Kleine Anfrage 4742
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Möchte die Landesregierung im Gegensatz zur Unionsfraktion im Deutschen Bundestag Art. 16a Grundgesetz nur partiell umsetzen?
Im Rahmen einer aktuellen Bundesratsinitiative u. a. des Landes NRW1 heißt es in Forderung Nr. 9:
„Asylverfahren von Personen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote unter fünf Prozent müssen beschleunigt werden. Dabei bedarf es eines Automatismus: Für alle Herkunftsstaaten, deren Anerkennungsquote unter fünf Prozent liegt, müssen automatisch verfahrens- und materiellrechtliche Regelungen gelten, die eine beschleunigte Bearbeitung ermöglichen. Dazu sollte Art. 16a Abs. 3 GG genutzt werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem beschleunigte Asylverfahren für Herkunftsstaaten mit einer Anerkennungsquote unter fünf Prozent auf diesem Weg erreicht werden. Das individuelle Recht auf Asyl bleibt hiervon unberührt.“
Weiter heißt es im 3. Absatz: „Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.“
So richtig eine konsequente Umsetzung dieser Maßnahme auch wäre, fallen alle Herkunftsstaaten, deren Anerkennungsquote über fünf Prozent liegt, aus dieser Regelung heraus.
Das sind dann übersetzt alle Hauptherkunftsstaaten. Der zählbare Erfolg dieser Einzelforderung der Bundesratsinitiative wäre daher sehr begrenzt.
Der zentrale Kurswechsel, wonach alle illegalen Einreisen aus sicheren Drittländern (also aus allen direkten Nachbarländern Deutschlands) konsequent unterbunden werden, entweder durch Zurückweisungen an der Grenze oder durch Zurückschiebungen im grenznahen Bereich, wird von Seiten der Landesregierung, im Rahmen der Bundesratsinitiative nicht eingefordert.
Dieser zentrale Kurswechsel, den die AfD seit Jahren fordert (zuletzt am 12.09.20242), wurde jetzt offenbar durch die Union inhaltlich identisch übernommen (ebenso am 12.09.20243). Eine abschließende Beratung und Abstimmung über den Antrag der Union im Deutschen Bundestag bereits am 26.09.2024 scheiterte an der Weigerung der Ampelparteien, den Antrag auf die Tagesordnung des Innenausschusses am 25.09.2024 zu nehmen.4 Ein ähnliches Vorgehen im Innenausschuss des Deutschen Bundestags sollte sich in der Folgezeit wiederholen.
Die Unionsfraktion im Bundestag fordert dabei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der inneren Sicherheit in Deutschland im Sinne von Artikel 72 AEUV gemäß Artikel 16a Absatz 2 GG und § 18 Absatz 2 des Asylgesetzes umgehend auch solche Personen an den Binnengrenzen zurückzuweisen sind, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Schengen-Raums bereits Aufnahme gefunden haben oder die einen Asylantrag auch in einem Staat, aus dem sie einreisen wollen, stellen können.
Neben Absatz 3 (Bundesratsinitiative) soll also auch Absatz 2 zur Anwendung kommen. Dass beides lediglich die Anwendung geltenden Rechts ist, muss nicht weiter ausgeführt werden.
Anders ausgedrückt scheitert der seit 2015 überfällige zentrale Kurswechsel insbesondere erneut an der Blockadehaltung der Grünen, also am Koalitionspartner der CDU in NRW. Auch ein weiterer Antrag der Union vom 26.09.2024, der fast alle AfD-Forderungen verkündet, wirft die Frage auf, wie dieser für die CDU noch neue Kurs mit dem grünen (Wunsch-)Koalitionspartner umgesetzt werden soll.5
Ich frage daher die Landesregierung:
- Inwiefern unterstützt die CDU-geführte NRW-Landessregierung die Forderung der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag nach einer konsequenten Anwendung von Artikel 16a Absatz 2 GG und § 18 Absatz 2 des Asylgesetzes i.V.m. Artikel 72 AEUV?
- Wie positioniert sich in dieser Frage insbesondere die zuständige Ministerin für Flucht und Integration, Josefine Paul?
