Antragder AfD-Fraktion vom 03.03.2020
Medikamentenversorgung in Nordrhein Westfalen sicherstellen – Lieferengpässen entgegenwirken.
I. Ausgangslage
„Nicht lieferbar“ – diese Auskunft erhalten Patienten immer häufiger, wenn sie in ihrer Apotheke das vom Arzt ausgestellte Rezept einlösen oder ein anderes Medikament erwerben wollen. Nicht lieferbar sind dabei Antibiotika und Zytostatika, Impfstoffe oder Schmerzmittel wie Ibuprofen. Die Zahl der gemeldeten Lieferengpässe bei Medikamenten steigt stetig an, und diese gehören insbesondere in den infektreichen Monaten zum Alltag vieler Apotheker.
Ärzte und Apotheker werden zunehmend damit belastet, die Folgen für die Patienten abzufedern. Zwar führt nicht jeder Lieferengpass zwangsläufig zu einem Versorgungsengpass, da oft alternative und gleichwertige Medikamente verfügbar sind. Jedoch ergeben sich häufig Probleme bei der Dosierung oder bei der Darreichungsform. Insbesondere bei vorbelasteten Patienten, die auf Grund der Einnahme von weiteren Medikamenten auf einen bestimmten Wirkstoff eingestellt wurden, führen diese Engpässe immer wieder zu Problemen. Weil immer mehr Medikamente nicht lieferbar sind, haben Ärzte sich dann damit zu beschäftigen, Rezepte zu verändern und Patienten zu beraten.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bietet eine Übersicht zu aktuellen Lieferengpässen in Deutschland. Diese Liste weist aktuell (Stand 27.02.2020) im Bereich der Humanarzneimittel in Deutschland für 285 Arzneimittel Lieferengpässe auf1; sie enthält jedoch bisher keine Impfstoffe. Seit dem Jahre 2013 melden Pharmaunternehmen im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung Lieferschwierigkeiten bei versorgungsrelevanten Medikamenten an die Bonner Behörde. Zweck der Meldungen ist es, dass sich Ärzte und Krankenhäuser früher und besser auf Verknappungen einstellen und andere Hersteller möglicherweise Lücken schließen können2.
Das BfArM hat in den vergangenen Jahren eine kontinuierliche Steigerung der Lieferengpass-Meldungen verzeichnet. Zur Zeit liegt ein Schwerpunkt der Lieferprobleme bei kardiovaskulären Arzneimitteln. Engpässe gibt es aber auch bei Anti-Infektiva zur systemischen Anwendung. Auf Grund der Meldekriterien würden überwiegend klinikrelevante Engpässe gemeldet, erläutert das BfArM3. In den Krankenhäusern komme es aktuell im gesamten Arzneimittelspektrum zu Lieferengpässen.
Die Gründe für diese Schwierigkeiten sind vielschichtig. Ein Faktor ist die Marktverengung, also die Tatsache, dass immer weniger Hersteller die Produktion eines einzelnen Arzneimittels übernehmen. Kommt es dort zu Produktionsproblemen, muss der Herstellungsprozess umgestellt werden oder kann wegen Qualitätsproblemen Ware nicht freigegeben werden, sind die Folgen weltweit spürbar4. Ein weiterer Faktor ist der Kostendruck, der insbesondere in der Klinikversorgung und durch Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern entsteht. Da viele Medikamente nur eingeschränkt lagerfähig sind, erweist sich auch der Gedanke einer Lagerung von Arzneimitteln zur Vermeidung von Lieferengpässen als nicht realisierbar. Der Kostendruck hat zudem bei Antibiotika zu einer starken Abhängigkeit von – unter anderem – China geführt. Vor wenigen Jahren musste die letzte Produktionsstätte in Deutschland, Höchst in Frankfurt, schließen; denn „das Preisniveau, das die Krankenkassen und die Arzneimitteleinkäufer der Kliniken erwarteten, sei so niedrig gewesen, dass „Made in Germany“ zu diesen Kosten nicht länger möglich gewesen sei.“5
Aus einer Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass die Kassen im Jahre 2018 auf diesem Wege Einsparungen von 4,5 Milliarden Euro erzielt haben. Das trage wesentlich dazu bei, die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf Dauer finanzierbar zu halten, schreibt die Regierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion zu Lieferengpässen bei Arzneimitteln.6
Jedoch sollte ein Krankenhaus, das sich um die Gesundheit der Bevölkerung kümmert, nicht nach dem Discounterprinzip handeln; denn das hat wiederum die Verlagerung der Produktionsstätten in Länder mit niedrigem Lohnniveau zur Folge.
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen stellt hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten die oberste Aufsichtsbehörde des Landes dar. Es soll die Gewährleistung einer gesicherten und ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten steuern. Dazu gehört die Koordination im Rahmen seiner Fachaufsicht der Überwachungsbehörden. Diese wiederum überprüfen vor Ort Hersteller, Großhändler und Apotheken, aber auch Anwender wie beispielsweise Ärzte und Krankenhäuser7.
Hier gilt es eine weitere Stelle zu schaffen, welche sich explizit mit der Versorgung und Lieferung der Humanarzneimittel befasst. Die Stelle sollte Liefer- und Versorgungsengpässe in der Vergangenheit analysieren sowie, den Bedarf anpassen. Zwar lassen sich Engpässe in der Medikamentenversorgung nicht komplett verhindern, aber eine gute Vorbereitung und eine entsprechende Koordination würden diese zumindest abmildern.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1. eine zentrale Stelle im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu schaffen, die sich über die Medikamentensicherheit hinaus auch um die Verfügbarkeit der Humanarz-neimittel kümmert und diese optimiert;
2. die Ursachen für Liefer- und Versorgungsengpässe genau zu erforschen und Maßnahmen zu entwickeln, wie diesen in Zukunft entgegengewirkt werden kann;
3. trägerübergreifende Strukturen zu schaffen, welche eine Medikamentenversorgung in NRW regulieren, damit bei Lieferengpässen schneller gehandelt werden kann;
4. in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen Medikamentenvorräte an Humanarznei-mitteln, welche gelagert werden können, einzurichten und dabei anhand des Bedarfes der vergangenen Perioden eine Bedarfsprognose zu erstellen.
Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion
1 http://lieferengpass.bfarm.de/ords/f?p=30274:2:609130577714::NO::: (abgerufen am 28.02.20)
2 Dtsch Arztebl 2019; 116(45): A-2060 / B-1690 / C-1654
3 https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelzulassung/Arzneimittelinformationen/Lieferengpa-esse/_functions/Filtersuche_Formular.html (abgerufen am 28.02.20)
4 Dtsch Arztebl 2019; 116(45): A-2060 / B-1690 / C-1654
5 ebd
6 BT Drucksache 19/13807