Lärm, Dreck, Drogen – Brandbrief der Anwohner der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Mülheim-Raadt

Kleine Anfrage
vom 18.08.2023

Kleine Anfrage 2372

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Lärm, Dreck, Drogen Brandbrief der Anwohner der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Mülheim-Raadt

„Lärm, Dreck, Drogen“ – so lauten die Vorwürfe der Anwohner in Bezug auf die neue ZUE Mülheim-Raadt.1

Bis vor Kurzen galt die Neubausiedlung an der Theo-Wüllenkemper-Straße in Mülheim-Raadt als Idyll für Familien. Im Bericht des WDR ist die Rede von gepflegten Reihenhäusern mit Garten und einem Spielplatz in der Straße. Dieses Idyll hatte angeblich ein Ende, nachdem in unmittelbarer Nähe fast 600 Asylsuchende in einem ehemaligen Bürogebäude an der Parsevalstraße, der neuen ZUE in Mülheim-Raadt, einquartiert wurden. Die ZUE mit einer Kapazität von 650 Plätzen wurde erst im Juni in Betrieb genommen. Geplant ist eine zweijährige Nutzung.2

Massive Probleme im „gewünschten guten Miteinander“ führten dazu, dass sich die Anwohner jetzt an Innenminister Herbert Reul, die Ministerin für Flucht und Integration, Josefine Paul, die Bezirksregierung in Düsseldorf sowie den Oberbürgermeister von Mülheim, Marc Buchholz wandten. Danach stelle die hohe Anzahl an Menschen „ein massives Problem“ für Mülheim-Raadt dar. Berichtet wird auch von Lärm, Müll, Drogen und sogar von einem Einbruchsversuch. Wie der WDR berichtet, sei bedingt durch eine massive Lärmbelästigung an Schlaf teilweise nicht zu denken.3

Weiter heißt es: „In und um die Zentrale Unterbringungseinrichtung komme es zu vermehrtem Müllaufkommen. Essensreste landeten in privaten Papiermülltonnen. Leere Alkoholflaschen und Restmüll würden achtlos entsorgt.“ „Junge Männer“ würden den Spielplatz zudem zum abendlichen Alkoholtrinken nutzen. Berichtet wird auch von Drogenkonsum in der Umgebung der ZUE.4

Die Sozialdezernentin der Stadt Mülheim äußerte sich gegenüber dem WDR und bestätigte: „Auch wir sind der Auffassung, dass hier zum Teil Grenzen überschritten werden und dass es einen akuten Handlungsbedarf gibt.“ Nach Informationen des WDR habe Mülheims Oberbürgermeister, Marc Buchholz, in dieser Angelegenheit bereits Gespräche mit dem Regierungspräsidenten von Düsseldorf geführt. Angekündigte regelmäßige Treffen von Anwohnern mit Vertretern von Stadt und Land habe es bis jetzt noch kein einziges Mal gegeben.

Wie der WDR weiter berichtet, fordern die Anwohner mehr Sicherheitspersonal, auch außerhalb der Flüchtlingsunterkunft, sowie „eine zeitnahe Rückmeldung mit konkreten Lösungsvorschlägen“.5

Dass sich die Anwohner bereits nach 4 Wochen mit einem Brandbrief Luft verschafft haben, sollte als deutliches Signal gewertet werden. Die Landesregierung ist hier zum sofortigen Handeln aufgefordert.

Wie die Rheinische Post berichtet, planen die Bezirksregierung und das zuständige Ministerium weitere Schritte, „um mehr Akzeptanz zu erreichen“. Angeblich habe die Düsseldorfer Bezirksregierung bereits in der Vergangenheit Maßnahmen ergriffen, um die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen.6

