Kleine Anfrage 2375
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner AfD
Nachfrage zur Kleinen Anfrage 1035: Welche Rolle spielte das Innenministerium beim Parteiausschlussverfahren gegen eine ATIB-Funktionärin (Graue Wölfe) aus den Reihen der CDU Hagen?
Im Rahmen der Kleinen Anfrage 1035 vom 7. Februar 2023 machten wir darauf aufmerksam, dass aus dem Bericht einer Islamismus-Expertin hervorgeht, dass ein langjähriges Mitglied der CDU Hagen zugleich eine herausgehobene Verbindung zu den Grauen Wölfen hat.1
„Außerhalb ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit für die CDU ist sie 2. stellvertretende Vorsitzende im Zentralrat der Muslime (ZMD) und – nach mehreren früheren Positionen – seit dem 22. Mai 2022 Generalsekretärin der ATIB (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V). […] Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ordnete im Jahr 2020 den ZMD-Mitgliedsverband ATIB der türkisch-rechtsextremen Ülkücü-Bewegung8 (Graue Wölfe) zu. Ein zentrales Merkmal der Ülkücü-Bewegung sei – laut Aussage des Landesamts für Verfassungsschutz – „die Idealisierung der eigenen türkischen Identität bei gleichzeitiger Herabwürdigung anderer Volksgruppen und politischer Gegner sowie die Erschaffung einer neuen Weltordnung „Nizami Alem“ in Form einer Weltherrschaft des Islams unter Führung der türkischen Nation.“2
Wie aus einer Meldung vom 06. April 2023 auf dem türkischen Online-Portal „Sabah“ hervorgeht, hat die CDU die betroffene Funktionärin mittlerweile aus der Partei ausgeschlossen.3 Bei der Bekanntgabe der Entscheidung soll der Vorsitzende der CDU Hagen gesagt haben: „Es wurde festgestellt, dass [das betroffene Parteimitglied] Mitglied der ATIB und des Zentralrats der Muslime ist, was wir für rassistisch halten.[…]
Ihre Mitgliedschaft ist mit den Beschlüssen der CDU auf dem Parteitag 2014 unvereinbar.“4
Irritierend ist in diesem Zusammenhang ein möglicher zeitlicher Bezug zum Besuch des Innenministers, Herbert Reul (CDU), bei der CDU Hagen am 21.03.2023, also zwischen der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage und dem Parteiausschluss.5 Wenige Tage später wurde eine damit zusammenhängende Problematik zudem auch im Innenausschuss thematisiert.6
Am 02. August berichtete die Junge Freiheit (JF) ausführlich über den Fall.7 Im Artikel „Graue Wölfe heulen in der CDU“ heißt es, dass dieses Parteiausschlussverfahren eher heimlich und nahezu unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit abläuft. So blieb eine Nachfrage der JF an die CDU Hagen zum aktuellen Stand des Verfahrens von Mitte Juli bisher unbeantwortet. Berichtet wird über immer wiederkehrende Verbindungen des CDU-Landesverbands NRW zu den Grauen Wölfen, die bis in das Jahr 2014 zurückreichen.
Wie bereits unter Ministerpräsident Laschet schweigt sich auch die Regierung von Ministerpräsident Wüst in dieser Angelegenheit aus, obwohl es immer wieder zu Besuchen hoher CDU-Funktionäre in „Graue Wölfe“-Moscheen kommt. Im Artikel der JF wird vermutet, dass „Anhänger der Bewegung in der NRW-CDU bis heute als wichtige und zu pflegende Wähler gesehen werden.“ Zum aktuellen Fall im CDU-Kreisverband Hagen befragt, antwortete der Innenminister, Herbert Reul, ausweichend: „Die Landesregierung hat die Mitgliedschaft einer Person in einer politischen Partei nicht zu bewerten. […] Eine personenbezogene Statistik über Mitgliedschaften von Ülkücü-Anhängern im CDU-Landesverband NRW wird vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz daher nicht geführt.“8
Wie die JF weiter berichtet, habe die CDU gegenüber der Hagener Presse freimütig eingeräumt, erst durch „eine argwöhnische Presseanfrage“ an deren Landesgeschäftsstelle auf den aktuellen Fall aufmerksam geworden zu sein. Das wirft die Frage auf, ob das Innenministerium eine Warnung an den betroffenen Kreisverband bewusst unterlassen hat. Berichtet wird von einer engen Verbundenheit der Funktionärin mit der ATIB, die „bereits als Jugendliche begann und später mit einer beeindruckenden Funktionärskarriere belohnt wurde“. Schließlich wird vermutet, dass der – auf Betreiben des ehemaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet gescheiterte Versuch, auf dem CDU-Bundesparteitag 2016 in Essen einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit den Grauen Wölfen zu erwirken, der Betroffenen jetzt in die Hände spielen könne. „Denn dieses Votum könnte juristisch auch so interpretiert werden, dass die Delegierten indirekt dafür gestimmt haben, dass „Graue Wölfe“ auch weiterhin CDU-Mitglieder sein dürfen.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Inwiefern hat der Innenminister seinen Besuch bei der CDU Hagen dazu genutzt, um auf den in der Kleinen Anfrage thematisierten Fall im betroffenen CDU-Kreisverband einzugehen?
- Inwiefern gab es im Nachgang der aufgeführten Kleinen Anfrage in Bezug auf die betroffene Person eine kommunale Anfrage der Stadt Hagen an das Innenministerium an das Landesamt für Verfassungsschutz?
- In welcher Form tritt das Innenministerium proaktiv mit kommunalen Ansprechpartnern in Kontakt, wenn Verbindungen kommunaler Mandatsträger zu extremistischen Gruppierungen wie der Ülkücü-Bewegung bekannt werden?
