Nachfrage zur Kleinen Anfrage 4065: „Hasskriminalität“ im Netz – Gilt die Definition des BKA auch in Bezug auf die geplanten Meldestellen?

Kleine Anfrage
vom 10.09.2024

Kleine Anfrage 4391

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Nachfrage zur Kleinen Anfrage 4065: „Hasskriminalität“ im Netz – Gilt die Definition des BKA auch in Bezug auf die geplanten Meldestellen?

Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4065 des Abgeordneten Dr. Werner Pfeil (FDP) geht die Anzahl der eingegangenen Meldungen bzw. Strafanzeigen mit „Hass im Netz“ hervor.

Anders als im Zusammenhang mit den geplanten Meldestellen gibt es hierbei offensichtlich eine Definition des Begriffs „Hass“ bzw. „Hetze“ im strafrechtlichen Sinne. Grundsätzlich ist Hass an sich bekanntlich keine Straftat, sondern ein Gefühl wie „Liebe“ auf der anderen Seite der Skala. Folglich findet sich diese Kategorisierung auch nicht im Strafgesetzbuch.

Gemäß den Angaben des BKA werden – trotz dieses Umstandes – 12 Straftatbestände gemäß StGB unter „Hetze im Netz“ zusammengefasst1:

  • 86 Verbotene Symbole
  • 111 Öffentlicher Aufruf zu Straftaten
  • 130 Volksverhetzung
  • 131 Gewaltdarstellung
  • 166 Beschimpfung religiöser Symbole
  • 185 Beleidigung
  • 186 Üble Nachrede
  • 187 Verleumdung
  • 201 Tonaufnahmen
  • 201a Recht am eigenen Bild
  • 240 Nötigung
  • 241 Bedrohung

Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4065 geht eine große Diskrepanz zwischen der Anzahl der eingegangenen Meldungen bzw. Strafanzeigen und der Anzahl der gerichtlichen Strafverfahren bzw. rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen hervor.

Aus 2005 Eingängen im Jahr 2023 wurden beispielsweise 107 Anklagen bzw. Strafbefehle (ca. 5 %) und 55 rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen (ca. 2,5 %). Unklar bleibt in der Antwort der Landesregierung, was aus den übrigen Eingängen wurde.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Bei wie vielen der in den Jahren 2020 bis 2024 bei der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW der Staatsanwaltschaft Köln (ZAC NRW) eingegangenen Meldungen bzw. Strafanzeigen stellte sich im Nachhinein heraus, dass es sich um keine strafbare Handlung handelt?
  2. Inwiefern werden die erhobenen Daten in diesen Fällen dauerhaft gelöscht und die Verfahren eingestellt?
  3. Wie begegnet die Landesregierung der geschilderten hohen Diskrepanz zwischen der Anzahl der eingegangenen Meldungen bzw. Strafanzeigen bei der ZAC NRW und der Anzahl der Anklagen bzw. Strafbefehle sowie der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen?
  4. Im Zusammenhang mit den neuen Meldestellen ist auch die Erfassung der sogenannten „Hassrede“ vorgesehen. Bisher konnte die zuständige Ministerin, Josefine Paul, in ihren Antworten auf mehrere Kleine Anfragen hierzu keine eindeutige Definition liefern. Inwiefern stimmt obige Definition des BKA mit den aktuellen Planungen überein?
  5. Welche zusätzlichen Straftatbestände sollen als sogenannte „Hassrede“ im Zusammenhang mit den neuen Meldestellen erfasst werden? (Bitte den jeweiligen Paragrafen des StGB benennen oder Handlungen/Sachverhalte – mit konkreten Beispielen – aufführen, die sich zwar nicht im Strafgesetzbuch finden, aber trotzdem im Zusammenhang mit „Hassrede“ als meldewürdige Vorfälle der Meldestellen gewertet werden sollen)

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-10593

 

1 Vgl. https://polizei.nrw/artikel/wer-hetzt-macht-sich-strafbar-auch-im-netz


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 4391 mit Schreiben vom 10. Oktober 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Bei wie vielen der in den Jahren 2020 bis 2024 bei der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW der Staatsanwaltschaft Köln (ZAC NRW) eingegangenen Mel­dungen bzw. Strafanzeigen stellte sich im Nachhinein heraus, dass es sich um keine strafbare Handlung handelt?

