Antrag
der Fraktion der AfD
Lieferengpässe von Medikamenten frühzeitig erkennen und verhindern!
I. Ausgangslage
Der Apothekerverband Nordrhein hat jüngst einen alarmierenden Appell an Politik und Öffentlichkeit gerichtet. Während bereits seit Längerem Lieferengpässe bei Hunderten von Medikamenten bestehen, ist nun auch die Versorgung mit einfacher Kochsalzlösung nicht mehr gewährleistet. „Was in den Kliniken schon seit Monaten ein gravierendes Problem darstellt, erreicht jetzt auch die Versorgung ambulanter Patienten. Es gibt zurzeit viel zu wenig Kochsalzlösung“, erklärte der Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein gegenüber der Rheinischen Post. Seinen Aussagen zufolge sind die Lieferketten derzeit nicht stabil genug, um den Bedarf zu decken.1 Darüber hinaus fehlen in den Apotheken momentan bestimmte Antibiotika gegen Keuchhusten, Diabetes- und Schmerzmittel und auch Medikamente gegen ADHS und Asthma Sprays.
Auch das Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen zeigt sich alarmiert. Gegenüber der Rheinischen Post wurde mitgeteilt, dass zahlreiche Anfragen von Kliniken eingegangen seien, die nicht ausreichend mit Medikamenten versorgt werden. Seit Monaten erhielten sie nur noch 50 bis 80 Prozent der benötigten Mengen. Dies beeinträchtigt grundlegende Aufgaben der Kliniken erheblich oder macht sie gar unmöglich, da Kochsalzlösungen unter anderem als Trägerlösung für Medikamente oder zum Offenhalten venöser Zugänge bei Patienten unerlässlich sind.2
Laut dem Vorsitzenden des Apothekerverbands Nordrhein beziehen zahlreiche Kliniken bereits seit Längerem Waren aus dem Ausland. Der Mangel sei jedoch nun so gravierend, dass auch öffentliche Apotheken nicht mehr ausreichend versorgt werden können. Die Unterversorgung hat somit die Fläche erreicht und droht nun, auch die ambulante Versorgung von Patienten zu behindern. Der Verbandsvertreter kritisierte, dass die Politik hier eindeutig nicht genug getan habe und auch jetzt noch nicht angemessen reagiere. Er sagte: „Wir brauchen dringend stabile Lieferketten für essenzielle Arzneimittel wie Kochsalzlösungen. Sie kosten in der Produktion nur wenige Cent, sind aber in der Versorgung der Patienten unersetzlich. Hier muss die Politik dringend mehr Verantwortung übernehmen, um Schaden abzuwenden.“ Seiner Ansicht nach dürften derartige Lieferengpässe erst gar nicht auftreten.3
Bereits einige Monate zuvor hatten Ärzte und Apotheker gewarnt, dass bei rund 500 Medikamenten Engpässe drohten oder bereits bestanden.4 Nun wurden diese Warnungen erneuert.
Das sollte eigentlich gar nicht notwendig sein: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ist für die Dokumentation und Bewertung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln in Deutschland zuständig. Diese Liste weist aktuell (Stand 05.12.2024) im Bereich der Hu-manarzneimittel für 448 Arzneimittel Lieferengpässe auf5 ; sie enthält jedoch bisher keine Impfstoffe. Lieferengpassmeldungen erfolgen durch die Unternehmen nach der Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel. Dieser Verpflichtung unterliegen alle Wirkstoffe, die als versorgungskritisch eingestuft werden.6 Damit besteht auf Bundesebene ein festes System zum Erkennen von drohenden Engpässen.
Wie kann es trotz eines strukturierten Monitorings zu Engpässen kommen? Ein Kernproblem für diese Lage scheint die Tatsache zu sein, dass in vielen Bereichen oftmals nur einige wenige oder sogar nur ein einziger Hersteller für ein bestimmtes Medikament am Markt ist. Gerät dieser in Schieflage oder muss sogar Insolvenz anmelden, besteht unmittelbar ein Engpass. Diese strukturellen Probleme hat Ulrike Holzgrabe, Professorin an der Universität Würzburg, herausgearbeitet. Sie warnt bereits längerer Zeit vor Lieferengpässen bei zentralen Medikamenten nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.7
Ein Problem ist vor allem die mangelnde Attraktivität des deutschen Arzneimittelmarktes. Rabatt- und Festbeträge haben die Preise in den vergangenen Jahren stark gedrückt. Das Lie-ferengpassbekämpfungsgesetz von 2023 hat nur die Symptome in den Blick genommen, nicht aber die mangelnden Strukturen. Deutschland ist daher weitgehend von Wirkstoffen aus Asien abhängig.
Sicherlich stellt nicht jeder Engpass gleich eine Versorgungslücke dar. In vielen Fällen können Patienten auf Ersatzstoffe zurückgreifen, etwa bei Blutdruckmitteln. Dennoch ist gerade ein Engpass bei elementaren Produkten wie Kochsalzlösungen besorgniserregend. Eine Versorgungslücke muss hier dringend verhindert werden, um weitere Folgen zu vermeiden. Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklungen steht die grundlegende medizinische Versorgung der Bevölkerung von Nordrhein-Westfalen auf dem Spiel. Die Landesregierung muss mit schnellen Maßnahmen gegensteuern. Dazu muss in Nordrhein-Westfalen selbst auf struktureller Ebene angesetzt werden, indem vor allem die Produktion von Wirkstoffen in das Bundesland zurückgeholt wird.
II. Der Landtag stellt fest:
- Die Versorgung mit grundlegenden Medikamenten und medizinischen Produkten ist derzeit nicht in Gänze gewährleistet.
- Die bestehenden Lieferengpässe werden sich in der Zukunft weiter verschärfen.
- Sie stellen eine Gefahr für das Wohl der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens dar.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- ein Monitoringsystem zu implementieren, mit dem eine ständige Überwachung der Versorgung mit essenziellen Medikamenten und Medizinprodukten möglich ist;
- ein Förderprogramm aufzusetzen, das in Nordrhein-Westfalen ansässige Unternehmen aus der Medizinproduktion mit günstigen Förderkrediten für notwendige Investitionen ausstattet;
- ein Investitionsprogramm aufzusetzen, das für Start-ups in der Medizinproduktion Gründungs- und Anschubfinanzierungen mit besonders vorteilhaften Konditionen gewährt.
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
und Fraktion
2 Ebd.
3 Ebd.
4 https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/medikamente-mangel-104.html.
6 https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Lieferengpaesse/_node.html.