Große Anfrage 9
der Fraktion AfD
Mögliche verdeckte chinesische Militärforschung an oder in Kooperation mit Hochschulen in Nordrhein-Westfalen
Aufgrund von Recherchen von Correctiv und Deutscher Welle wurde bekannt, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Präsentation einer Forschungsarbeit der Universität Bonn mit der chinesischen National University of Defence Technology (NUDT) mitfinanziert hat. Dies wurde 2022 im Rahmen der internationalen Recherchen von „China Science Investigation“, welche von CORRECTIV und Follow the Money koordiniert wurden, ermittelt. Die National University of Defence Technology ist eine chinesische Spitzenuniversität der Militärforschung und war bei militärischen Forschungsprojekten für die Volksbefreiungsarmee, bspw. zu Hyperschalltechnik und Supercomputern, von zentraler Bedeutung. Problematisch ist dabei, dass die DFG keine Finanzmittel für militärische Forschungen vergebe, da die „Militärforschung […] von DFG-Förderung a priori sowieso ausgeschlossen“ sei, so DFG-Präsidentin Katja Becker.1
Die politische Führung Chinas hingegen bezweckt die „militärisch-zivile Fusion“; dies bedeutet, dass Wissen und Technologie auch für den Rüstungssektor genutzt werden soll. Vor allem Forschungsprojekte, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können („Dual-Use“), sollen in den letzten Jahren vermehrt durch Forschungskollegen der NUDT unterstützt worden sein. Deutschlandweit sollen bisher mindestens 233 deutsche wissenschaftliche Arbeiten bekannt sein, die mit der NUDT in Verbindung stehen. In den Jahren 2000 bis 2022 wurden gemäß der Recherchen von CORRECTIV, Deutsche Welle, Deutschlandfunk und Süddeutscher Zeitung insgesamt 349 wissenschaftliche Veröffentlichungen entdeckt. Hierbei wird der grundrechtlich geschützte Grundsatz der Wissenschafts-, Lehr- und Forschungsfreiheit in Deutschland durch die NUDT ausgenutzt, um in derartigen Forschungsvorhaben kooperieren zu können, während in China die Forschung an politischen Zielen ausgerichtet ist und keine mit Deutschland vergleichbare Wissenschaftsfreiheit genießt.2
Besonders wichtig für die chinesische militärische Forschung sind die sogenannten „Seven Sons of National Defense“. Hierbei handelt es sich um sieben Hochschulen, die laut dem „Australian Strategic Policy Institute“ (ASPI) als zivil deklariert werden, jedoch mit dem Militär und der Rüstungsindustrie tief verbunden sind. Das ASPI ist ein Think Tank, der von der australischen Regierung mitfinanziert wird und unter anderem prüft, ob chinesische Hochschulen dem Militär und der Rüstungsindustrie nahestehen. Aufgrund fehlender einheitlicher Regelungen sollen sich die deutschen Hochschulen laut der DFG dieses Missbrauchspotentials von „Dual-Use“-Forschungsprojekten bewusst werden und laut dem Bundesforschungsministerium für mögliche Forschungsspionage und ungewollten Technologieabfluss sensibilisieren.3
Wir fragen daher die Landesregierung:
I. Forschungskooperationen
- Was ist über projektbezogene Forschungskooperationen zwischen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen und chinesischen Hochschulen bekannt (bitte nach Hochschule, Einrichtung, Disziplin aufschlüsseln und Budgetierung ausweisen)?
- Was ist über allgemeine Forschungsabkommen zwischen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen und chinesischen Hochschulen bekannt?
- Was ist über Kooperationen zwischen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen und chinesischen Hochschulen, die den „Seven Sons of National Defense“ zuzuordnen sind, bekannt?
- Was ist über Forschungs- und Hochschulkooperationen in sensiblen Bereichen (z.B. IT, Luft- und Raumfahrttechnik, Künstliche Intelligenz) bekannt?
II. Personal und Sicherheit
- Wie wird grundsätzlich die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern in sensiblen Forschungsbereichen wie IT-Sicherheit, Infrastruktur oder Künstlicher Intelligenz reguliert und überwacht?
- Wie geht die Landesregierung mit Verdachtsfällen um, in denen eine Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern den Grundsätzen der Wissenschafts-, Lehr- und Forschungsfreiheit widerspricht oder für militärische Zwecke missbraucht wird?
- Was ist über chinesische Wissenschaftler bekannt, deren Forschungsprojekte oder Graduierungsverfahren (Promotion oder Habilitation) an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen vollumfänglich oder größtenteils von China finanziert werden?
- Wie viele chinesische Wissenschaftler bzw. Forscher arbeiten aktuell auf Grundlage vertraglicher Bindungen an den Hochschulen des Landes?
