Medikamentenversorgung in Nordrhein-Westfalen sicherstellen – Lieferengpässen entgegenwirken.

Antrag

Antrag

der Fraktion der AfD

Medikamentenversorgung in Nordrhein-Westfalen sicherstellen Lieferengpässen entgegenwirken.

I. Ausgangslage

„Nicht lieferbar“ – diese Auskunft erhalten Patienten immer häufiger, wenn sie in ihrer Apo­theke das vom Arzt ausgestellte Rezept einlösen oder ein anderes Medikament erwerben wol­len. Nicht lieferbar sind dabei Antibiotika und Zytostatika, Impfstoffe oder auch Schmerzmittel wie Ibuprofen. Die Zahl der gemeldeten Lieferengpässe bei Medikamenten steigt stetig an, und diese gehören insbesondere in den infektreichen Monaten zum Alltag vieler Apotheker.

Insbesondere spitzt sich diese Lage im Hinblick auf die Medikamentenversorgung für Kinder in erheblichem Maße zu. So sind nicht nur Fiebersäfte und Antibiotika für die Einnahme zu-hause knapp, auch Kinderkliniken leiden unter der zunehmenden Medikamentenknappheit, unter anderem bei Inhalationstropfen und Krebsmedikamenten. Insbesondere bei Kleinkindern gibt es im Zuge der Medikation Probleme bei Ersatzmedikamenten im Hinblick auf die Dosie­rung und Darreichungsform, was die Lage zusätzlich erschwert.

Ärzte und Apotheker werden zunehmend damit belastet, die Folgen für die Patienten abzufe­dern. Zwar führt nicht jeder Lieferengpass zwangsläufig zu einem Versorgungsengpass, da oft alternative und gleichwertige Medikamente verfügbar sind. Jedoch ergeben sich häufig Prob­leme bei der Dosierung oder der Darreichungsform. Insbesondere bei vorbelasteten Patienten, die auf Grund der Einnahme von weiteren Medikamenten auf einen bestimmten Wirkstoff ein­gestellt wurden, führen diese Engpässe immer wieder zu Problemen. Weil immer mehr Medi­kamente nicht lieferbar sind, haben Ärzte sich dann damit zu beschäftigen, Rezepte zu verän­dern und Patienten zu beraten.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bietet eine Übersicht zu ak­tuellen Lieferengpässen in Deutschland. Diese Liste weist aktuell (Stand 16.03.2023) im Be­reich der Humanarzneimittel für 430 Arzneimittel Lieferengpässe in Deutschland auf.1 Seit dem Jahre 2013 melden Pharmaunternehmen im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung Lie­ferschwierigkeiten bei versorgungsrelevanten Medikamenten an die Bonner Behörde. Zweck der Meldungen ist es, dass sich Ärzte und Krankenhäuser früher und besser auf Verknappun­gen einstellen und andere Hersteller möglicherweise Lücken schließen können2.

Das BfArM hat in den vergangenen Jahren eine kontinuierliche Steigerung der Lieferengpass-Meldungen verzeichnet. Auf Grund der Meldekriterien würden überwiegend klinikrelevante Engpässe gemeldet, erläutert das BfArM3. In den Krankenhäusern komme es aktuell im ge­samten Arzneimittelspektrum zu Lieferengpässen.

Die Gründe für diese Schwierigkeiten sind vielschichtig. Im Vordergrund steht aber insbeson­dere die erhöhte Medikamentennachfrage als Resultat aktuell erhöht und verstärkt auftreten­der Krankheitswellen. Vor allem im Dezember 2022 erlebte Deutschland eine Hochphase an grippeähnlichen Erkrankungen und akuten Atemwegserkrankungen, berichtet das Robert Koch-Institut.4

Bei den Atemwegserkrankungen ist die Lage weiter angespannt. Ein Grund dafür könnten nachgeholte Infektionen nach Aufhebung der meisten Corona-Schutzmaßnahmen sein, ver­muten Ärzte laut WDR.5 Daraus resultieren die Engpässe bei Fiebersäften und bestimmten Antibiotika, nicht jedoch bei anderen Medikamenten, etwa Krebsmedikamenten.

Die Ursachen sind vielschichtiger und gehen vor allem auf den jahrelangen Preisdruck bei Generika zurück. Ein weiterer Faktor ist die Marktverengung, also die Tatsache, dass immer weniger Hersteller die Produktion eines einzelnen Arzneimittels übernehmen. Kommt es dort zu Produktionsproblemen (wie im Zuge der Coronapandemie im asiatischen Raum), werden Lieferketten gestört, sodass der Herstellungsprozess umgestellt werden muss, oder kann we­gen Qualitätsproblemen Ware nicht freigegeben werden, dann sind die Folgen weltweit spür-bar6.