Wie aus dem Brandbrief hervorgeht, fordern die Anwohner einen Sicherheitsdienst, der rund um die Uhr in der Siedlung kontrolliert. Wie die Rheinische Post weiter berichtet, stehe die ZUE-Leitung mit den Anwohnern im engen Austausch. Anregungen und Beschwerden aus der Bürgerschaft würden „zeitnah und umfassend“ beantwortet. „Grundsätzlich gehe man gemeldete Probleme an. Bei konkreten und individualisierbaren Verfehlungen werden die Betreffenden direkt von der Einrichtungsleitung angesprochen.“ Bei Verfehlungen sei eine „Bewohneransprache“ vorgesehen. Außerdem gebe es „Wertevermittlungskurse, in denen es um Verhaltensregeln oder auch Nachtruhezeiten gehe. Auf die korrekte Entsorgung von Müll werde ebenfalls hingewiesen“.

Nach Informationen der Rheinischen Post beabsichtigt die Bezirksregierung Düsseldorf außerdem, zeitnah zwei zusätzliche Sicherheitsmitarbeiter zu beauftragen.7

Das NRW-Flüchtlings- und Integrationsministerium betonte: „Das Land achtet darauf, bei der Unterbringung von Geflüchteten gewisse Standards einzuhalten, die auch zur Akzeptanzsteigerung beitragen.“ Weiter hieß es von Seiten des Ministeriums:

„Trotz der weiterhin hohen Aufnahmebereitschaft, wie auch das anhaltende Engagement der Kommunen und der Bevölkerung, fühlen sich einige Menschen derzeit verunsichert, wenn beispielsweise eine Unterkunft für Geflüchtete bei Ihnen in der Nähe entsteht. [Satz so in der Quelle] […] Es ist unsere Aufgabe als Politik, zu jedem Zeitpunkt für Akzeptanz zu werben, Lösungen zu finden und das Gespräch zu suchen.“8

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Personen sind aktuell in der ZUE Mülheim-Raadt untergebracht? (Bitte möglichst differenziert nach Herkunftsland, Altersstruktur und Familienstand – also alleinreisende Männer/ Frauen/ Kinder, Paare und Familien – listen)
  2. Welche Beschwerden werden im Detail in den beiden Brandbriefen von den Bürgern bzw. Anwohnern vorgebracht? (Bitte die Brandbriefe der Antwort beifügen)
  3. Inwiefern hält es die Ministerin für Flucht und Integration für angemessen, die Beschwerden der Bürger mit dem Hinweis abzutun, dass Menschen sich „verunsichert“ fühlen, wenn eine Unterkunft für Geflüchtete bei ihnen in der Nähe entsteht?
  4. Mit welchen konkreten Maßnahmen gedenkt die Landesregierung den betroffenen Anwohnern zu helfen und somit im Sinne dieser Bürger zu agieren?
  5. Wie passt es nach Ansicht der Landesregierung zusammen, von einer auch „weiterhin hohen Aufnahmebereitschaft“ sowie einem „anhaltenden Engagement der Kommunen und der Bevölkerung“ zu sprechen, wenn betroffene Bürger sich bereits wenige Wochen nach Eröffnung einer neuen ZUE mit einem Brandbrief an die Landesregierung wenden?

Enxhi Seli-Zacharias

 

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1 Vgl. https:// www1 .wdr.de/nachrichten/landespolitik/streit-unterkunft-gefluechtete-muelheim-100.html

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Ebd.

5 Ebd.

6 Vgl. https:// rp -online.de/nrw/panorama/muelheim-anwohner-melden-massive-probleme-mit-fluechtlingsheim_aid-94038075

7 Ebd.

8 Ebd.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 2372 mit Schreiben vom 27. September 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

  1. Wie viele Personen sind aktuell in der ZUE Mülheim-Raadt untergebracht? (Bitte möglichst differenziert nach Herkunftsland, Altersstruktur und Familienstand – also alleinreisende Männer/Frauen/ Kinder, Paare und Familien listen)

Derzeit (Stand 28.08.2023) leben in der ZUE Mülheim 568 Personen.