- Von der durch die Bundesratsinitiative geforderten Umsetzung von Artikel 16a Absatz 3 Grundgesetz sollen nur Herkunftsstaaten, deren Anerkennungsquote unter fünf Prozent liegt, betroffen sein. Auf welche Herkunftsstaaten trifft dies derzeit zu?
- Welchen Anteil hatten Asylbewerber aus diesen Herkunftsstaaten im Jahre 2023 an der Gesamtzahl der Asylbewerber in NRW?
- Warum fordert die CDU-geführte Landesregierung lediglich eine partielle Anwendung von Artikel 16a Grundgesetz, also Absatz 3: ja, Absatz 2: nein?
Enxhi Seli-Zacharias
1 Vgl. https://dserver.bundestag.de/brd/2024/0464-24.pdf
2 Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/20/128/2012802.pdf
3 Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/20/128/2012835.pdf und
https://dserver.bundestag.de/btd/20/128/2012804.pdf
5 Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/20/129/2012961.pdf
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4742 mit Schreiben vom 22. Januar 2025 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet.
- Inwiefern unterstützt die CDU-geführte NRW-Landessregierung die Forderung der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag nach einer konsequenten Anwendung von Artikel 16a Absatz 2 GG und § 18 Absatz 2 des Asylgesetzes i.V.m. Artikel 72 AEUV?
- Wie positioniert sich in dieser Frage insbesondere die zuständige Ministerin für Flucht und Integration, Josefine Paul?
- Warum fordert die CDU-geführte Landesregierung lediglich eine partielle Anwendung von Artikel 16a Grundgesetz, also Absatz 3: ja, Absatz 2: nein?
Die Fragen 1, 2 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Die Thematik von Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze betrifft den Aufgabenbereich der Bundespolizei, die für den Schutz der Grenzen zuständig ist.
Um das Weiterziehen von Geflüchteten innerhalb der EU zu verhindern, nutzt die Bundespolizei Grenzkontrollen dazu, Geflüchtete, die aus einem anderen EU-Mitgliedstaat einreisen, an der deutschen Grenze entsprechend den rechtlichen Grundlagen zurückzuweisen. Soweit die angrenzenden Staaten dies ermöglichen, werden die Kontrollen bereits vor der deutschen Grenze durchgeführt und die dortigen Zurückweisungsmöglichkeiten genutzt.
Unabhängig davon wirft die Thematik von Zurückweisungen komplizierte rechtliche Fragen auf, die u.a. das Verhältnis von nationalem Recht zum geltenden Europarecht betreffen.
- Von der durch die Bundesratsinitiative geforderten Umsetzung von Artikel 16a Absatz 3 Grundgesetz sollen nur Herkunftsstaaten, deren Anerkennungsquote unter fünf Prozent liegt, betroffen sein. Auf welche Herkunftsstaaten trifft dies derzeit zu?
Zur Beantwortung der Frage wird auf meinen Nachbericht im Integrationsausschuss vom 20.11.2024 zur Sitzung des Integrationsausschusses am 30.10.2024 zum Thema „Zuständigkeiten, Inhalte und Umsetzung des Sicherheitspakets der schwarz-grünen Landesregierung im Zuständigkeitsbereich des Integrationsausschusses – Vierte Maßnahme: Beschleunigte Asylverfahren für Herkunftsstaaten mit Anerkennungsquote unter fünf Prozent‘“ (Landtagsvorlage 18/3305) verwiesen.
- Welchen Anteil hatten Asylbewerber aus diesen Herkunftsstaaten im Jahre 2023 an der Gesamtzahl der Asylbewerber in NRW?
Aus den Herkunftsstaaten im Sinne der Frage 3 wurden im Zeitraum vom 01.01.2023 bis 31.12.2023 insgesamt 8.919 Zugänge von Asylbewerbern nach Nordrhein-Westfalen im System EASY erfasst (Hinweis: Zugangszahlen für die chinesische Sonderverwaltungszone Macao werden in dem System EASY nicht gesondert ausgewiesen.). Die Gesamtzahl der Zugänge von Asylbewerbern in EASY für Nordrhein-Westfalen betrug in dem vorgenannten Zeitraum insgesamt 64.711 Personen.