Kleine Anfrage 5995des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz vom 22.09.2021
Long-Covid: Mehr Schein als Sein?
Die Infektionszahlen unter Kindern und Heranwachsenden steigen. Jedoch erfolgt diese Infektion meist symptomlos, nur in einigen Fällen liegt der Erkrankung ein milder Verlauf zugrunde. Dennoch bilden Kinder und Jugendliche die Personengruppe, die mit am stärksten unter den staatlich angeordneten Präventionsmaßnahmen und dem Lockdown leidet: Geschlossene Spielplätze, ausgefallener Sportunterricht, Kontaktbeschränkungen bis hin zur Maskenpflicht und strengen Quarantäneanordnungen in Schulen. Nach der STIKO-Empfehlung zur Impfung der Heranwachsenden ab Vollendung des 12. Lebensjahres wird nun sogar eine Impfempfehlung für Kinder unter 12 Jahren diskutiert. Die Politik befürwortet somit flächendeckend die Verabreichung eines Impfstoffes an Kinder, obwohl längere Studien zur Sicherheit und Wirkung noch fehlen – gegen eine Krankheit, welche bei gesunden Kindern kaum Symptome hervorruft.
Mangels akuter Symptome wird hier die Angst vor den angeblichen Langzeitfolgen in den Fokus gerückt, also vor Long Covid bei Kindern. Hier ist die Datenlage der Wissenschaft derzeit noch recht dünn. Eine aktuelle Studie der „Swiss School of Public Health“ verglich Kinder, die sich mit Corona infiziert hatten, mit solchen, bei denen das nicht der Fall war. Das Ergebnis: Die mit dem Virus Infizierten klagten Wochen später genauso oft über Symptome wie Müdigkeit oder Abgeschlagenheit wie die, die sich nicht infiziert hatten.1
In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung:
- Wie viele Fälle von Long Covid bei Kindern und Heranwachsenden hat die Landesregierung bei welcher Anzahl an Infektionen bei Kindern und Heranwachsenden seit 2020 registriert?
- In welchem zeitlichen Zusammenhang zu der Infektion sind welche Symptome bei Kindern und Heranwachsenden registriert worden?
- Wie viele Kinder und Heranwachsende wurden bereits mit welchem Impfstoff geimpft?
- Bei wie vielen dieser Kinder und Heranwachsenden konnte trotz Immunisierung eine Infektion festgestellt werden?
- Welche Nebenwirkungen sind nach der vollständigen Immunisierung bei den Kindern und Heranwachsenden aufgetreten?
Dr. Martin Vincentz
1 https://www1.wdr.de/nachrichten/themen/coronavirus/kinder-corona-folgen-long-covid-100.html
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 5995 mit Schreiben vom 20. Oktober 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet.
- Wie viele Fälle von Long Covid bei Kindern und Heranwachsenden hat die Landesregierung bei welcher Anzahl an Infektionen bei Kindern und Heranwachsenden seit 2020 registriert?
Das Auftreten von Long COVID unterliegt keiner gesonderten Meldepflicht gemäß § 6 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und ist auch nicht übermittlungspflichtig gemäß § 11 IfSG. Im Meldesystem gemäß IfSG ist daher aktuell keine Möglichkeit vorgesehen, das Auftreten von Long COVID-Symptomen als Komplikation einer akuten COVID-19-Infektion zu erfassen.
Gemäß Robert Koch-Institut (RKI) erlauben auch die bislang vorliegenden wissenschaftlichen Studien keine verlässliche Einschätzung darüber, wie viele Menschen nach einer SARS-CoV-2-Infektion von Long COVID betroffen sind, welche Faktoren das Auftreten von Long COVID befördern oder davor schützen. Auch das Wissen zum Krankheitsverlauf, etwa hinsichtlich der Dauer der verschiedenen Symptome und der Häufigkeit bleibender Schäden, ist derzeit noch limitiert. Long COVID wurde auch bei Kindern beschrieben, die Datenlage ist hier jedoch laut RKI besonders eingeschränkt. Es ist nicht bekannt, in welchem Ausmaß die gesundheitlichen Langzeitfolgen Lebensqualität und Funktionsfähigkeit einschränken und inwieweit diese anhalten bzw. sich wieder zurückbilden. Gerade bei Kindern und Jugendlichen kann anhand der aktuellen Datenlage nicht sicher zwischen Gesundheitsstörungen aufgrund von pandemiebe-dingten Belastungen und solchen aufgrund von Long COVID unterschieden werden. Für die systematische Erfassung und den Aufbau von Surveillance-Aktivitäten zu Long COVID hat die WHO ICD-10 Codes eingeführt und koordiniert derzeit die Erarbeitung von Kriterien zur klinischen Diagnose.