  1. Welche Beschwerden werden im Detail in den beiden Brandbriefen von den Bür­gern bzw. Anwohnern vorgebracht? (Bitte die Brandbriefe der Antwort beifügen)

Die (anfänglichen) Beschwerden beinhalteten vornehmlich die Themenfelder:

  • Lärm (insbesondere nach 22 Uhr),
  • Müll,
  • Verkehrsaufkommen,
  • unbefugte Nutzung eines Kinderspielplatzes sowie des angrenzenden Naturschutzge­bietes zu Aufenthaltszwecken,
  • Fehlalarme der Feuerwehr.
  1. Inwiefern hält es die Ministerin für Flucht und Integration für angemessen, die Beschwerden der Bürger mit dem Hinweis abzutun, dass Menschen sich „verunsi­chert“ fühlen, wenn eine Unterkunft für Geflüchtete bei ihnen in der Nähe ent­steht?
  1. Wie passt es nach Ansicht der Landesregierung zusammen, von einer auch „weiterhin hohen Aufnahmebereitschaft“ sowie einem „anhaltenden Engagement der Kommunen und der Bevölkerung“ zu sprechen, wenn betroffene Bürger sich be­reits wenige Wochen nach Eröffnung einer neuen ZUE mit einem Brandbrief an die Landesregierung wenden?

Die Fragen 3 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Die konstant hohen Zugänge von Geflüchteten stellen eine große Herausforderung gleicher­maßen für Länder und Kommunen dar. Das Land ist gemäß § 44 Asylgesetz verpflichtet, die für die Unterbringung von asylbegehrenden Personen erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Das Land bekennt sich zu dieser rechtlichen, aber auch humanitären Verpflich­tung zur Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten und wird weiterhin Plätze zur Unter­bringung von Asylsuchenden schaffen.

Die Aufnahme- und Hilfsbereitschaft ist in der Bevölkerung weiterhin hoch. Dabei verkennt die Landesregierung nicht, dass die Errichtung einer Landeseinrichtung für Anwohnerinnen und Anwohner eine große Veränderung des persönlichen Lebensumfeldes nach sich zieht. Es ist daher wichtig, sich mit den Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner sachgerecht ausei­nanderzusetzen, Beschwerden aufzugreifen und einer Lösung zuzuführen. Hierbei setzt das Land in Umsetzung des sog. Sechs-Punkte-Plans (https://www.mkjfgfi.nrw/sechs-punkte-plan-zur-stabilisierung-des-landesaufnahmesystems) auch auf eine umfassende Information und einen sachorientierten Dialog mit den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner, beispielsweise durch Bürgersprechstunden, sowie eine stärkere Einbindung der lokalen Eh-renamtsstruktur und einer Stärkung des Umfeldmanagements.

  1. Mit welchen konkreten Maßnahmen gedenkt die Landesregierung den betroffenen Anwohnern zu helfen und somit im Sinne dieser Bürger zu agieren?

Den genannten Beschwerdekomplexen konnte bislang wie folgt begegnet werden:

Lärm:

Die in der ZUE Mülheim untergebrachten Geflüchteten werden durch unterschiedlichste Maß­nahmen und Aktionen zum Thema Lärmschutz und Lärmvermeidung sensibilisiert und instru­iert. Ergänzend hierzu ist der eingesetzte Sicherheitsdienst innerhalb der Einrichtung zu ver­stärkten Kontrollen angehalten, um innerhalb der Einrichtung nach 22 Uhr für mehr Ruhe und insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche Fenster geschlossen zu halten sind. Mit dem eingesetzten Sicherheitsdienst und nach Rücksprache mit der Kommune ist vereinbart, dass zusätzliche Kontrollen durch Bestreifungen außerhalb der Einrichtung in den Abend- und Nachtstunden durchgeführt werden. Der eingesetzte Sicherheitsdienst bestreift die Siedlung seit 01.08.2023 jeden Tag von 18 Uhr bis 6 Uhr und sorgt hier proaktiv für die Einhaltung der vereinbarten Regeln.

