„Meldestelle für Sonstiges“ – Merkwürdige Priorisierung der vier neuen Meldestellen

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 340
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Sven Tritschler vom 18.08.2022

 

„Meldestelle für Sonstiges“ – Merkwürdige Priorisierung der vier neuen Meldestellen

Während drei der vier neuen Meldestellen sich einem Themengebiet widmen, nämlich Queerfeindlichkeit, antimuslimischem Rassismus bzw. Antiziganismus, geht es bei der „Meldestelle für Sonstiges“ um anti-Schwarzen und antiasiatischen Rassismus und zusätzlich um weitere Formen des Rassismus, quasi um Sonstiges von Sonstigem, was in den Medien etwas überspitzt u.a. wie folgt analysiert wurde:

„Die Formulierung ‚weitere Formen von Rassismus‘ [bei der 4. Meldestelle] ist entlarvend, denn die arme Ministerin nebst ihrer Mitstreiter müssen ihr Leben in einer Welt voller Rassismen fristen, die in ihrer stets sich vermehrenden Diversität einzig und allein von den weißen Deutschen ausgehen, von heterosexuellen Deutschen ohne Migrationshintergrund, jenem reaktionären Teil der Bevölkerung, der das einzige und große Problem des zu transformierenden Deutschlands darstellt, und einen erschreckenden Umerziehungsbedarf anmeldet, dem sich die fleißige Ministerin pflichtschuldig stellt.“1

Nicht leugnen lässt sich die Tatsache, dass der weiße Deutsche bzw. Europäer oder dafür erachtete Menschen, z.B. weiße Nordamerikaner, Australier oder auch Südafrikaner, nur als mögliche Täter, nicht aber als mögliche Opfer bei der Konstruktion der Meldestellen auftauchen. Das wird auch deutlich durch die Auswahl der Träger. So soll die Meldestelle vom sozial-kulturellen Migrantenverein Dortmund (VMDO) e.V., vom Netzwerk von Migrantenorganisationen NRW (LV NeMO e.V.), dem Anti-Rassismus Informationszentrum (ARIC e.V.), dem Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) sowie dem Verein kamerunischer Ingenieure und Informatiker (VKII Ruhrbezirk e.V.) aufgebaut werden. Wo sich hier der augenscheinlich nur als Täter vorgesehene Bürger wiederfinden soll, ist schleierhaft.

Ohne es zu merken oder auch bewusst werden hier weite Bevölkerungsschichten ausgegrenzt. Ähnliches gilt für viele andere religiöse Gruppen oder geografisch einsortierte Menschen, die nur unter Sonstiges von Sonstigem auftauchen. Die Problematik der möglichen falschen Einordnung des Täters durch das Äußere des Opfers bleibt ebenfalls ungelöst.

Bei „antiasiatischem Rassismus“ handelt es sich nicht nur um eine neue Wortschöpfung, es ergeben sich auch Probleme bei einer geographischen und staatlichen Einordnung, da sich Asien vom Bosporus bzw. Ural bis zur Beringstraße bzw. Indonesien erstreckt, unterteilt in Nordasien, Zentralasien, Vorderasien, Südasien, Ostasien und Südostasien. In diesem geografischen Raum gibt es wiederum zahlreiche unterschiedliche dominierende Religionsgemeinschaften. In der Antwort auf eine vorherige Kleine Anfrage der AfD2 versuchte sich die Landesregierung bereits an einer Definition, die den Leser noch ratloser als zuvor zurückließ. So hieß es:

„Grundsätzlich nimmt der Begriff „asiatisch“ in diesem Kontext auf eine Fremdzuschreibung Bezug. Eingeschlossen sind außerdem alle Menschen, die sich selbst z.B. als „asiatisch“, „asiatische Deutsche“ oder „asiatisch-diasporisch“ bezeichnen.“3

Das klingt nicht nach einer wissenschaftlich fundierten Einordnung und lässt den Trägern der Meldestelle beim Aufbau großen Interpretations- und somit auch Manipulationsspielraum in die gewünschte Richtung. Im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage konnte die Landesregierung seinerzeit zudem nicht klären, wie man bei der Begegnung des anti­schwarzen Rassismus der Gefahr eines Abgleitens in eine „Black Live Matters (BLM)“-ähnliche Ausprägung verhindern möchte. Zahlreiche gewaltsame Ausschreitungen in den USA und offen zu Tage tretende antisemitische Auswüchse der BLM-Bewegung sollten doch eigentlich zur Vorsicht mahnen.

Auch die Möglichkeit einer Mehrfachdiskriminierung, also z.B. queer, muslimisch und schwarz, war nicht abschließend geklärt. Die Abstimmung über den Umgang mit merkmalsübergreifender Diskriminierung zwischen den Meldestellen sei ein zentraler Bestandteil der Aufbauarbeiten.4 Zudem ist nicht geklärt, wie mit einer Diskriminierung untereinander umgegangen werden soll, also z.B. Muslime gegenüber queeren Menschen oder Schwarze gegenüber Juden.