- Findet grundsätzlich eine Sicherheitsüberprüfung dieser Forscher statt, um eine mögliche Verbindung zum chinesischen Sicherheitsapparat transparent machen zu können?
- Wenn Frage 9 bejaht wird, wer führt diese durch?
- Wenn Frage 9 bejaht wird, wird für diese Überprüfungen auf chinesische Linguisten und Übersetzer zurückgegriffen, um diesbezüglich die Informationsgewinnung umfassender zu gestalten?
- Wenn Frage 11 verneint wird, warum nicht?
- Nach welchen rechtlichen Vorgaben werden Sicherheitsüberprüfungen bei ausländischen Forschern grundsätzlich durchgeführt?
- Welche Rolle spielt der Verfassungsschutz NRW bzw. das Bundesamt für Verfassungsschutz bei der Überwachung von Forschungskooperationen von Hochschulen in Nordrhein-Westfalen mit chinesischen Partnern?
- Inwieweit sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen Forscher konkret durch den chinesischen Sicherheitsapparat im Zusammenhang mit Forschungskooperationen bedroht oder eingeschüchtert wurden?
- Inwiefern gibt es Hochschulen in Nordrhein-Westfalen die sich von Forschungskooperationen mit chinesischen Partnern distanziert oder diese sogar aufgekündigt haben?
III. „Dual-Use“-Forschungsbereiche und Forschungsspionage
- Inwiefern hat die Landesregierung Kenntnis von deutsch-chinesischen Forschungsprojekten an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, die an die NUDT angebunden waren oder sind?
- Inwiefern hat die Landesregierung Kenntnis von Forschungskooperationen und – projekten, die als „Dual-Use“ einzustufen sind, also eine zivile, aber zugleich auch eine konkrete militärische Nutzung möglich erscheinen lassen?
- Inwiefern hat die Landesregierung Kenntnis von in Nordrhein-Westfalen unter Beteiligung chinesischer Wissenschaftler abgeschlossenen Forschungsprojekten, deren Ergebnisse, Erträge oder Produkte in China für militärische Zwecke verwendet worden sind?
- Inwiefern hat die Landesregierung Kenntnis von konkreten Fällen von Forschungsspionage oder Technologieabfluss im Rahmen von deutsch-chinesischen Hochschulkooperationen?
- Welche Vorsichtsmaßnahmen werden getroffen, um zu verhindern, dass an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen durchgeführte Forschungen für militärische Zwecke in China genutzt werden?
- Sind diesbezüglich (siehe Fragen 20 und 21) Gespräche mit den Hochschulen des Landes geführt worden?
- Wenn Frage 22 bejaht wird, bitte Frequenz, Teilnehmer und Erträge ausweisen.
- Wenn Frage 22 verneint wird, warum nicht?
IV. Schutz vor Forschungsspionage
- Welche Maßnahmen ergreifen unsere Hochschulen intern, um vor dem Hintergrund der aktuellen sicherheitspolitischen Lage für die geschilderte Problematik zu sensibilisieren?
- Inwieweit hält die Landesregierung es für notwendig, im Rahmen eines Kongresses oder Symposiums einen öffentlichen landespolitischen Diskurs über diese (siehe Frage 25) geschilderte Problematik zu eröffnen oder voranzutreiben?
- Was ist über Publikationen bekannt, die sich in den letzten drei Jahren wissenschaftlich mit der verdeckten Militärforschung bzw. dem Technologieabfluss zum Nachteil des Landes auseinandergesetzt haben?
- Gab es zu den Komplexen verdeckte Militärforschung bzw. Technologieabfluss zum Nachteil des Landes Gespräche mit Vertretern der chinesischen Regierung?
- Wenn Frage 28 bejaht wird, bitte Frequenz, Teilnehmer und Erträge ausweisen.
- Wenn Frage 28 verneint wird, warum nicht?
V. Gesetzgebung und Maßnahmen gegen Forschungsspionage
- Inwiefern enthält die Hochschulgesetzgebung Bestimmungen, die eine verdeckte Militärforschung bzw. Technologieabfluss zum Nachteil des Landes erschweren oder begrenzen?
- Wie überprüft die Landesregierung, ob Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen die bestehenden Richtlinien bzw. Vorgaben des Bundes oder Landes NRW (siehe Frage 31) für die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern einhalten?
- Inwiefern wird diesbezüglich (siehe Fragen 31 und 32) gesetzgeberischer Novellierungsbedarf gesehen?
- Inwiefern wird in der Forderung der DFG, eine strengere Überprüfung des Missbrauchspotenzials ins Werk zu setzen und ein einheitliches Regelwerk für alle Hochschulen zu entwickeln, ein Anlass gesehen, initiativ tätig zu werden?
