Kleine Anfrage 2598
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Landesregierung beschließt Sechs-Punkte-Plan zur Stabilisierung des Landesaufnahmesystems und unterlässt gleich zu Beginn in Hamminkeln-Dingden die frühzeitige Einbindung der Anwohner und der kommunalen Ehrenamtsstruktur
Nach einer ersten Ankündigung des Sechs-Punkte-Plans zur Stabilisierung des Landesaufnahmesystems anlässlich des Plenums vom 23.–25. August 2023 wurden die Mitglieder des Integrationsausschusses mit Schreiben vom 12. September 2023 ausführlich vom zuständigen Ministerium informiert.1
Ein wesentliches Instrument des Sechs-Punkte-Plans sollte die Bürgerbeteiligung sein. So heißt es: „Die Diskussion mit den Menschen vor Ort ist uns wichtig.“ Die Rede ist von Bürger-Sprechstunden und der Einsetzung von Beiräten, inkl. der Einbindung lokaler Vereine und der Zivilgesellschaft. Das Umfeldmanagement sollte gestärkt werden, um den persönlichen Kontakt zwischen Bürgerschaft und Bewohnern zu fördern und bei Konflikten zu vermitteln.
Wie aus Pressemeldungen und Gesprächen mit Vertretern der Zivilgesellschaft in Hamminkeln-Dingden hervorgeht, sind diese Versprechen der Landesregierung gleich im ersten Praxisfall offensichtlich nicht zum Tragen gekommen.
So sind Pläne zur Errichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Hamminkeln-Dingden an die Öffentlichkeit gelangt. Eigentlich wollte die städtische Verwaltung die Planungen im Verborgenen halten, was dann allerdings nicht gelang.2
Die Stadt hat ein Grundstück am südlichen Ende Dingdens ausgeguckt und dem Land gemeldet. Die Rede ist von ggf. bereits weit fortgeschrittenen Planungen. Das Durchstechen der Information sorgte für großer Aufregung im Dorf.3 Anlässlich einer Einwohnerfragestunde vor dem Planungsaussschuss wurde Unruhe laut.
Insbesondere die mögliche Kapazität von bis zu 450 unterzubringenden Personen, womit man ganz nah an die Zehn-Prozent-Schwelle der Dingdener Bevölkerungszahl heranrückt, sorgte für Unmut. Eben wegen dieser Sensibilität des Themas wollte die Verwaltung zurückhaltend agieren.
Wie die Rheinische Post berichtet, sah ein Beigeordneter die vorschnelle Veröffentlichung mit erheblichem Unbehagen. Offene Bürgerinformation soll lediglich „beizeiten“ kommen. Man werde informieren, „wenn es etwas zu informieren gibt.“
Dieses Vorgehen zeigt, dass es mit der versprochenen Einbindung der Bürger offensichtlich nicht sonderlich weit gediehen ist.
Deutlich wird der Unmut der Bevölkerung in einem Leserbrief an die NRZ. Dort heißt es u. a.: „Sehr geehrter Herr Bürgermeister Romanski, Ihr Slogan im Wahlkampf war „lösungsorientiert, nicht problemorientiert“ die Geschicke der Stadt zu lenken. Dieser Slogan passt leider in keiner Weise zu Ihrem Umgang mit den Planungen einer „ZUE“ in Dingden. Die Dingdener Vereine erst dann zu informieren, nachdem Ihr Vorhaben öffentlich wurde, spricht leider nicht für einen vertrauenswürdigen Umgang mit den Bürgern. […] Die Bürger bleiben ahnungslos und im Hintergrund werden Fakten und Probleme geschaffen. Eine ZUE mit 450 Menschen überfordert den ganzen Ort Dingden. […] Ca. 7.000 Einwohner erwarten Ihre ehrlichen Antworten und einen vertrauensvollen Umgang mit diesem brisanten Thema und möchten nicht weiter dumm gehalten werden.“4
Da die Landesregierung nach eigener Aussage zeitnah an landesweit mindestens 40 Standorten die Errichtung einer ZUE plant, ist eine effektive und schnelle Umsetzung der versprochenen Bürgerbeteiligung von größter Bedeutung.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wann sollte die Öffentlichkeit auf kommunaler Ebene über die Planungen offiziell informiert werden, also für den Fall, dass die Informationen nicht durchgestochen worden wären?
- Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass die Bürger trotz der enormen Tragweite der Planungen im Zusammenhang mit der ZUE durch die kommunale Verwaltung nicht frühzeitig in die Planungen einbezogen wurden?
- Wann wollte die Landesregierung die betroffenen Bürger ursprünglich in die Pläne einweihen?
- In welcher Form soll der von der Landesregierung beschlossene Sechs-Punkte-Plan in der Folgezeit in Dingden umgesetzt werden, insbesondere in Bezug auf eine Beteiligung der Bürger?
- Inwieweit hält die Landesregierung das vorgesehene quantitative Verhältnis Einwohner/Asylsuchende in Dingden von ca. 10:1 aus integrationspolitischer- und sicherheitspolitischer Sicht noch für angemessen und vertretbar?
Enxhi Seli-Zacharias
1 Vgl. Lt.-Vorlage 18/1624
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 2598 mit Schreiben vom 31. Oktober 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet
- Wann sollte die Öffentlichkeit auf kommunaler Ebene über die Planungen offiziell informiert werden, also für den Fall, dass die Informationen nicht durchgestochen worden wären?
- Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass die Bürger trotz der enormen Tragweite der Planungen im Zusammenhang mit der ZUE durch die kommunale Verwaltung nicht frühzeitig in die Planungen einbezogen wurden?
- Wann wollte die Landesregierung die betroffenen Bürger ursprünglich in die Pläne einweihen?
- In welcher Form soll der von der Landesregierung beschlossene Sechs-Punkte-Plan in der Folgezeit in Dingden umgesetzt werden, insbesondere in Bezug auf eine Beteiligung der Bürger?
Die Fragen 1 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Zum Zeitpunkt der Presseberichterstattung existierten keinerlei zwischen Land und Kommune abgestimmten, finalisierten Planungen, sondern es waren lediglich Gespräche zwischen den Beteiligten geführt worden. Die bislang u.a. im Rahmen einer Bürgerinformationsveranstaltung mit lokalen Vereinsvertretern gegebenen Informationen erfolgten, wie von sämtlichen Beteiligten deutlich gemacht wurde, zu einem Zeitpunkt, in dem aufgrund des rudimentären Planungsstandes noch keinerlei konkrete Aussagen über Art und Umfang des Projektes getroffen werden konnten. Ungeachtet dessen wäre die Öffentlichkeit spätestens im Zusammenhang mit dem Bauleitplanverfahren beteiligt worden.
Die Landesregierung verkennt nicht, dass die Errichtung einer Landeseinrichtung für Anwohnerinnen und Anwohner eine große Veränderung des persönlichen Lebensumfeldes nach sich zieht. Es ist daher wichtig, sich mit den Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner sachgerecht auseinanderzusetzen, Beschwerden aufzugreifen und einer Lösung zuzuführen. Hierbei setzt das Land in Umsetzung des sog. Sechs-Punkte-Plans (https://www.mkjfgfi.nrw/sechs-punkte-plan-zur-stabilisierung-des-landesaufnahmesystems) auch auf eine umfassende Information und einen sachorientierten Dialog mit den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern.
In Abhängigkeit vom zukünftigen Projekt- und Planungsfortschritt der ZUE Hamminkeln werden betroffene Bürgerinnen und Bürger und Anwohnerinnen und Anwohner umfassend, transparent und zeitnah informiert und eingebunden werden.
- Inwieweit hält die Landesregierung das vorgesehene quantitative Verhältnis Ein-wohner/Asylsuchende in Dingden von ca. 10:1 aus integrationspolitischer- und sicherheitspolitischer Sicht noch für angemessen und vertretbar?
Nordrhein-Westfalen steht zu seiner humanitären Verantwortung, Menschen, die bei uns Zuflucht vor Krieg, Gewalt, Terror und Verfolgung suchen, bei uns Schutz zu gewähren.
Die Landesregierung setzt für die Zentralen Unterbringungseinrichtungen auf einen qualitativ hohen Unterbringungs-, Sicherheits- und Betreuungsstandard, der auch flankierende Maßnahmen wie zum Beispiel die Etablierung eines Umfeldmanagements und die Einbindung der lokalen Ehrenamtsstruktur umfasst. Jede Unterbringungseinrichtung arbeitet zudem eng und vertrauensvoll mit den örtlichen Sicherheits- und Ordnungsbehörden zusammen.