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat mir unter dem 17.09.2024 berichtet, dass in Vor­gängen im Sinne der Fragestellung, die bei seiner Behörde erfasst seien und namentlich be­zeichnete Personen beträfen, eine Aufnahme von Ermittlungen aus rechtlichen oder tatsäch­lichen Gründen in den nachgenannten Jahren jeweils in der nachstehenden Zahl von Fällen abgelehnt worden sei:

2020 2021 2022 2023 2024
198 35 23 15 11

 

In Vorgängen betreffend namentlich nicht bekannte Personen lasse sich der Grund für die Einstellung nicht einer entsprechenden Kennziffer entnehmen, so dass die erbetenen Zahlen nicht statistisch erfasst würden. Eine manuelle Durchsicht der Vorgänge könne innerhalb der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfolgen.

  1. Inwiefern werden die erhobenen Daten in diesen Fällen dauerhaft gelöscht und die Verfahren eingestellt?

Dem in der Antwort auf Frage 1 genannten Bericht zufolge erfolgt die Ablehnung der Aufnahme von Ermittlungen – sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat nicht bestehen, § 152 Absatz 2 Strafprozessordnung – unmittelbar nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Eingangsprüfung. Die Löschung der in Verarbeitung der Meldung mitgeteilten Daten richte sich nach den Vorschriften der Strafprozessordnung in Verbindung mit dem Bundesdatenschutzgesetz, dem Justizgesetz Nordrhein-Westfalen und den Vorschrif­ten der Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut in der Justiz und Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen.

  1. Wie begegnet die Landesregierung der geschilderten hohen Diskrepanz zwischen der Anzahl der eingegangenen Meldungen bzw. Strafanzeigen bei der ZAC NRW und der Anzahl der Anklagen bzw. Strafbefehle sowie der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen?

Dem in der Antwort auf die Frage 1 genannten Bericht zufolge beruht die Differenz zwischen der Zahl der bei der Zentralstelle eingegangenen Meldungen und der Zahl der daraufhin un­mittelbar durch die ZAC NRW herbeigeführten Verfahrensabschlüsse – soweit eine tatver­dächtige Person ermittelt werden konnte – im Wesentlichen auf Verfahrensabgaben an die für den Wohnort von Beschuldigten örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften anderer Bundeslän­der. Handlungsbedarf seitens der Landesregierung besteht danach nicht.

  1. Im Zusammenhang mit den neuen Meldestellen ist auch die Erfassung der sogenannten „Hassrede“ vorgesehen. Bisher konnte die zuständige Ministerin, Josefine Paul, in ihren Antworten auf mehrere Kleine Anfragen hierzu keine eindeutige Definition liefern. Inwiefern stimmt obige Definition des BKA mit den aktuellen Planungen überein?

Die Ausführungen des BKA enthalten keine Definition der „Hassrede“, sondern eine nicht abschließende beispielhafte Aufzählung von Straftatbeständen, welche unter „Hass im Netz“ zusammengefasst würden. Dies verdeutlicht, dass es keine klare, allgemein akzeptierte Definition der sog. „Hassrede“ im Sinne der Fragestellung gibt (zu vgl. Antwort der Landesregierung auf die Nachfragen 1 bis 6 sowie 8 und 9 zur Kleinen Anfrage 336 in der Großen Anfrage 23, Lt.-Drucksache 18/9680).

  1. Welche zusätzlichen Straftatbestände sollen als sogenannte „Hassrede“ im Zusammenhang mit den neuen Meldestellen erfasst werden? (Bitte den jeweiligen Paragrafen des StGB benennen oder Handlungen/Sachverhalte – mit konkreten Beispielen – aufführen, die sich zwar nicht im Strafgesetzbuch finden, aber trotzdem im Zusammenhang mit „Hassrede“ als meldewürdige Vorfälle der Meldestellen gewertet werden sollen)

Die künftigen Meldestellen sollen Diskriminierungsvorfälle unabhängig von ihrer etwaigen Strafbarkeit erfassen. Die strafrechtliche Bewertung und Strafverfolgung obliegt ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden.

 

MMD18-11014