Luxusware Strom – was tut die Landesregierung gegen die galoppierenden Strompreise?

Kleine Anfrage
vom 23.12.2021

Kleine Anfrage 6284des Abgeordneten Christian Loose vom 23.12.2021

 

Luxusware Strom was tut die Landesregierung gegen die galoppierenden Strompreise?

Die deutschen Bürger klagten bereits im Jahre 2021 über die teuersten Stromtarife der Welt. Laut statista betrug der Grundversorgungstarif im Jahr 2021 33,8 Ct./kWh.1

Allerdings drohen die Preise weiter massiv zu steigen. Bereits Mitte des Jahres 2021 – am 06. Juli genau – berichtete die Tagesschau:

„Die Großhandelsbörse in Leipzig verzeichnet die höchsten Strompreise seit mehr als einem Jahrzehnt. Die Industrie fürchtet um ihre Wettbewerbsfähigkeit, aber auch Verbraucher könnten bald betroffen sein. Mit 70 Euro pro Megawattstunde (1000 Kilowattstunden) haben die aktuellen Preise, zu denen Strom an der Großhandelsbörse in Leipzig zurzeit gehandelt wird, den höchsten Stand seit zwölf Jahren erreicht. Seit März 2020 entspricht dies sogar einer glatten Verdopplung binnen eineinhalb Jahren.“2

Der in dem Artikel zitierte Energieexperte des Stromvergleichsportals Verivox erwartete, „dass im Herbst eine weitere Welle von Strompreiserhöhungen auf die Haushalte zukommt“.3

Seine Erwartungen wurden allerdings mittlerweile zum Leidwesen der Verbraucher deutlich übertroffen. 70 Euro/MWh dürfen derzeit als Discountpreis gelten: Am 21. Dezember 2021 um 17:00 Uhr erreichte der Großhandelspreis mit 620 Euro/MWh einen historischen Spitzenwert.4

Am 23. Dezember 2021 berichtete das ZDF:

„In den vergangenen Wochen haben mehrere Stromanbieter die Lieferung eingestellt und teils auch ihre Insolvenz erklärt. Einen Insolvenzantrag stellten etwa Neckermann Strom, Smiling Green Energy oder Otima Energie.“5

In den wenigen seither vergangenen Tagen ist die Liste der in Insolvenz gegangenen Strom­anbieter noch länger geworden. Während die Verbraucher auf der einen Seite mit politisch motivierten Strom- und Benzinpreissteigerungen durch die neuerliche CO2-Steuererhöhung konfrontiert werden, brechen ihnen gleichzeitig ihre Stromanbieter weg.

Die auf dem Portal Verivox angeführten Stromanbieter haben reagiert.

Für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.500 KWh6 in Düsseldorf liegt der günstigste Anbieter bei heutiger Abfrage (Tarif „MONTANA garant 24“, Preisgarantie 2 Jahre, Vertragslaufzeit 2 Jahre) bei 45,02 Ct./kWh, der teuerste, seinem Namen wenig Ehre machende, bei heutiger Abfrage (Tarif: „Spar-Fuxx plus“, Preisgarantie 2 Jahre, Vertragslaufzeit 2 Jahre) bei 98,72 Ct./kWh.7

In Köln sieht es kaum anders aus. „MONTANA garant 24“ liegt dort bei 45,62 Ct./kWh als günstigster Anbieter; ausgerechnet der Tarif namens „Super Schlau Fuxx“, der sich als schlechtester entpuppt, bei 99,77 Ct./kWh.8

Ich frage deshalb die Landesregierung:

  1. Welche Preisanstiege erwartet die Landesregierung für Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 4.500 kWh in den Jahren 2022 bis 2025 ggü. 2021 (absolut und relativ)?
  2. Welche Gründe erkennt die Landesregierung für die zu erwartenden Preisanstiege?
  3. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung einleiten, um die Strompreise unterhalb von 30 Ct./kWh zu stabilisieren?
  4. Welche Auswirkungen sieht die Landesregierung auf einkommensschwache Bürger wie bspw. Rentner mit geringen Renten, Studenten oder SGB-II Empfänger zukommen?
  5. Wie rechtfertigt die Landesregierung vor dem Hintergrund der massiven Preissteigerungen ihr Festhalten am Kohleausstieg?

Christian Loose

 

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1 Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/154908/umfrage/strompreise-fuer-haushaltskunden-seit-2006/, abgerufen am 04.01.2022 um 17:20 Uhr.

2 Vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/strompreise-industrie-verbraucher-101.html, abgerufen am 04.01.2022 um 14:40h.

