Nach Vergewaltigung: Abschiebepflichtiger Ghanaer einfach auf freien Fuß gesetzt

Kleine Anfrage
vom 28.11.2024

Kleine Anfrage 4812

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Nach Vergewaltigung: Abschiebepflichtiger Ghanaer einfach auf freien Fuß gesetzt

Wie aus einem Bericht des Online-Portals Apollo-News hervorgeht, wurde ein 34-jähriger Asylbewerber aus Ghana, der wegen Vergewaltigung angeklagt war, freigelassen, da kein Platz in der Abschiebehaft verfügbar war.1

Weiter heißt es:

„Obwohl der Abschiebehaftbefehl im Gerichtssaal vollstreckt wurde, war der Mann noch am Nachmittag desselben Tages wieder auf freiem Fuß. Das Amtsgericht Mülheim erklärte auf Nachfrage, dass die zuständigen Behörden keinen freien Platz in der Abschiebehaft finden konnten. Dies führte zu der überraschenden Freilassung des Angeklagten, der weiterhin ausreisepflichtig bleibt.

Die Stadt Mülheim, in deren Zuständigkeit das Ausländeramt für den Bereich liegt, verweigerte eine detaillierte Stellungnahme zu den genauen Hintergründen der Freilassung und verwies auf die Behörde in Rostock. Diese wiederum teilte mit, dass es in Mecklenburg-Vorpommern keinen Mangel an Abschiebehaftplätzen gegeben habe. Der aktuelle Aufenthaltsort des Mannes ist unbekannt.“2

Der Landkreis Rostock teilte in seiner Antwort auf eine Anfrage auf eine Anfrage eines Kreistagsmitgliedes mit: „Unter dem 24.09.2024 teilte das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr mit, dass beabsichtigt wird, den Betroffenen aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Daraufhin stellte die Ausländerbehörde des Landkreises Rostock zur Sicherung der Abschiebung einen Antrag auf Anordnung von Abschiebungshaft in Form der Sicherungshaft.

Der Antrag der zuständigen Ausländerbehörde auf Anordnung von Abschiebungshaft (Sicherungshaft), hilfsweise auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Mülheim [sic] an der Ruhr abgelehnt. Eine vollstreckbare Entscheidung über die Anordnung von Abschiebungshaft lag damit nicht vor. Eine Haftplatzanfrage an das Gemeinsame Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR), das für die Vermittlung von Abschiebungshaftplätzen zuständig ist, verlief negativ. Nach Abfrage aller bundesweit zur Verfügung stehenden Abschiebungshafteinrichtungen wurde mitgeteilt, dass für den 24.09.2024 keine Abschiebungshaftplätze mehr zur Verfügung stehen. Da Abschiebungshaftplätze nur tagesaktuell vermittelt werden können, war eine Reservierung von Haftplätzen durch das ZUR leider nicht möglich. Im Rahmen der Überprüfung durch das ZUR wurden auch Kapazitäten in der Abschiebungshafteinrichtung in Glückstadt abgefragt.

Darüber hinaus wäre eine Unterbringung in der Abschiebungshafteinrichtung Glückstadt aufgrund der fehlenden polizeilichen Zuführung nicht möglich gewesen. Die Ausländerbehörde der Stadt Mühlheim an der Ruhr, die über einen eigenen Vollzugsdienst verfügt, konnte aus Kapazitätsgründen keine Amtshilfe leisten. Weitere angefragte Polizeidienststellen im Umkreis waren aus Kapazitätsgründen ebenfalls nicht in der Lage. Selbst eine Verlegung auf halbe Strecke, um der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern entgegenzukommen, war nicht möglich.