- Inwieweit unterstützt die Landesregierung die Entwicklung von Leitlinien für die Zusammenarbeit von Hochschulen in Nordrhein-Westfalen mit ausländischen Partnern, um die Risiken von „Dual-Use“-Forschungsprojekten zu minimieren?
- Inwiefern arbeitet die Landesregierung mit anderen Bundesländern und der Bundesregierung zusammen, um einheitliche Regelungen für die Zusammenarbeit von Hochschulen mit ausländischen Partnern zu schaffen?
- Betreibt die Landesregierung Risiko-Einstufungen – vergleichbar mit denen des „Australian Strategic Policy Institute“ (ASPI) – hinsichtlich der Nähe von chinesischen Hochschulen zu den Streitkräften oder der Rüstungsindustrie Chinas?
- Wenn Frage 37 verneint wird, warum nicht?
- Wenn Frage 37 bejaht wird, welche Erträge ergaben sich aus diesem Monitoring?
- Haben diesbezüglich (siehe Frage 37) bereits Gespräche und Konsultationen auf Länder- und/oder Bundesebene stattgefunden?
- Wenn Frage 40 bejaht wird, wann und mit welchem Ertrag?
- Wenn Frage 40 verneint wird, warum nicht?
- Inwiefern sieht die Landesregierung konkreten Handlungsbedarf, um missbräuchlichen Technologieabfluss zu Gunsten des chinesischen Militärs im Rahmen von deutschchinesischen Forschungsprojekten zu verhindern oder wirkungsvoll einzudämmen?
- Inwieweit sieht die Landesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen internationalen sicherheitspolitischen Lage (insbesondere der Taiwankonflikt) diesbezüglich Handlungsbedarf?
- Haben diesbezüglich (siehe Frage 44) Gespräche mit chinesischen Institutionen stattgefunden?
- Wenn Frage 45 bejaht wird, wann und mit welchem Ertrag?
- Wenn Frage 45 verneint wird, warum nicht?
- Welche Erwartungen hegt die Landesregierung bezüglich der deutsch-chinesischen Forschungskooperation in der Zukunft?
VI. Wissenschaftliche Veröffentlichungen
- Wie werden Hochschulen in Nordrhein-Westfalen über die Risiken von Kooperationen mit ausländischen Partnern aufgeklärt und welche Schutzmaßnahmen werden ihnen empfohlen?
- Wie viele wissenschaftliche Veröffentlichungen als Resultat deutsch-chinesischer Forschungskooperation sind an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen fünf Jahren registriert worden? (Bitte aufschlüsseln nach Titel, Forschungsbereich und Datum der Veröffentlichungen)
- Inwiefern liegen der Landesregierung Daten darüber vor, ob die an den Veröffentlichungen beteiligten chinesischen Forscher chinesischen Militäreinrichtungen angehörten oder sonstige Verbindungen zum Militär- und Rüstungsapparat Chinas aufwiesen?
- Inwiefern liegen der Landesregierung Kenntnisse darüber vor, ob sich unter chinesischen Forschern, die in den vergangenen fünf Jahren an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen wirkten, Militärwissenschaftler oder -ingenieure befanden?
VII. Chinesische Forschungsinstitute
- Welche Erkenntnisse liegen über die Konfuzius Institute in Nordrhein-Westfalen hinsichtlich deren Einflussnahme auf chinesische Studenten vor?
- Welche Schlüsse und Konsequenzen wurden aus diesen Erkenntnissen (siehe Frage 53) gezogen?
- Welche Erkenntnisse für Nordrhein-Westfalen liegen über die in der Vorbemerkung der
Großen Anfrage genannten inoffiziellen Einrichtungen vor? - Welche Schlüsse und Konsequenzen wurden aus diesen Erkenntnissen (siehe Frage 55) gezogen?
- Inwiefern wird der Wertung zugestimmt, dass sich der Charakter der chinesischen Hochschulforschung wesentlich von der europäischen unterscheidet, weil stets eine übergeordnete geopolitisch-strategische Ausrichtung vorliegt?
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
Antwort der Landesregierung als PDF
1 https://correctiv.org/aktuelles/wirtschaft/2022/05/20/deutsche-forschungsgemeinschaft-dfg-forschung-geld-in-china-militaer-deutschland/ (abgerufen am 21.02.2023).
2 https://correctiv.org/aktuelles/wirtschaft/2022/05/18/wie-deutschlands-wissenschaft-china-hilft-zur-militaer-supermacht-aufzusteigen/ (abgerufen am 21.02.2023).
3 https://correctiv.org/aktuelles/wirtschaft/2022/05/18/deutschland-hochschulen-kooperation-mit-china-militaer/ (abgerufen am 21.02.2023).