- In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 1035 verweist die Landesregierung in Bezug auf die ATIB-Funktionärin im Integrationsrat Hagen auf die kommunale Selbstverwaltung. Kommunalpolitische Gremienentscheidungen wolle man im Einzelfall nicht kommentieren. Wie bewertet die Landesregierung generell, dass hohe Funktionäre oder auch einfache Mitglieder der Ülkücü-Bewegung in den Integrationsräten kommunalpolitisch tätig sind?
- Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zur Anzahl kommunaler Mandatsträger in den Reihen der CDU oder auch anderer Parteien vor, die zugleich bei der Ülkücü-Bewegung aktiv sind?
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/2879
2 Ebd.
3 Vgl. https:// www .sabah.com.tr/avrupa/2023/04/06/bunlar-nasil-demokrat
4 Ebd.
5 Vgl. https:// www .cdu-hagen.de/artikel/nrw-innenminister-herbert-reul-folgt-einladung-der-cdu-hagen
6 Vgl. Innenausschuss vom 23.03.2023; TOP 13; Lt.-Vorlage 18/1031; https:// www.landtag.nrw.de/home/mediathek/video.html?kid=6ed3cdc6-6ebd-413e-b6bc-570a33185342 01:59:00 bis 02:06:30
7 Vgl. https:// jungefreiheit .de/politik/deutschland/2023/graue-woelfe-heulen/
8 Vgl. Lt.-Drucksache 18/2879
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2375 mit Schreiben vom 27. September 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
- Inwiefern hat der Innenminister seinen Besuch bei der CDU Hagen dazu genutzt, um auf den in der Kleinen Anfrage thematisierten Fall im betroffenen CDU-Kreisverband einzugehen?
Der Besuch bei der CDU Hagen fand am Rande eines Ortstermins in Hagen-Altenhagen auf Einladung der Westfalenpost (WP) statt und geht auf eine Gesprächsanfrage des Kreisverbandes von Anfang Januar zurück. Das Gespräch mit den Vorsitzenden des CDU-Kreisverbandes Hagen sowie der CDU-Ratsfraktion Hagen fand zudem bereits am 10. Februar statt und stand im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Hagen-Altenhagen in der Silvesternacht 2022/2023.
- Inwiefern gab es im Nachgang der aufgeführten Kleinen Anfrage in Bezug auf die betroffene Person eine kommunale Anfrage der Stadt Hagen an das Innenministerium an das Landesamt für Verfassungsschutz?
Eine solche Anfrage der Stadt Hagen ist nicht bekannt.
- In welcher Form tritt das Innenministerium proaktiv mit kommunalen Ansprechpartnern in Kontakt, wenn Verbindungen kommunaler Mandatsträger zu extremistischen Gruppierungen wie der Ülkücü-Bewegung bekannt werden?
Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz informiert und sensibilisiert entsprechend seines gesetzlichen Auftrags regelmäßig Öffentlichkeit und Politik über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten, so auch über die Ülkücü-Bewegung. Darüber hinaus steht der Verfassungsschutz als Ansprechpartner zur Verfügung.
Zur gezielten Unterstützung von Kommunen bei Fragen und Unsicherheiten im Umgang mit extremistischen Bestrebungen, wurde 2014 das Präventionsprojekt „Kommunen gegen Extremismus“ ins Leben gerufen. Das Projekt zielt unter anderem darauf ab, sämtlichen Formen von Extremismus bereits frühzeitig entgegenzuwirken. Hierbei arbeiten der polizeiliche Staatsschutz, der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz sowie die Kommunen, Städte und Kreise eng zusammen.
Im Übrigen ist eine Übermittlung personenbezogener Daten durch den Verfassungsschutz an inländische öffentliche Stellen wie Kommunalverwaltungen nur im Rahmen der Vorgaben des § 17 Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen zulässig, wenn diese die Daten zum Zwecke der Erfüllung ihrer Aufgaben zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für erhebliche Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigen. Hierzu ist jeweils eine Einzelfallprüfung erforderlich.
- In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 1035 verweist die Landesregierung in Bezug auf die ATIB-Funktionärin im Integrationsrat Hagen auf die kommunale Selbstverwaltung. Kommunalpolitische Gremienentscheidungen wolle man im Einzelfall nicht kommentieren. Wie bewertet die Landesregierung generell, dass hohe Funktionäre oder auch einfache Mitglieder der Ülkücü-Bewegung in den Integrationsräten kommunalpolitisch tätig sind?
Die Landesregierung nimmt – wie im Einzelfall – auch generell keine Bewertung kommunalpolitischer Gremienentscheidungen vor. Die Integrationsräte sowie Integrationsausschüsse sind kommunale Gremien, deren Zusammensetzung aus gewählten Mitgliedern der Integrationsräte und -ausschüsse sowie aus ebenfalls gewählten Ratsmitgliedern erfolgt. Die Landesregierung hat keinerlei Einfluss auf die Besetzung dieser Gremien.
- Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zur Anzahl kommunaler Mandatsträger in den Reihen der CDU oder auch anderer Parteien vor, die zugleich bei der Ülkücü-Bewegung aktiv sind?
Der Landesregierung liegen keine Daten im Sinne der Anfrage vor.
Im Rahmen seines Beobachtungsauftrages sammelt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz Informationen über das extremistische Personenpotenzial beobachteter Personenzusammenschlüsse wie der Ülkücü-Bewegung (sog. Graue Wölfe). Kommunale Mandatsträger sind als solche nicht vom Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes erfasst. Dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz liegen daher lediglich vereinzelt Erkenntnisse zum Austausch von Mandatsträgern mit beobachteten Personenzusammenschlüssen vor. Diese werden durch den Verfassungsschutz weder statistisch noch im Einzelfall erfasst.