Daraufhin wurde der Betroffene entlassen.“3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie stellt sich der geschilderte Fall aus der Sicht der Landesregierung dar? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, ob mit einem weiteren Abschiebeversuch zu rechnen ist)
  2. Wer hätte nach Ansicht des Innenministeriums was veranlassen müssen, damit eine Zuführung in eine Abschiebehafteinrichtung hätte stattfinden können?
  3. Wie positioniert sich die Landesregierung vor dem Hintergrund des geschilderten Sachverhalts zu der Überlegung, bundesweit die Kapazitäten für Abschiebungshaftplätze deutlich auszuweiten?
  4. Liegt im konkreten Fall eine Aufnahmezusage aus dem Herkunftsland vor?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-11648

 

1 Vgl. https://apollo-news.net/nach-vergewaltigung-abschiebepflichtiger-ghanaer-einfach-auf-freien-fuss-gesetzt/

2 Ebd.

3 Vgl. https://www.nordkurier.de/regional/mecklenburg-vorpommern/untergetauchter-asylbewerber-haft-scheitert-an-gefaengnis-transport-3070288


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4812 mit Schreiben vom 31. Januar 2025 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie stellt sich der geschilderte Fall aus der Sicht der Landesregierung dar? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, ob mit einem weiteren Abschiebever-such zu rechnen ist)
  2. Wer hätte nach Ansicht des Innenministeriums was veranlassen müssen, damit
    eine Zuführung in eine Abschiebehafteinrichtung hätte stattfinden können?

Aufgrund des Sachzusammenhangs erfolgt die Beantwortung der Fragen 1 und 2 zusammen:

Die Zuständigkeit für den geschilderten Fall obliegt der Ausländerbehörde Rostock. Eine Be­urteilung durch die nordrhein-westfälische Landesregierung ist somit nicht möglich. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort auf die Kleine Anfrage 4585 (Drucksache 18/11418).

Die Ausländerbehörden führen Abschiebungsmaßnahmen gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich in eigener Zuständigkeit durch. In bestimmten Fallkonstellationen leistet die Po­lizei den Ausländerbehörden auf Ersuchen Vollzugshilfe und unterstützt bei der Vollstreckung der Maßnahme (§ 47 ff. PolG NRW; Ziff. 71.5.2.1 VV AufenthG). Dies kann insbesondere dann notwendig sein, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die Ausländerbehörden nicht über die erforderlichen Dienstkräfte verfügen oder die Maßnahme nicht auf andere Weise durchgesetzt werden kann.

Im vorliegenden Fall wäre für das Amts- und Vollzugshilfeersuchen der Ausländerbehörde Rostock die Kreispolizeibehörde Essen zuständig. Bezüglich des in der Kleinen Anfrage 4812 dargestellten Sachverhalts ist dort kein entsprechendes Ersuchen eingegangen.

  1. Wie positioniert sich die Landesregierung vor dem Hintergrund des geschilderten Sachverhalts zu der Überlegung, bundesweit die Kapazitäten für Abschiebungs-haftplätze deutlich auszuweiten?

Vor dem Hintergrund des Anschlags in Solingen am 23. August 2024 hat die Landesregierung am 10. September 2024 ein umfassendes Paket zu Sicherheit, Migration und Prävention in Nordrhein-Westfalen im Kabinett beschlossen. Das Maßnahmenpaket der Landesregierung verfolgt unter anderem das Ziel das Rückführungsmanagement in Nordrhein-Westfalen weiter zu verbessern und die Erfolgsquoten bei Abschiebungen weiter zu steigern. Da auch die Ab-schiebungshaft ein wesentlicher Punkt beim Gelingen von Rückführungen darstellt, ist es er­forderlich mit steigender Anzahl von Rückführungen weitere Kapazitäten vorzuhalten. Daher wird unabhängig von der bestehenden Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren, die Schaffung einer weiteren Abschiebungshaftanstalt erneut in den Blick genom­men.

  1. Liegt im konkreten Fall eine Aufnahmezusage aus dem Herkunftsland vor?

Mangels Zuständigkeit einer nordrhein-westfälischen Ausländerbehörde kann die Frage nicht beantwortet werden.

 

MMD18-12703