Müll:

Der Bereich rund um die ZUE Mülheim wird durch regelmäßige Müllsammelaktionen gereinigt. Die in der ZUE Mülheim untergebrachten Geflüchteten beseitigen dabei in der unmittelbaren und mittelbaren Umgebung der Einrichtung etwaigen dort vorzufindenden Müll. Diese Müll-sammelaktionen erstrecken sich beispielsweise auch auf das Naturschutzgebiet sowie auf die angrenzenden Straßenbereiche. Durch derartige Aktionen wird nicht nur die Reinigung des Einrichtungsumfeldes erreicht, sondern auch eine entsprechende Sensibilisierung der Bewoh­nerinnen und Bewohner der ZUE Mülheim im Umgang mit dem Thema Müll erhofft.

Innerhalb der Einrichtung sowie im Eingangsbereich der ZUE Mülheim wurden bereits zusätz­liche Entsorgungsmöglichkeiten in Form von großen Sammelbehältern aufgestellt.

Verkehrsaufkommen:

Das kritisierte erhöhte Verkehrsaufkommen war in den vergangenen Wochen vornehmlich auf die baustellenbedingte Sperrung der direkten Zufahrtsmöglichkeit entsprechender Zufahrts­straßen zurückzuführen. Die direkte Zufahrt ist nun wieder möglich, so dass sich die Verkehrs­situation absehbar entspannen wird.

Eine ergänzende Durchführung von Verkehrs- und Geschwindigkeitskontrollen wurde im Rah­men eines Vor-Ort-Termins zwischen der Bezirksregierung Düsseldorf und dem Ordnungsamt der Stadt Mülheim an der Ruhr am 18.07.2023 angeregt und erörtert.

Spielplatz und Landschaftsschutzgebiet Rumbachtal:

Der Spielplatz und das Landschaftsschutzgebiet werden bereits jetzt verstärkt in die routine­mäßigen Kontrollgänge einbezogen.

In der ZUE Mülheim werden die Bewohnerinnen und Bewohner zudem regelmäßig verschärft zur Wahrung der Privatsphäre und des Privateigentums sensibilisiert. Bei individualisierbaren Verfehlungen erfolgt zudem eine persönliche Ansprache durch die Einrichtungsleitung. Auch dies wird durch den eingesetzten zusätzlichen Streifendienst des Sicherheitsdienstes mit in den Blick genommen.

Fehlalarmierung der Feuerwehr:

Es ist zu vermehrten Fehlalarmen der Feuerwehr gekommen, zunächst über das Betätigen der Handfeuermelder, danach durch Rauchen in verschiedenen Zimmern. Hier sind kurzfristig in Absprache mit der Stadt Mülheim u.a. folgende Maßnahmen realisiert worden:

  1. Weitergehende und fortlaufende Sensibilisierung der Bewohnerinnen und Bewohner durch Ansprachen, Bewohnerversammlungen und Aushänge, die u.a. auch die Strafbar­keit der Taten verdeutlichen.
  2. Eine verstärkte, regelmäßige Kontrolle der betroffenen Bereiche / Flure, auf denen die jeweils ausgelösten Handfeuermelder lokalisiert werden konnten durch den vor Ort ein­gesetzten Sicherheitsdienst.
  3. Kurzfristige Beschaffung von sog. Hauben auf den Handfeuermeldern, die im Falle einer Entfernung einen vorgeschalteten Alarm auslösen und so von der eigentlichen Alarmauslösung abhalten sollen.
  4. Anpassung der Einsatzstärke: Der eigentliche Löschzug rückt zwar aus, bleibt jedoch auf der Hauptstraße stehen. Um Geräusch-immissionen zu verringern, fährt nur der ein­zelne Einsatzleitwagen vor der Einrichtung vor. Der Löschzug erreicht die Einrichtung im Bedarfsfalle innerhalb von 10 Sekunden.

Das Beschwerdeaufkommen ist in der Breite der Themen deutlich zurückgegangen, da insbe­sondere die Maßnahmen zur Beseitigung von Müll und die Bestreifung Erfolge zeitigen.

 

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