3 Vgl. ebenda.

4 Vgl. Marktdaten der Bundesnetzagentur auf smard.de. https://www.smard.de/home/marktdaten?marketDataAttributes=%7B%22resolution%22:%22hour%22,%22from%22:1639954800000,%22to%22:1640127599999,%22moduleIds%22:%5B8004169% 5D,%22selectedCategory%22:null,%22activeChart%22:true,%22style%22:%22color%22,%22regio n%22:%22DE%22%7D , abgerufen am 04.01.2022 um 17:27 Uhr.

5 Vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/stromanbieter-stromio-lieferung-stop-100.html, abgerufen am 04.01.2022 um 14:56h.

6 4.500 KWh sind ein typischer 4-Personen-Verbrauch, wenn das Warmwasser „elektrisch“ erhitzt wird, also über einen klassischen Durchlauferhitzer.

7 Vgl.

https://www.verivox.de/stromvergleich/vergleich/#/?plz=40221&persons=on&usage=4500&bonus=  non-compliant&profile=H0&product=electricity&source=1&msclkid=a574c355a0bf1be417d7a2818afbb8  ce&utm_source=bing&utm_medium=cpc&utm_campaign=%5Ba:strom %5D%5Bn:search%5D%5B  c:brand_strom%5D%5B2.0%5D%5Bb:cpc%5D&utm_term=verivox%20stromvergleich&utm_conte  nt=.stromvergleich&q=WzcsMCwwLDEsMCwwLDEsMiwzMSwwLDEsNzg5MjMxLCIwIiwxLDI0LDI  0MCw0NTAwLDAsMCwxMiw5OTksLTEsLTEsLTEsMCwwLCJUb3RhbENvc3RSZWNvbW 1lbm Rh  dGlvbnMiLCJBc2NlbmRpbmciLCJOb25lIiw1NDYxMCwiQW5udWFsQ29zdFZpZXciLDBd&partneri  d=1, abgerufen am 04.01.2022 um 12:26h. Die Grundkosten wurden auf die 4.500 KWh verteilt.

8 Vgl. https://www.verivox.de/stromvergleich/vergleich/#/?plz=50735&persons=on&usage=4500&bonus=  non-compliant&profile=H0&product=electricity&source=1&msclkid=a574c355a0bf1be417d7a2818afbb8  ce&utm_source=bing&utm_medium=cpc&utm_cam paign=%5Ba:strom%5D%5Bn:search%5D%5B  c:brand_strom%5D%5B2.0%5D%5Bb:cpc%5D&utm_term=verivox%20stromvergleich&utm_conte  nt=.stromvergleich&q=WzcsMCwwLDEsMCwwLDEsMiwzMSwwLDEsODQ2NjQxLCIwIiwxLDI0MC  wyNDAsNDUwMCwwLDAsMTIsOTk5LC0xLC0xLC0xLDAsMCwiVG90YWxDb3N0UmVjb21tZW5k  YXRpb25zIiwiQXNjZW5kaW5nIiwiTm9uZSIsODQzOTYsIkFubnVhbENvc3RWaWV3IiwwXQ%3D%  3D&partnerid=1, abgerufen am 04.01.2022 um 14:11h.


Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine An­frage 6284 mit Schreiben vom 4. Februar 2022 namens der Landesregierung im Einverneh­men mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Umwelt, Land­wirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet.

1. Welche Preisanstiege erwartet die Landesregierung für Haushaltskunden mit ei­nem Jahresverbrauch von 4.500 kWh in den Jahren 2022 bis 2025 ggü. 2021 (ab­solut und relativ)?

2. Welche Gründe erkennt die Landesregierung für die zu erwartenden Preisan­stiege?

Aufgrund des fachlichen Zusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 zusammen beantwortet. Neben staatlich induzierten Strompreisbestandteilen wird der Endkundenstrompreis für Ver­braucherinnen und Verbraucher auch maßgeblich durch Beschaffungspreise am Strommarkt beeinflusst. Darüber hinaus ist die Preisgestaltung im Strommarkt zunächst grundsätzlich eine unternehmerische Entscheidung. Der durchschnittliche Strompreis für nicht-privilegierte Ver­braucherinnen und Verbraucher liegt 2021 bei 32,16 ct/kWh9. Er wird mit einem Anteil von über 50 Prozent mit Steuern, Abgaben und Umlagen belastet, der Anteil von Beschaffung und Vertrieb beträgt rd. 25 Prozent. Der Beschaffungspreis auf dem Strommarkt hat sich im 2. Halbjahr 2021 deutlich erhöht. Dies hat sich auch auf die Endkundenpreise für Strom ausge­wirkt. Maßgeblich verantwortlich hierfür ist der erhebliche Anstieg des Beschaffungspreises für Erdgas, der in der Folge auch die Preise von Steinkohle und CO2-Emissionszertifikate beein­flusst, sowie die Stromnachfrage und die gesunkene Einspeisung erneuerbarer Energien.

