Medizinische Notfallversorgung bedarf keiner staatlichen Regulierung – Kompetenzen bei den Kammern belassen.

Antrag
vom 10.09.2019

Antragder AfD-Fraktion vom 10.09.2019

 

Medizinische Notfallversorgung bedarf keiner staatlichen Regulierung – Kompetenzen bei den Kammern belassen.

I. Ausgangslage

Der Ärztliche Notdienst ist außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten erreichbar und ist vorrangig für Erkrankungen gedacht, deren Behandlung nicht bis zum nächsten Werktag warten kann, jedoch auch keine explizite Dringlichkeit aufweisen, welche einen Besuch in der Notaufnahme notwendig machen würde.

Die Aufgabenstruktur des Ärztlichen Notdienstes erstreckt sich demnach auf die Behandlung von Patienten, deren Erkrankung zu dringend ist, um bis zur nächsten regelmäßigen Sprechstunde eines Arztes zu warten, aber nicht so dringend, dass die Benachrichtigung des Rettungsdienstes notwendig wäre. In der Regel wird der ärztliche Notdienst von niedergelassenen Ärzten geleistet und von den Kammern organisiert und strukturiert.

Da der ärztliche Notdienst meist von wechselnden Ärzten mit verschiedenen Zuständigkeitsbereichen geleistet wird, gibt es üblicherweise eine Notdienstzentrale als ersten Ansprechpartner für Patienten.

Dessen Aufgaben es sind die Vermittlung der erreichbaren und Diensthabenden Ärzten zu organisieren, vorab eine telefonische Beratung durchzuführen um eine Ersteinschätzung zu erleichtern, sowie die Koordination der Vertretungsärzte, die Hausbesuche machen, Bekanntgabe von offenen Arztpraxen sowie Notfallpraxen zu bestimmten Zeiten.

Notdienste halten auch Kontakt zum Rettungsdienst und zu den Notaufnahmen der Krankenhäuser und verweisen Fälle der Medikamentierung an Nacht- und Bereitschaftsapotheken.

Der aktuellen Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zufolge wählen nur 26 Prozent der Patienten die Telefonnummer 116117, wenn sie außerhalb der Sprechstundenzeiten der niedergelassenen Ärzte medizinische Hilfe benötigen. Im Jahr 2018 haben etwa 7,44 Millionen Anrufer die Rufnummer 116117 kontaktiert – das sind 14% mehr als im Vorjahr1.

Nach wie vor suchen zu viele Menschen mit Bagatellerkrankungen die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf, sodass es hier zu immer längeren Wartezeiten kommt und die Notfallversorgung qualitativ und quantitativ darunter leidet. Deshalb sollen gemäß Bestrebungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im kommenden Jahr die Nummer 116117 zu einer umfassenden Serviceplattform ausgebaut werden. Ab dem 1. Januar 2020 sind auch die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) unter dieser Nummer erreichbar. Ebenfalls ab Januar werde eine direkte telefonische Weiterleitung von der 116117 an den Rettungsdienst unter der Nummer 112 möglich sein.

Der geplante Ausbau der Rufnummer 116117 zu einem zentralen, durchgängig erreichbaren Beratungsservice sei ein wichtiger Baustein in dem Bemühen, Patienten schnell und verlässlich in die für sie richtige Ebene der Akutversorgung zu leiten. Der Sicherstellungsauftrag für die ambulante ärztliche Notfallversorgung in Nordrhein Westfalen liegt gemäß § 6 Absatz 1 Nr. 3 Heilberufsgesetz NRW (HeilBerG NRW) bei den Kammern. Dort sollte er auch bleiben und entsprechend ausgefüllt werden, die Bestrebungen der Kassenärztlichen Bundeskammer, sowie den regionalen Unterbezirken wirken auf eine vollumfängliche Aufgabenerfüllung hin. In den vergangenen Jahren haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) ihre Bereitschaftsdienste umfassend reformiert, Fahrdienste eingerichtet und mit bundesweit rund 700 Bereitschaftsdienstpraxen an oder in Krankenhäusern zentrale Anlaufstellen für Patientinnen und Patienten geschaffen, die ambulant behandelt werden können.

Ein Diskussionsentwurf zur Reform der Notfallversorgung aus dem Bundesgesundheitsministerium sieht jedoch vor, die Bundesländer mit der Sicherstellung der Notfallversorgung zu beauftragen. Dagegen wehren sich Bundesärztekammer, KBV und Kassenärztlichen Vereinigungen. Den Kassenärztlichen Vereinigungen den Sicherstellungsauftrag für den Bereitschaftsdienst zu entziehen, mache medizinisch keinen Sinn und stelle die Krankenhäuser aufgrund des Ärztemangels vor unlösbare Aufgaben, warnte der stellvertretende KBV-Vorsitzende2. Ein dritter Sektor mit eigenen Abrechnungsregeln und Strukturen ist weder praktikabel, noch handelt es sich dabei um eine medizinisch sinnvolle Steuerung. Viel entscheidender ist es, dass die neuen Strukturen angemessen finanziert werden. Der Sicherstellungsauftrag für die Notfallversorgung kann und sollte nur bei einer verantwortlichen Institution liegen. Zwar ist es durchaus sinnvoll, die Notfallversorgung zu reformieren. Es dürfen dabei aber nicht gewachsene Strukturen zerstört werden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen bauen mit großen Anstrengungen die derzeitige Bereitschaftsdienstnummer 116117 zu einer umfassenden Nummer aus.

II. Der Landtag stellt fest,

1. dass die Kassenärztlichen Vereinigungen ihrem Versorgungsauftrag vollumfänglich nachkommen;

2. dass es keines dritten Versorgungssektors bedarf.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1. sich auf Bundesebene und insbesondere in den zuständigen Gremien dafür einzusetzen, den Sicherstellungsauftrag bei den zuständigen Kassenärztliche Vereinigungen angesiedelt zu lassen;

2. zu prüfen inwieweit sich die Sicherstellungszuschläge auf die ärztliche Notfallversorgung ausweiten lassen, um hier eine angemessene Finanzierung sicherstellen zu können;

3. Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu einem Expertengespräch zu laden und weitere Reformvorhaben hinsichtlich einer flächendeckenden Versorgung, insbesondere durch öffentlichkeitswirksame Initiativen und Maßnahmen maßgeblich zu begleiten und unterstützen.

Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 https://www.116117.de/de/zahlen-und-fakten.php

2 Dtsch Arztebl 2019; 116(35-36): A-1522 / B-1256 / C-1236