Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen – Wir benötigen eine psychiatrische Präventionsambulanz für psychisch Kranke mit Risikoprofil

Antrag
vom 12.02.2019

Antragder AfD-Fraktion vom 12.02.2019

 

Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen – Wir benötigen eine psychiatrische Präventionsambulanz für psychisch Kranke mit Risikoprofil

I. Systemische Defizite in der Prävention

Immer wieder kommt es zu Straftaten durch psychisch erkrankte Täter mit zum Teil schrecklichen Folgen. So geschah es auch in der Silvesternacht 2018/2019, als ein arbeitsloser und lediger Mann sein Kraftfahrzeug an verschiedenen Orten im Bereich der Städte Bottrop und Essen absichtsvoll in Menschengruppen lenkte und dadurch mehrere Personen verletzte. Der Landesregierung lagen bereits kurz nach der Tat Hinweise auf eine mögliche psychische Erkrankung des Beschuldigten aus dem schizophrenen Spektrum vor,1 was auch der Öffentlichkeit schon kurz nach der Tat bekannt gewesen ist.2 Drei Wochen nach der Tat wurde in Medienberichten sodann bekannt, dass mittlerweile ein psychiatrisches Gutachten vorliegt, in dem der Beschuldigte

„als zur Tatzeit mindestens erheblich vermindert schuldfähig eingestuft (wird, d. Verf.). Auch eine Schuldunfähigkeit könne nicht ausgeschlossen werden.“3

Daher ist der Beschuldigte, der sich nach aktuellem Kenntnisstand bereits in der Vergangenheit in Therapie befunden hat, in eine Psychiatrie eingewiesen worden.4

Zumindest einige solcher Taten könnten jedoch verhindert werden, wenn den späteren Tätern vorher geholfen worden wäre. So widmet sich beispielsweise ein Beitrag des ARD-Magazins Kontraste am Abend des 31. Januar 2019 der Überforderung von Betroffenen, Behörden und Kommunen mit psychisch kranken Menschen, die zu deviantem und gewaltförmigem Verhalten neigen. Neben zwei Fällen aus Brandenburg und Münster, in denen psychisch Kranke ihre Nachbarn bedrohen, beschimpfen und zum Teil gewalttätig werden, beziehen sich die Journalisten in diesem Zusammenhang explizit auch auf die tragische Amokfahrt in der Silvesternacht. Es müssen bedenkliche systemische Defizite frühzeitiger Präventionsmaßnahmen für einen kleinen Kreis potenziell gefährlicher psychisch Kranker festgestellt werden. Zwar haben die Ordnungsbehörden die Möglichkeit, psychisch Kranke bei Vorliegen einer akuten Fremdgefährdung auch zwangsweise einweisen zu lassen. Allerdings ist eine solche Unterbringung in der Allgemeinen Psychiatrie zeitlich begrenzt. Hier steht nämlich die Gefahrenabwehr, nicht aber eine nachhaltige Therapie im Fokus, sodass ein großer Teil der eingewiesenen Patienten ohne erfolgreiche Therapie der Krankheit die Krankenhäuser wieder verlässt, wenn die unmittelbar bevorstehende Gefahr nicht mehr vorhanden ist. Allgemeinpsychiatrische Kliniken zeigen sich zudem mit gewaltbereiten psychisch Kranken oft überfordert. Für einen dauerhaften Maßregelvollzug gelten wiederum jedoch hohe Hürden. Der psychisch Erkrankte muss unter anderem eben bereits zum Straftäter geworden sein. Eine mögliche Lösung für diesen Mangel an frühzeitigen und angemessenen Therapiemöglichkeiten stellt ein bislang einzigartiger Modellversuch im mittelfränkischen Ansbach dar, in dem psychisch Kranke die Möglichkeit erhalten, derjenigen Therapie zugeführt zu werden, die bislang nur nach Straftaten möglich ist.5

Dieses Ansbacher Modellprojekt einer psychiatrischen Präventionsambulanz ist sogar so erfolgreich, dass es laut Meldung des Bayerischen Rundfunks nun auf das gesamte Bundesland Bayern ausgeweitet werden soll, obgleich die genaue Zahl der künftigen Präventionseinrichtungen noch unklar ist. In dem bislang deutschlandweit einzigartigen Projekt, das im Jahr 2014 die Arbeit aufgenommen hatte, konnte schon etwa 160 Menschen geholfen werden. Die Wirksamkeit dieser Präventionsmaßnahme ist nach Einschätzung des Chefarztes der Klinik für forensische Psychiatrie, Priv.-Doz. Dr. habil. Joachim Nitschke, auch messbar. Innerhalb eines Jahres habe man das Risiko, dass Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen gewalttätig werden, um ein Drittel senken können.6

Das Modellprojekt ist eine von mehreren Ambulanzen am Standort Ansbach der Bezirkskliniken Mittelfranken, dessen Behandlungsangebot darüber hinaus Klinken für  Psychiatrie und Psychosomatik, Kinder- und Jugendpsychiatrie, eine Forensik, Tageskliniken, eine geriatrische Rehabilitation und sozialtherapeutisches Wohnen umfasst.7

Die Ansbacher Präventionsambulanz beschreibt Therapieziele, Therapiemethoden und den Patientenkreis wie folgt:

„Unter dem Motto ‚Stopp die Gewalt in dir‘ wollen wir psychisch kranke Menschen mit Gewaltneigung davor bewahren, Straftaten zu begehen. Damit schützen wir potenzielle Opfer und wollen Betroffenen dabei helfen, ein möglichst normales Leben zu führen. (…)

Das Angebot richtet sich an Personen, die an einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis (Psychose) oder einer schweren Persönlichkeitsstörung leiden.