- In welchem zeitlichen Zusammenhang zu der Infektion sind welche Symptome bei Kindern und Heranwachsenden registriert worden?
Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen: Der Landesregierung liegen keine Daten zum Auftreten von Long COVID-Symptomen vor.
Im Jahr 2021 wurden dem Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW) 116.916 COVID-19-Fälle bei Personen zwischen 0 und 17 Jahren gemeldet (Datenstand vom 29.09.2021, 0:00 Uhr). Von den genannten Fällen enthielten 80.659 Angaben zur Symptoma-tik. Davon waren 25.995 Fälle als asymptomatisch und 54.664 Fälle als symptomatisch gemeldet. Zu den häufig gemeldeten Symptomen zählen allgemeine Krankheitsanzeichen, Fieber, Geruchs- und/oder Geschmacksverlust, Husten, Halsschmerzen und Schnupfen. In seltenen Fällen kam es zu Symptomen wie Pneumonien, Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) oder Dyspnoe.
- Wie viele Kinder und Heranwachsende wurden bereits mit welchem Impfstoff geimpft?
Zum momentanen Zeitpunkt sind in Deutschland die mRNA-Impfstoffe Spikevax® von Mo-derna und Comirnaty® von BioNTech für eine Impfung ab einem Alter von 12 Jahren zugelassen. Für jüngere Altersgruppen liegt aktuell noch keine Zulassung eines COVID-19-Impfstoffes in Deutschland vor. Mit Datenstand 05.10.2021 wurden in NRW 507.555 Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren bis 17 Jahren mit einem der beiden mRNA Impfstoffe erstgeimpft, 428.313 sind vollständig geimpft.
- Bei wie vielen dieser Kinder und Heranwachsenden konnte trotz Immunisierung eine Infektion festgestellt werden?
Seit 01.01.2021 wurden in Nordrhein-Westfalen 116.916 COVID-19-Fälle bei Personen zwischen 0 und 17 Jahren übermittelt (Datenstand vom 29.09.2021, 0:00 Uhr). Davon lagen zu 75.312 Fällen Angaben zum Impfstatus vor, von denen 1.281 Fälle gemäß Meldung geimpft waren. Darunter waren 215 Fälle, die zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung oder ersatzweise zum Zeitpunkt der Meldung vollständig immunisiert waren.
- Welche Nebenwirkungen sind nach der vollständigen Immunisierung bei den Kindern und Heranwachsenden aufgetreten?
In Deutschland überwacht das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Sicherheit von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln. Dazu sammelt und bewertet die Abteilung Arzneimittelsicherheit Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen und ergreift ggf. Maßnahmen. Das PEI informiert über alle in Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegen COVID-19 kontinuierlich in Sicherheitsberichten. Dem PEI sind seit Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 in Deutschland insgesamt 1.228 Verdachtsfälle einer Nebenwirkung gemeldet worden, in denen bei Kindern und Jugendlichen nach Impfung mit COVID-19-Impfstoffen mindestens eine Impfreaktion berichtet worden ist. Am häufigsten wurden Schmerzen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Ermüdung und Fieber berichtet. Vom PEI werden zudem ausgewählte unerwünschte Ereignisse von besonderem Interesse (AESI) ausgewertet. Dabei fallen ähnlich wie bei Erwachsenen Meldungen einer Myo-/Perikarditis auf. Bis zum 31.08.2021 wurden dem PEI 58 Meldungen einer Myo-/Perikarditis bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren berichtet (vgl. aktueller Sicherheitsbericht des PEI https://www.pei.de/Shared-Docs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-bis-31-08-21.pdf? blob=publicationFile&v=6, S. 14 – 19).