Zusammenfassend wirkt der Zusammenschnitt dieser „Meldestelle für Sonstiges“ und somit der vier neuen Meldestellen insgesamt sehr diffus, aber offensichtlich passend zum Rassismus-Begriff und zum „abstrusen Weltbild“ der frisch gewählten Antidiskri-minierungsbeauftragten der Bundesregierung.5 Im Online-Magazin FOCUS wird dieses Weltbild, welches sich bei einem Blick auf die Zusammenstellung der geplanten Meldestellen und der dafür ausgewählten Träger deutlich wiederfindet, wie folgt zusammengefasst:

„Deutschland ist durch und durch rassistisch. […] Demnach sind die alten, weißen Männer von Natur aus privilegiert, leben ihre Überlegenheit aus, handeln und denken rassistisch. Angehörige von Minderheiten können in diesem absolutistischen Schema nur das Opfer dieses Rassismus sein und werden als homogene Opfergruppe wahrgenommen, die vor den bösen Weißen geschützt werden müsste. […] Rassist ist, wer alt, weiß und männlich ist. In diesem Weltbild existiert Rassismus, der von Nicht-Weißen ausgeht, nicht. In diesem Weltbild muss pauschal der alte weiße Mann der Rassist sein.“

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie soll nach Ansicht der Landesregierung die Meldestelle „anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ – unabhängig von der generellen Bewertung der Meldestellen – bei der Fülle möglicher Rassismen und der geschilderten Möglichkeiten seiner Aufgabe gerecht werden?
  2. Beim Zuschnitt der Meldestellen fällt auf, dass es keine jeweilige Spiegelung gibt. So soll es z.B. antimuslimischen Rassismus geben, aber keinen Rassismus bzw. keine Diskriminierung, die von Muslimen ausgeht. Wie plant die Landesregierung diese Problematik im Zusammenhang mit den Meldestellen zu lösen, wonach einige Personengruppen scheinbar nur als mögliche Täter, nicht aber als mögliche Opfer auftauchen?
  3. Was verbirgt sich im Detail hinter der Bezeichnung „weitere Formen des Rassismus“? (Bitte im Detail aufschlüsseln)
  4. Welche wissenschaftlich genauere Definition von „antiasiatischem Rassismus“ gibt es seit der Beantwortung der zitierten vorherigen Kleinen Anfrage von Seiten der Landesregierung bzw. der Träger?
  5. Warum findet die Problematik anderer Diskriminierungen (beispielsweise Christenfeindlichkeit, der Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund gegenüber Menschen ohne Migrationshintergrund oder zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund) von Seiten der Landesregierung im Zusammenhang mit den neuen Meldestellen keinerlei Beachtung?

Enxhi Seli-Zacharias
Sven Tritschler

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. https://www.tichyseinblick.de/meinungen/gruene-cdu-buergerrechte-meldestellen Datum des Originals: 08.08.2022/Ausgegeben: 18.08.2022

2 Vgl. Lt.-Drucksache 17/16778.

3 Ebenda

4 Ebenda

5 Vgl. https://www.focus.de/politik/deutschland/kolumne-von-ahmad-mansour-ferda-ataman-das-abstruse-weltbild-unserer-neuen-anti-hass-beauftragten_id_107972725.html.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 340 mit Schreiben vom 15. September 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie soll nach Ansicht der Landesregierung die Meldestelle „anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ – unabhängig von der generellen Bewertung der Meldestellen – bei der Fülle möglicher Rassismen und der geschil­derten Möglichkeiten seiner Aufgabe gerecht werden?
  1. Was verbirgt sich im Detail hinter der Bezeichnung „weitere Formen des Rassis­mus“? (Bitte im Detail aufschlüsseln)
  2. Welche wissenschaftlich genauere Definition von „antiasiatischem Rassismus“ gibt es seit der Beantwortung der zitierten vorherigen Kleinen Anfrage von Seiten der Landesregierung bzw. der Träger?

Die Fragen 1, 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die Beantwortung dieser Fragen ist Teil der aktuell laufenden konzeptionellen Aufbauarbeiten für die künftigen Meldestellen. Zum Inhalt der Aufbauarbeiten und den datenschutzrechtlichen Grundlagen verweist die Landesregierung auf die Antwort zur KA 156.

  1. Beim Zuschnitt der Meldestellen fällt auf, dass es keine jeweilige Spiegelung gibt. So soll es z.B. antimuslimischen Rassismus geben, aber keinen Rassismus bzw. keine Diskriminierung, die von Muslimen ausgeht. Wie plant die Landesregierung diese Problematik im Zusammenhang mit den Meldestellen zu lösen, wonach ei­nige Personengruppen scheinbar nur als mögliche Täter, nicht aber als mögliche Opfer auftauchen?

Die Meldestellen sollen alle Formen von Rassismus, Antisemitismus und Queerfeindlichkeit erfassen, unabhängig davon, von wem sie ausgehen.

  1. Warum findet die Problematik anderer Diskriminierungen (beispielsweise Christenfeindlichkeit, der Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund ge­genüber Menschen ohne Migrationshintergrund oder zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund) von Seiten der Landesregie­rung im Zusammenhang mit den neuen Meldestellen keinerlei Beachtung?

Die Landesregierung setzt sich gegen alle Formen von gruppenbezogener Menschenfeind­lichkeit ein und betrachtet die Meldestellen als geeignete Maßnahmen, um den genannten Formen der Diskriminierung zu begegnen.

 

Antwort als PDF