Aufgrund der unabhängigen Preisgestaltung und der Einflussfaktoren am Strommarkt kann die Landesregierung keine Prognose abgeben, wie sich der Endkundenpreis in den kommenden Jahren bis 2025 entwickeln wird. Die Landesregierung setzt sich jedoch im Rahmen ihrer Ener­gieversorgungsstrategie dafür ein, dass die Voraussetzungen für eine auch künftig sichere und bezahlbare Energieversorgung auf Bundes- und Landesebene geschaffen werden. Zudem setzt sich die Landesregierung seit Jahren für eine Reduzierung der staatlich induzierten Strompreisbestandteile und damit für eine Entlastung beim Strompreis ein. Vor diesem Hinter­grund begrüßt die Landesregierung die durch die derzeitige Bundesregierung angekündigte Absicht, die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis zu beenden und fordert die Bundesregierung auf, dies zeitnah umzusetzen. Die Landesregierung setzt sich zusätzlich für eine Reduzierung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz ein.

3. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung einleiten, um die Strompreise un­terhalb von 30 Ct./kWh zu stabilisieren?

Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. In Bezug auf die Festlegung einer nominalen Strompreisgrenze wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 6154 verwiesen (LT-Drs. 17/16217).

In der mittel- bis langfristigen Perspektive ist der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der erforderlichen Netze und Speicher ein wichtiger Einflussfaktor zur Senkung der Energiepreise und zur Stärkung der Unabhängigkeit der Energieversorgung. Langfristig wird die technische Entwicklung dazu beitragen können, die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien erheblich zu steigern und Kosten weiter zu senken. Mit der Energieversorgungsstrategie NRW hat die Lan­desregierung einen ambitionierten Plan für einen starken Ausbau erneuerbarer Energien und komplementärer gesicherter Leistung für ein sicheres, bezahlbares und klimaverträgliches Energiesystem erarbeitet.

4. Welche Auswirkungen sieht die Landesregierung auf einkommensschwache Bür­ger wie bspw. Rentner mit geringen Renten, Studenten oder SGB-II Empfänger zu­kommen?

Insbesondere Menschen mit niedrigen Einkommen oder Renten sind von überdurchschnittli­chen Preissteigerungen, wie sie derzeit unter anderem bei den Energiekosten zu beobachten sind, besonders betroffen. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um Kosten für lebens- und all­tagsnotwendige Güter wie z.B. Lebensmittel, Heizung, Haushaltsstrom, steigende Benzin-bzw. Transportkosten handelt, die nicht ohne erhebliche individuelle Einschränkungen redu­ziert werden können bzw. aus den laufenden Einnahmen oder Ersparnissen der Haushalte beglichen werden müssen.

Neben der Senkung und Abschaffung der besonders regressiv wirkenden EEG-Umlage sind einmalige Heizkostenzuschüsse für Wohngeldempfänger auf Bundesebene gemäß Koaliti­onsvertrag geplant und werden zeitnah auf Ebene des Landes Nordrhein-Westfalen umge­setzt. Außerdem wurde das Wohngeld zum 1. Januar 2022 um durchschnittlich 13 Euro er­höht.

5. Wie rechtfertigt die Landesregierung vor dem Hintergrund der massiven Preisstei­gerungen ihr Festhalten am Kohleausstieg?

Der planvolle und an die Erreichung einer hinreichenden und bezahlbaren Energieversorgung geknüpfte Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland wurde durch Bundestag und Bundesrat beschlossen und ist mit dem Kohleausstiegsgesetz seit dem 14. August 2020 gül­tige Rechtslage. Er ist zudem erforderlich im Kampf gegen den Klimawandel und den Res-sourcenverbrauch, die zunehmend unsere Lebensgrundlagen bedrohen. Der Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien, intelligenten Netzen und leistungsfähigen Speichern reduziert die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, die derzeit maßgeblich zu hohen Energiepreisen beitragen. Zudem entwickeln sich erneuerbare Energien und die zur Stabilisierung des Stromsystems notwendigen Netze und Speicher immer wirtschaftlicher und sind absehbar die Technologie mit den geringsten Stromgestehungskosten.

Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung für den Klimaschutz bewusst und trägt mit der Energieversorgungsstrategie NRW zu einer sicheren, bezahlbaren und klimaverträglichen Energieversorgung bei. Dies bildet die Grundlage für eine verantwortungsvolle Defossilisie-rung des Energiesystems.

 

Antwort als PDF

 

9 https://www.bdew.de/service/daten-und-grafiken/bdew-strompreisanalyse/ [24.01.2022]

Beteiligte:
Christian Loose