An unsere Präventionsambulanz können sich sowohl Betroffene selbst, aber auch niedergelassene Ärzte, Sozialdienste oder Angehörige wenden. (…)

Die Behandlung in der Präventionsambulanz ist freiwillig und unsere Hilfe kostenlos. Wir unterstehen außerdem der ärztlichen Schweigepflicht.

Als erstes sprechen die Mitarbeiter der Präventionsambulanz ausführlich mit dem Betroffenen und führen verschiedene Untersuchungen durch. Gemeinsam erstellt das Team ein Risikoprofil. Anschließend wird der Behandlungsplan festgelegt.

Ein Mitarbeiter der Präventionsambulanz wird fester Ansprechpartner des Patienten. Dieser Bezugsmitarbeiter koordiniert Termine und hält telefonischen Kontakt.“8

Die Therapie kann dabei Einzel- und Gruppenangebote, fachärztliche, psychologische und sozialtherapeutische Behandlungen, Hausbesuche, die gemeinsame Planung der Tagesstruktur, aber auch Hilfestellungen bei finanziellen Problemen, Beratung und Unterstützung im Alltag und Familiengespräche umfassen.9

Über den im Mittelpunkt stehenden Schutz potentieller Opfer und der Therapie von Erkrankten mit Gewaltneigung hinaus birgt eine erfolgreiche Prävention schlussendlich auch finanzielle Vorteile, da es kostengünstiger ist, Risikopatienten zu behandeln, bevor sie zu Straftätern und danach für einen Tagessatz von 200 Euro und für eine z.B. in Bayern durchschnittliche Unterbringungsdauer von vier Jahren in einer forensischen Klinik untergebracht werden.10

II. Der Landtag stellt fest:

1. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen verdienen größtmögliche Sicherheit – auch vor psychisch erkrankten Gewalttätern. Dazu gehört ein stimmiges Komplementärverhältnis von Repression und Prävention.

2. Nordrhein-Westfalen will nicht mehr – wie in so vielen Bereichen – unteres Mittelfeld im Vergleich der Bundesländer sein. Es orientiert sich daher daran, was andere Bundesländer besser machen.

 III. Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

1. eine flächendeckende psychiatrische Präventionsambulanz für psychisch kranke Menschen mit Gewaltneigung und Risikoprofil nach dem Vorbild des Ansbacher Modellprojektes für das Bundesland Nordrhein-Westfalen einzurichten.

2. eine ausreichende Finanzierung der in Ziffer 1 formulierten Zielsetzung mindestens bis zum Jahre 2022 zu gewährleisten.

Markus Wagner
Dr. Martin Vincentz

und Fraktion

 

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1 Vgl. Bericht der Landesregierung, Vorlage 17/1610, S. 3f.

2 Vgl. Welt (2019): Haftbefehl beantragt – Was über den Täter bekannt ist; online im Internet: https://www.welt.de/politik/deutschland/article186418372/Anschlaege-in-Bottrop-und-Essen-Haftbefehl-beantragt-Was-ueber-den-Taeter-bekannt-ist.html.

3 Tageschau (2019): Mutmaßlicher Täter in Psychiatrie; online im Internet: https://www.tagesschau.de/inland/bottrop-attentaeter-psychiatrie-101.html.

4 Vgl. ebd.

5 Kontraste (2019): Übergriffe durch psychisch Kranke – Warum Behörden und Kommunen überfordert sind; online im Internet: https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUva29udHJhc3RlLzIwMTktMDEtMzFUMjE6NDU6MDBfNjExMTExNmQtMDFmMi00NGU2LTliNzMtODMxZDJlZTRjMjk3L3BzeWNoaXNjaC1rcmFua2UtdW5kLXVlYmVyZm9yZGVydGUtYmVob2VyZGVu/warum-behoerden-und-kommunen-ueberfordert-sind.

6 Vgl. Bayrischer Rundfunk (2018): Präventionsambulanz aus Ansbach wird in ganz Bayern umgesetzt; online im Internet: https://www.br.de/nachrichten/bayern/praeventionsambulanz-aus-ansbach-wird-in-ganz-bayern-umgesetzt,R9CknGe.

7 Vgl. Bezirkskliniken Mittelfranken (Hrsg.) (2019): Behandlungsangebot; online im Internet: https://www.bezirkskliniken-mfr.de/unsere-standorte/ansbach/.

8 Bezirkskliniken Mittelfranken (Hrsg.) (2019): Ambulante Angebote; online im Internet: https://www.bezirkskliniken-mfr.de/unsere-standorte/ansbach/behandlungsangebot/ambulante-angebote/.

9 Vgl. ebd.

10 Vgl. Simon, Catherine (2017): Wie Psychologen Gewalttaten psychisch Kranker verhindern; online im Internet: https://www.welt.de/regionales/bayern/article163575198/Wie-Psychologen-Gewalttaten-psychisch-Kranker-verhindern.html.