Mehrere Unionsländer planen den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit zu erleichtern – Wie positioniert sich die Landesregierung NRW in dieser Frage?

Kleine Anfrage
vom 06.02.2024

Kleine Anfrage 3304

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Mehrere Unionsländer planen den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit zu erleichtern – Wie positioniert sich die Landesregierung NRW in dieser Frage?

Gemäß aktuell bestehender Rechtslage sind an den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit hohe Hürden gebunden. So heißt es in Artikel 16 des Grundgesetzes generell: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“

Gemäß § 28 Staatsangehörigkeitsgesetz gibt es zunächst entsprechende Möglichkeiten, wenn eine Person „auf Grund freiwilliger Verpflichtung ohne eine Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung oder der von ihm bezeichneten Stelle in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, eintritt oder sich an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland konkret beteiligt.“ Diese Regelung lässt sich insbesondere auf Islamisten anwenden, die z. B. auf Seiten des IS oder der Hamas kämpfen. Zu beachten ist dabei allerdings, dass der Betroffene nicht staatenlos werden darf.

Des Weiteren gibt es gemäß § 35 Staatsangehörigkeitsgesetz Möglichkeiten, eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit zurückzunehmen, wenn „der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.“

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist das Vorpreschen einiger Unionsländer erstaunlich. Erforderlich wäre eine Änderung im Staatsangehörigkeitsgesetz, wofür sich im aktuellen Bundestag keine Mehrheit abzeichnet, sowie ggf. auch eine Grundgesetzänderung, die nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden könnte, wofür es momentan erst recht keine Mehrheit gibt.

So forderte der bayerische Innenminister den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft für Straftäter. Im Merkur heißt es dazu: „Herrmann fordert unmissverständlich, dass Straftätern die deutsche Staatsangehörigkeit wieder entzogen werden kann.“1

Die CDU Rheinland-Pfalz forderte, Hamas-Anhängern den Doppelpass zu entziehen: „Den Terror der Hamas zu feiern, sei mit der deutschen Staatsangehörigkeit nicht vereinbar. Wer die Ordnung hierzulande nicht akzeptiere und die innere Sicherheit gefährde, dürfe nicht länger vom „doppelten Pass“ profitieren, der müsse Deutschland verlassen, sagte [der rheinland-pfälzische CDU-Chef] Baldauf“.2

Gleich mehrere CDU-geführte Länder (darunter auch NRW) forderten den Entzug des deutschen Passes für Clan-Kriminelle. In einem Positionspapier heißt es zudem: „„Zu prüfen ist, ob Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit, die an Organisierter Kriminalität nachweisbar mitwirken, die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden kann“3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie positioniert sich die Landesregierung in Bezug auf einen Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit von Doppelstaatlern in den oben genannten Fällen? (Bitte getrennt auf alle Konstellationen eingehen, also Straftäter, Hamas-Anhänger bzw. Islamisten, Clan-Kriminelle sowie Kriminelle im Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität)
  2. Inwiefern wäre nach Ansicht der Landesregierung ein Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit von Doppelstattlern in den zuvor genannten Fällen bereits gemäß bestehender Rechtslage möglich? (Bitte erneut getrennt auf alle Konstellationen eingehen, also Straftäter, Hamas-Anhänger bzw. Islamisten, Clan-Kriminelle sowie Kriminelle im Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität)
  3. Inwiefern wäre die Landesregierung bereit, eine entsprechende Bundesratsinitiative (Änderung der Staatsangehörigkeitsgesetzes) in diesem Zusammenhang zu unterstützen?
  4. Wie wird sich die Landesregierung in diesem Zusammenhang bei anstehenden Bund-Länder-Treffen bzw. Innenministerkonferenzen positionieren?
  5. Inwiefern würde die Landesregierung in diesem Zusammenhang eine ggf. erforderliche Grundgesetzänderung befürworten?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-7995

 

1 Vgl. https://www.merkur.de/politik/straftaten-doppelpass-doppelte-staatsbuergerschaft-cdu-csu-ampel-koalition-einbuergerung-92683155.html

2 Vgl. https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/cdu-rlp-fordert-hartes-vorgehen-gegen-hamas-sympathisanten-100.html

3 Vgl. https://www.welt.de/politik/deutschland/plus247101568/Unionslaender-bringen-Entzug-des-deutschen-Passes-bei-Clan-Kriminellen-ins-Spiel.html


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3304 mit Schreiben vom 18. März 2024 namens der Landesregierung im Ein­vernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister für Bundes- und Europaangelegen­heiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die Landesregierung hat sich im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts wie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage 3174 ersichtlich positioniert. Auf diese Antwort wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

  1. Wie positioniert sich die Landesregierung in Bezug auf einen Entzug der deut­schen Staatsangehörigkeit von Doppelstaatlern in den oben genannten Fällen? (Bitte getrennt auf alle Konstellationen eingehen, also Straftäter, Hamas-Anhänger bzw. Islamisten, Clan-Kriminelle sowie Kriminelle im Zusammenhang mit der Or­ganisierten Kriminalität)

Die Landesregierung bewertet die Frage gemäß der geltenden Rechtslage. Das Staatsange­hörigkeitsrecht beschreibt sowohl in der aktuell gültigen Fassung als auch nach der Novellie­rung (Verabschiedung im Bundestag am 19.01.2024) Tatbestände, die zu einer Rücknahme (§ 35 StAG) oder zu einem Verlust (§ 28 StAG) der deutschen Staatsangehörigkeit führen. Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gem. § 28 Abs. 1 Nr. 2 StAG tritt ein, falls sich ein Deutscher an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, es sei denn, er würde sonst staatenlos. Weiterhin kann eine rechtswidrige Einbürgerung gem. § 35 Abs. 1 StAG zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist. Eine Staatenlosigkeit durch den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit steht dem in der Regel nicht entgegen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 16 Abs. 1 GG (vgl. etwa BVerfG, Urt. vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 669/04 – juris).

  1. Inwiefern wäre nach Ansicht der Landesregierung ein Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit von Doppelstattlern in den zuvor genannten Fällen bereits ge­mäß bestehender Rechtslage möglich? (Bitte erneut getrennt auf alle Konstellati­onen eingehen, also Straftäter, Hamas-Anhänger bzw. Islamisten, Clan-Kriminelle sowie Kriminelle im Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität)

Die Landesregierung verweist auf die Antwort zu Frage 1.

  1. Inwiefern wäre die Landesregierung bereit, eine entsprechende Bundesratsinitia­tive (Änderung der Staatsangehörigkeitsgesetzes) in diesem Zusammenhang zu unterstützen?
  2. Wie wird sich die Landesregierung in diesem Zusammenhang bei anstehenden Bund-Länder-Treffen bzw. Innenministerkonferenzen positionieren?
  3. Inwiefern würde die Landesregierung in diesem Zusammenhang eine ggf. erfor­derliche Grundgesetzänderung befürworten?

Die Fragen 3, 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Eine Positionierung der Landesregierung erfolgt, wenn entsprechende Initiativen bzw. Vor­schläge zur Beratung anstehen.

 

MMD18-8538