Ein weiterer Faktor ist der Kostendruck, der insbesondere in der Klinikversorgung und durch Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern entsteht. Da viele Medikamente nur eingeschränkt lagerfähig sind, erweist sich auch der Gedanke einer Lagerung von Arzneimit­teln zur Vermeidung von Lieferengpässen als nicht realisierbar. Der Kostendruck hat zudem bei Antibiotika zu einer starken Abhängigkeit von – unter anderem – China geführt. Vor einigen Jahren musste die letzte Produktionsstätte in Deutschland, Höchst in Frankfurt, schließen; denn „das Preisniveau, das die Krankenkassen und die Arzneimitteleinkäufer der Kliniken er­warteten, sei so niedrig gewesen, dass „Made in Germany“ zu diesen Kosten nicht länger möglich gewesen sei.“7

Aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundesregierung geht hervor, dass die Kassen im Jahre 2018 auf diesem Wege Einsparungen von 4,5 Milliarden Euro erzielt haben. Das trage wesentlich dazu bei, die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf Dauer finanzierbar zu halten, schreibt das Bundesministerium für Gesundheit in ihrer Ant­wort zu den Lieferengpässen bei Arzneimitteln.8

Jedoch sollte ein Krankenhaus, das sich um die Gesundheit der Bevölkerung kümmert, nicht nach dem Discounterprinzip handeln; denn das hat wiederum die Verlagerung der Produkti­onsstätten in Länder mit niedrigem Lohnniveau zur Folge.

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen stellt hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten die oberste Auf­sichtsbehörde des Landes dar. Es soll die Gewährleistung einer gesicherten und ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten tra­gen. Dazu gehört im Rahmen seiner Fachaufsicht die Koordination der Überwachungsbehör­den. Diese wiederum überprüfen vor Ort Hersteller, Großhändler und Apotheken, aber auch Anwender wie beispielsweise Ärzte und Krankenhäuser9.

Hier gilt es eine weitere Stelle zu schaffen, welche sich explizit mit der Versorgung und Liefe­rung der Humanarzneimittel befasst. Diese Stelle sollte Liefer- und Versorgungsengpässe in der Vergangenheit analysieren sowie die Bedarfsermittlung evaluieren. Die Einrichtung eines Frühwarnsystems auf Grundlage der erhobenen Daten soll geprüft werden, um somit zukünf­tige Engpässe bei lebenswichtigen Medikamenten zu verhindern. Zwar lassen sich Engpässe in der Medikamentenversorgung nicht komplett verhindern, aber eine gute Vorbereitung und eine entsprechende Koordination würden diese zumindest abmildern.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. eine zentrale Stelle im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu schaffen, die sich über die Medikamentensicherheit hinaus auch um die Verfügbarkeit der Humanarz-neimittel kümmert und diese optimiert;
  2. eine Verordnung zu prüfen, welche es den Apotheken über den 7. April, also das Aus­laufen der „SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung“ hinaus erlaubt, bei Be­darf selbstständig wirkstoffidentische Medikamente auszugeben;
  3. die Ursachen für Liefer- und Versorgungsengpässe genau zu erforschen und Maßnah­men zu entwickeln, wie diesen in Zukunft entgegengewirkt werden kann;
  4. trägerübergreifende Strukturen zu schaffen, welche eine Medikamentenversorgung in NRW regulieren, damit bei Lieferengpässen schneller gehandelt werden kann;
  5. in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen Medikamentenvorräte an Humanarznei-mitteln, welche gelagert werden können, einzurichten und dabei den Bedarf der vergan­genen Perioden festzustellen und eine Bedarfsermittlung vorzunehmen.

Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1https://anwendungen.pharmnet-bund.de/lieferengpassmeldungen/faces/public/meldungen.xhtml (abgerufen am 16.03.2023)

2 Dtsch Arztebl 2019; 116(45): A-2060 / B-1690 / C-1654

3 https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelzulassung/Arzneimittelinformationen/Lieferengpa-esse/_functions/Filtersuche_Formular.html (abgerufen am 16.03.2023)

4 https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Sentinel/Grippeweb/grippeweb_ergebnisse_node.html

5 https://www1.wdr.de/nachrichten/medikamente-mangel-kinder-ursachen-loesungen-100.html

6 Dtsch Arztebl 2019; 116(45): A-2060 / B-1690 / C-1654

7 Ebd.

8 BT Drucksache 19/13807

9 https://www.mags.nrw/arzneimittel-und-medizinprodukte