Jahr 2019 beinhaltete die „Tatört­lichkeit Schule“ Auswerteparameter des heutigen Ereignisses „schulische Veranstaltung“. Da­her sind die Fallzahlen für die „Tatörtlichkeit Schule“ der Jahre 2010 bis 2018 und die Fallzah­len ab 2019 nicht miteinander vergleichbar.

Die Fallzahlenentwicklung an der „Tatörtlichkeit Schule“ in der Kreispolizeibehörde Krefeld für die einzelnen Jahre bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen:

Jahr Fallzahlen
2023 297
2022 395
2021 220
2020 245
2019 256
2018 301
2017 276
2016 254
2015 228
2014 297
2013 247
2012 318
2011 286
2010 263

 

  1. Welches Ranking der einzelnen Schulen in Krefeld nach Straftaten ergibt sich folg­lich aus den Ergebnissen von Frage 4?

Eine Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen im Sinne der Frage­stellung ist automatisiert nicht möglich. Die hierfür notwendige händische Einzelfallauswertung ist in der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht leistbar.

 

MMD18-11548